p1c_433.001 deklamiren auch, sie bedürfen aber noch einer andern der p1c_433.002 freyen Kunst verwandten Kunst, nämlich der Mimik. p1c_433.003 Demosthenes und Cicero verlangen mit vollkommnem p1c_433.004 Recht zu einem Redner die Aktion. Denn der Redner muß p1c_433.005 aus politischen Gründen durch seine Person selbst gefallen p1c_433.006 und Eindruck machen. Wie er sich des poetischen Gewandes p1c_433.007 bedient, um seiner Rede Eingang zu verschaffen, eben p1c_433.008 so benutzt er in einem gewissen Grade die Regeln der Schauspielkunst. p1c_433.009 Cicero beginnt seine Rede pro Milone mit einer p1c_433.010 pathetischen Beschreibung des Schauplatzes, wo er auftrat, p1c_433.011 der Krieger, welche den Gerichtshof umgaben, des Volkes, p1c_433.012 welches erwartungsvoll von allen Seiten den Gerichtsverhandlungen p1c_433.013 zusah. ethos und pathos wechseln also in p1c_433.014 den Bewegungen beym Redner ab, wie beym Schauspieler. p1c_433.015 Die poetische Deklamation hat es blos mit der Stimme p1c_433.016 zu thun. Man möchte einwenden, der Deklamatorp1c_433.017 sey eigentlich auch ein Schauspieler, er vertrete die p1c_433.018 Stelle des Dichters. Es ist nicht zu läugnen, daß bey den p1c_433.019 Griechen dies gewissermaßen der Fall war. Athenäusp1c_433.020 berichtet uns, Demetrius Phalereus habe die Rhapsoden, p1c_433.021 oder Deklamatoren aufs Theater eingeführt. Aus dem p1c_433.022 Jon des Plato lernen wir, die Rhapsoden hätten ihren Körper p1c_433.023 besonders schmücken müssen, um schön zu sehn, sie hätten p1c_433.024 bey den Opfern und Festen herrliche Kleider und goldene p1c_433.025 Kronen getragen. Einige leiten sogar das Wort Rhapsode p1c_433.026 von dem rabdos daphnes, oder dem Lorbeerzweig her, den p1c_433.027 die Deklamatoren in der Hand trugen, gerade, wie ihn die p1c_433.028 Dichter nach dem Pausanias und Callimachus beym Singen
p1c_433.001 deklamiren auch, sie bedürfen aber noch einer andern der p1c_433.002 freyen Kunst verwandten Kunst, nämlich der Mimik. p1c_433.003 Demosthenes und Cicero verlangen mit vollkommnem p1c_433.004 Recht zu einem Redner die Aktion. Denn der Redner muß p1c_433.005 aus politischen Gründen durch seine Person selbst gefallen p1c_433.006 und Eindruck machen. Wie er sich des poetischen Gewandes p1c_433.007 bedient, um seiner Rede Eingang zu verschaffen, eben p1c_433.008 so benutzt er in einem gewissen Grade die Regeln der Schauspielkunst. p1c_433.009 Cicero beginnt seine Rede pro Milone mit einer p1c_433.010 pathetischen Beschreibung des Schauplatzes, wo er auftrat, p1c_433.011 der Krieger, welche den Gerichtshof umgaben, des Volkes, p1c_433.012 welches erwartungsvoll von allen Seiten den Gerichtsverhandlungen p1c_433.013 zusah. ἠθος und παθος wechseln also in p1c_433.014 den Bewegungen beym Redner ab, wie beym Schauspieler. p1c_433.015 Die poetische Deklamation hat es blos mit der Stimme p1c_433.016 zu thun. Man möchte einwenden, der Deklamatorp1c_433.017 sey eigentlich auch ein Schauspieler, er vertrete die p1c_433.018 Stelle des Dichters. Es ist nicht zu läugnen, daß bey den p1c_433.019 Griechen dies gewissermaßen der Fall war. Athenäusp1c_433.020 berichtet uns, Demetrius Phalereus habe die Rhapsoden, p1c_433.021 oder Deklamatoren aufs Theater eingeführt. Aus dem p1c_433.022 Jon des Plato lernen wir, die Rhapsoden hätten ihren Körper p1c_433.023 besonders schmücken müssen, um schön zu sehn, sie hätten p1c_433.024 bey den Opfern und Festen herrliche Kleider und goldene p1c_433.025 Kronen getragen. Einige leiten sogar das Wort Rhapsode p1c_433.026 von dem ραβδος δαφνης, oder dem Lorbeerzweig her, den p1c_433.027 die Deklamatoren in der Hand trugen, gerade, wie ihn die p1c_433.028 Dichter nach dem Pausanias und Callimachus beym Singen
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/491>, abgerufen am 23.11.2024.
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