Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_308.001
auf die andere die des Cato stellt, wenn er behauptet, die p1c_308.002
Weltaxe müsse das Uebergewicht seines Caesars fühlen, sobald p1c_308.003
dieser unter die Sterne versetzt nicht in der Mitte des p1c_308.004
Aethers seinen Sitz nähme, so weiß man nicht, ob man p1c_308.005
lachen oder gähnen soll bey dieser Uebertreibung. Dagegen p1c_308.006
ist es nicht Hyperbel zu nennen, wenn Homer Il. XIV. 390. p1c_308.007
plötzlich den Neptun und den Hector einander entgegenstellt: p1c_308.008
Kuanokhaita poseidaon, kai phaidimos Ektor. Dieses p1c_308.009
ist dichterische Wahrheit. Eben so wenn Virgil von p1c_308.010
der Camilla sagt, sie würde in der Schnelligkeit ihres p1c_308.011
Laufs nicht die Kornähren krümmen, so wird dies durch p1c_308.012
das Wunderbare gerechtfertigt. Die eigentliche Hyperbel p1c_308.013
kann nur im Komischen oder zuweilen im Heftigen Wirkung p1c_308.014
thun. Beym Großen, Starken und Erhabenen macht sie p1c_308.015
die Rede frostig und schwach. 19) Von der Metapher als p1c_308.016
Tropus, die wir oben erwähnten, die sich nur im Vorübergehen p1c_308.017
eines Bildes bedient, kann die Metapher als Figur p1c_308.018
noch unterschieden werden. Hier verweilt die Rede des p1c_308.019
Dichters bey einmal gewählten Bildern und führt die Aehnlichkeit p1c_308.020
weiter aus. Dies gelingt selten. [Annotation]

Young liebt das p1c_308.021
vorzüglich, wie überhaupt die englischen Dichter. Bey p1c_308.022
Lehrgedichten wird das auch am ersten geduldet werden können, p1c_308.023
weil hier mehr Verstand und Phantasie, als Empfindung p1c_308.024
und Leidenschaft spricht. [Annotation] So sagt Young, das Alter p1c_308.025
wandle gedankenvoll an dem stillen Ufer des weiten Ozeans, p1c_308.026
auf dem es bald segeln müsse, und nur wenn es gute Werke p1c_308.027
einschiffe, erwarte es ruhig den Wind, der uns in unbekannte p1c_308.028
Welten bringt. [Annotation] Am meisten wird die Phantasie angestrengt

p1c_308.001
auf die andere die des Cato stellt, wenn er behauptet, die p1c_308.002
Weltaxe müsse das Uebergewicht seines Caesars fühlen, sobald p1c_308.003
dieser unter die Sterne versetzt nicht in der Mitte des p1c_308.004
Aethers seinen Sitz nähme, so weiß man nicht, ob man p1c_308.005
lachen oder gähnen soll bey dieser Uebertreibung. Dagegen p1c_308.006
ist es nicht Hyperbel zu nennen, wenn Homer Il. XIV. 390. p1c_308.007
plötzlich den Neptun und den Hector einander entgegenstellt: p1c_308.008
Κυανοχαιτα ποσειδαων, και φαιδιμος Ἑκτωρ. Dieses p1c_308.009
ist dichterische Wahrheit. Eben so wenn Virgil von p1c_308.010
der Camilla sagt, sie würde in der Schnelligkeit ihres p1c_308.011
Laufs nicht die Kornähren krümmen, so wird dies durch p1c_308.012
das Wunderbare gerechtfertigt. Die eigentliche Hyperbel p1c_308.013
kann nur im Komischen oder zuweilen im Heftigen Wirkung p1c_308.014
thun. Beym Großen, Starken und Erhabenen macht sie p1c_308.015
die Rede frostig und schwach. 19) Von der Metapher als p1c_308.016
Tropus, die wir oben erwähnten, die sich nur im Vorübergehen p1c_308.017
eines Bildes bedient, kann die Metapher als Figur p1c_308.018
noch unterschieden werden. Hier verweilt die Rede des p1c_308.019
