p1c_355.001 Auf diese Art findet sich der Reim auch vorzüglich bey den p1c_355.002 Arabern. - Große Genauigkeit der Reime darf man bey p1c_355.003 den ältsten Deutschen nicht suchen. Ottfried, der in der p1c_355.004 Mitte des 9ten Jahrhunderts, um das Volk von seinen profanen p1c_355.005 Gesängen abzubringen, die Evangelien reimte, reimt p1c_355.006 snello und follo. Der Rhythmus de L. Annone Coloniens. p1c_355.007 Archiepiscopo aus dem eilften Jahrhunderte, p1c_355.008 den Opitz herausgab, und der ebenfalls die heroischen Gesänge p1c_355.009 der Vorfahren durch geistliche Gedanken zu verdrängen p1c_355.010 sucht, fängt also an: Wir horten ie dikke (öfters) p1c_355.011 singen Von alten Dingen, Wi snelle helidep1c_355.012 (Helden) vuthen (fochten) Wi si veste burge brechen,p1c_355.013 Wi sich lieb in vuiniscefte (Freundschaft) p1c_355.014 schieden, Wi riche Künige allzegiengen.p1c_355.015 Nu ist chit daz wir denken, Wi wir selve sülin p1c_355.016 ende. Crist der unser hero Güt, Wi manige ceichen p1c_355.017 her uns vure düt. Man sieht hier Reime, sogar p1c_355.018 dreyfache, und eine Art Stanze, aber auch mehr Assonanzen.p1c_355.019 So viel zur Geschichte des Reims. Hieraus p1c_355.020 ergeben sich folgende Behauptungen, die zu einer Theorie p1c_355.021 des Reims führen können. 1) Der Reim ist ein Mittel, die p1c_355.022 sich auf einander beziehenden rhythmischen Sylbenreihen zu p1c_355.023 bezeichnen. Bey den Meistersängern heißt er deswegen p1c_355.024 Bundwort, weil er verschiedene Theile der Rede bindet. p1c_355.025 Jn so fern der Reim ursprünglich mehr dem freyen Rhythmus, p1c_355.026 als dem Metrum angehört, so setzt er weder eine gleiche p1c_355.027 Zahl von Sylben, noch eine, nach fester Ordnung bestimmte p1c_355.028 Quantität derselben voraus. Zwar bedeutet Rim bey
p1c_355.001 Auf diese Art findet sich der Reim auch vorzüglich bey den p1c_355.002 Arabern. ─ Große Genauigkeit der Reime darf man bey p1c_355.003 den ältsten Deutschen nicht suchen. Ottfried, der in der p1c_355.004 Mitte des 9ten Jahrhunderts, um das Volk von seinen profanen p1c_355.005 Gesängen abzubringen, die Evangelien reimte, reimt p1c_355.006 snello und follo. Der Rhythmus de L. Annone Coloniens. p1c_355.007 Archiepiscopo aus dem eilften Jahrhunderte, p1c_355.008 den Opitz herausgab, und der ebenfalls die heroischen Gesänge p1c_355.009 der Vorfahren durch geistliche Gedanken zu verdrängen p1c_355.010 sucht, fängt also an: Wir horten ie dikke (öfters) p1c_355.011 singen Von alten Dingen, Wi snelle helidep1c_355.012 (Helden) vuthen (fochten) Wi si veste burge brechen,p1c_355.013 Wi sich lieb in vuiniscefte (Freundschaft) p1c_355.014 schieden, Wi riche Künige allzegiengen.p1c_355.015 Nu ist chit daz wir denken, Wi wir selve sülin p1c_355.016 ende. Crist der unser hero Güt, Wi manige ceichen p1c_355.017 her uns vure düt. Man sieht hier Reime, sogar p1c_355.018 dreyfache, und eine Art Stanze, aber auch mehr Assonanzen.p1c_355.019 So viel zur Geschichte des Reims. Hieraus p1c_355.020 ergeben sich folgende Behauptungen, die zu einer Theorie p1c_355.021 des Reims führen können. 1) Der Reim ist ein Mittel, die p1c_355.022 sich auf einander beziehenden rhythmischen Sylbenreihen zu p1c_355.023 bezeichnen. Bey den Meistersängern heißt er deswegen p1c_355.024 Bundwort, weil er verschiedene Theile der Rede bindet. p1c_355.025 Jn so fern der Reim ursprünglich mehr dem freyen Rhythmus, p1c_355.026 als dem Metrum angehört, so setzt er weder eine gleiche p1c_355.027 Zahl von Sylben, noch eine, nach fester Ordnung bestimmte p1c_355.028 Quantität derselben voraus. Zwar bedeutet Rim bey
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/413>, abgerufen am 23.11.2024.
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