Dichters bey einmal gewählten Bildern und führt die Aehnlichkeit p1c_308.020
weiter aus. Dies gelingt selten. [Annotation]

Young liebt das p1c_308.021
vorzüglich, wie überhaupt die englischen Dichter. Bey p1c_308.022
Lehrgedichten wird das auch am ersten geduldet werden können, p1c_308.023
weil hier mehr Verstand und Phantasie, als Empfindung p1c_308.024
und Leidenschaft spricht. [Annotation] So sagt Young, das Alter p1c_308.025
wandle gedankenvoll an dem stillen Ufer des weiten Ozeans, p1c_308.026
auf dem es bald segeln müsse, und nur wenn es gute Werke p1c_308.027
einschiffe, erwarte es ruhig den Wind, der uns in unbekannte p1c_308.028
Welten bringt. [Annotation] Am meisten wird die Phantasie angestrengt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="308"/><lb n="p1c_308.001"/>
auf die andere die des Cato stellt, wenn er behauptet, die <lb n="p1c_308.002"/>
Weltaxe müsse das Uebergewicht seines Caesars fühlen, sobald <lb n="p1c_308.003"/>
dieser unter die Sterne versetzt nicht in der Mitte des <lb n="p1c_308.004"/>
Aethers seinen Sitz nähme, so weiß man nicht, ob man <lb n="p1c_308.005"/>
lachen oder gähnen soll bey dieser Uebertreibung. Dagegen <lb n="p1c_308.006"/>
ist es nicht Hyperbel zu nennen, wenn Homer <hi rendition="#aq">Il. XIV</hi>. 390. <lb n="p1c_308.007"/>
plötzlich den Neptun und den Hector einander entgegenstellt: <lb n="p1c_308.008"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x039A;&#x03C5;&#x03B1;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C7;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C0;&#x03BF;&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B1;&#x03C9;&#x03BD;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C6;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B4;&#x03B9;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F19;&#x03BA;&#x03C4;&#x03C9;&#x03C1;</foreign>. Dieses <lb n="p1c_308.009"/>
ist dichterische Wahrheit. Eben so wenn Virgil von <lb n="p1c_308.010"/>
der Camilla sagt, sie würde in der Schnelligkeit ihres <lb n="p1c_308.011"/>
Laufs nicht die Kornähren krümmen, so wird dies durch <lb n="p1c_308.012"/>
das Wunderbare gerechtfertigt. Die eigentliche Hyperbel <lb n="p1c_308.013"/>
kann nur im Komischen oder zuweilen im Heftigen Wirkung <lb n="p1c_308.014"/>
thun. Beym Großen, Starken und Erhabenen macht sie <lb n="p1c_308.015"/>
die Rede frostig und schwach. 19) <anchor xml:id="cl1067"/> Von der Metapher als <lb n="p1c_308.016"/>
Tropus, die wir oben erwähnten, die sich nur im Vorübergehen <lb n="p1c_308.017"/>
eines Bildes bedient, kann die <hi rendition="#g">Metapher</hi> als Figur <lb n="p1c_308.018"/>
noch unterschieden werden. Hier verweilt die Rede des <lb n="p1c_308.019"/>
Dichters bey einmal gewählten Bildern und führt die Aehnlichkeit <lb n="p1c_308.020"/>
weiter aus. Dies gelingt selten. <anchor xml:id="cl1068"/> <note targetEnd="cl1068" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-2-0" target="cl1067">     Unterkategorie der Metapher: Metapher als Figur (im Gegensatz zu Metapher als Tropus) </note> <anchor xml:id="cl1069"/> Young liebt das <lb n="p1c_308.021"/>
vorzüglich, wie überhaupt die englischen Dichter. Bey <lb n="p1c_308.022"/>
Lehrgedichten wird das auch am ersten geduldet werden können, <lb n="p1c_308.023"/>
weil hier mehr Verstand und Phantasie, als Empfindung <lb n="p1c_308.024"/>
und Leidenschaft spricht. <anchor xml:id="cl1070"/> <note targetEnd="cl1070" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-2-5 #m1-3-2-0 #m1-3-2-12 #m1-8-1-0" target="cl1069">     Personen: Young + englische Dichter - Bsp. für Abgrenzung: Metapher als Figur </note> <anchor xml:id="cl1071"/> So sagt Young, das Alter <lb n="p1c_308.025"/>
wandle gedankenvoll an dem stillen Ufer des weiten Ozeans, <lb n="p1c_308.026"/>
auf dem es bald segeln müsse, und nur wenn es gute Werke <lb n="p1c_308.027"/>
einschiffe, erwarte es ruhig den Wind, der uns in unbekannte <lb n="p1c_308.028"/>
Welten bringt. <anchor xml:id="cl1072"/> <note targetEnd="cl1072" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-2-3 #m1-3-1-0 #m1-6-2-1 #m1-8-1-0" target="cl1071">     Bsp. für Abgr. Metapher als Figur </note> <anchor xml:id="cl1073"/>     Am meisten wird die Phantasie angestrengt
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0366] p1c_308.001 auf die andere die des Cato stellt, wenn er behauptet, die p1c_308.002 Weltaxe müsse das Uebergewicht seines Caesars fühlen, sobald p1c_308.003 dieser unter die Sterne versetzt nicht in der Mitte des p1c_308.004 Aethers seinen Sitz nähme, so weiß man nicht, ob man p1c_308.005 lachen oder gähnen soll bey dieser Uebertreibung. Dagegen p1c_308.006 ist es nicht Hyperbel zu nennen, wenn Homer Il. XIV. 390. p1c_308.007 plötzlich den Neptun und den Hector einander entgegenstellt: p1c_308.008 Κυανοχαιτα ποσειδαων, και φαιδιμος Ἑκτωρ. Dieses p1c_308.009 ist dichterische Wahrheit. Eben so wenn Virgil von p1c_308.010 der Camilla sagt, sie würde in der Schnelligkeit ihres p1c_308.011 Laufs nicht die Kornähren krümmen, so wird dies durch p1c_308.012 das Wunderbare gerechtfertigt. Die eigentliche Hyperbel p1c_308.013 kann nur im Komischen oder zuweilen im Heftigen Wirkung p1c_308.014 thun. Beym Großen, Starken und Erhabenen macht sie p1c_308.015 die Rede frostig und schwach. 19) Von der Metapher als p1c_308.016 Tropus, die wir oben erwähnten, die sich nur im Vorübergehen p1c_308.017 eines Bildes bedient, kann die Metapher als Figur p1c_308.018 noch unterschieden werden. Hier verweilt die Rede des p1c_308.019 Dichters bey einmal gewählten Bildern und führt die Aehnlichkeit p1c_308.020 weiter aus. Dies gelingt selten. Unterkategorie der Metapher: Metapher als Figur (im Gegensatz zu Metapher als Tropus) Young liebt das p1c_308.021 vorzüglich, wie überhaupt die englischen Dichter. Bey p1c_308.022 Lehrgedichten wird das auch am ersten geduldet werden können, p1c_308.023 weil hier mehr Verstand und Phantasie, als Empfindung p1c_308.024 und Leidenschaft spricht. Personen: Young + englische Dichter - Bsp. für Abgrenzung: Metapher als Figur So sagt Young, das Alter p1c_308.025 wandle gedankenvoll an dem stillen Ufer des weiten Ozeans, p1c_308.026 auf dem es bald segeln müsse, und nur wenn es gute Werke p1c_308.027 einschiffe, erwarte es ruhig den Wind, der uns in unbekannte p1c_308.028 Welten bringt. Bsp. für Abgr. Metapher als Figur Am meisten wird die Phantasie angestrengt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/366
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/366>, abgerufen am 23.11.2024.