Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.sich keiner ausgebreiteten Siege rühmen kann; das immer in einem kleinen Winkel von Asien versteckt gewesen, und von andern Nationen wenig ge- kannt und fast von allen verachtet worden ist; ein Volk, unter welchem keine Künste erfunden wurden und keine Wissenschaften blühten, ein Volk von Ackerleuten und Hirten. Dieses ein- zige Volk hat allein eine richtige und erhabne Er- kenntniß von Gott, allein würdige und große Be- griffe von seinen Vollkommenheiten, Werken, und Gesetzen. Gleichwohl eignet es die Entdeckung derselben nicht sich selbst zu; es rühmt sich nicht, durch tiefsinnige Betrachtungen über die Natur, über ihre Eigenschaften und Absichten zu dieser Erkenntniß gekommen zu seyn. Es bekennt, sei- ne Einsichten von seinen Propheten und Voräl- tern empfangen zu haben, und auch diese maßen sich den Ruhm tiefsinniger Weltweisen nicht an. Sie kennen alle die Wissenschaften nicht, welche den menschlichen Verstand aufklären, und ihn zur Entdeckung verborgner Wahrheiten geschickt ma- chen. Sie schreiben sie vielmehr alle einmüthig einer unmittelbaren Unterweisung von Gott selbst zu. Wenn die natürliche Religion keine ange- gebohrne Erkenntniß des Menschen ist; wenn zur Entdeckung derselben sehr sorgfältige, tiefsinnige Betrachtungen und Untersuchungen des Weltge- bäudes
ſich keiner ausgebreiteten Siege rühmen kann; das immer in einem kleinen Winkel von Aſien verſteckt geweſen, und von andern Nationen wenig ge- kannt und faſt von allen verachtet worden iſt; ein Volk, unter welchem keine Künſte erfunden wurden und keine Wiſſenſchaften blühten, ein Volk von Ackerleuten und Hirten. Dieſes ein- zige Volk hat allein eine richtige und erhabne Er- kenntniß von Gott, allein würdige und große Be- griffe von ſeinen Vollkommenheiten, Werken, und Geſetzen. Gleichwohl eignet es die Entdeckung derſelben nicht ſich ſelbſt zu; es rühmt ſich nicht, durch tiefſinnige Betrachtungen über die Natur, über ihre Eigenſchaften und Abſichten zu dieſer Erkenntniß gekommen zu ſeyn. Es bekennt, ſei- ne Einſichten von ſeinen Propheten und Voräl- tern empfangen zu haben, und auch dieſe maßen ſich den Ruhm tiefſinniger Weltweiſen nicht an. Sie kennen alle die Wiſſenſchaften nicht, welche den menſchlichen Verſtand aufklären, und ihn zur Entdeckung verborgner Wahrheiten geſchickt ma- chen. Sie ſchreiben ſie vielmehr alle einmüthig einer unmittelbaren Unterweiſung von Gott ſelbſt zu. Wenn die natürliche Religion keine ange- gebohrne Erkenntniß des Menſchen iſt; wenn zur Entdeckung derſelben ſehr ſorgfältige, tiefſinnige Betrachtungen und Unterſuchungen des Weltge- bäudes
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ſich keiner ausgebreiteten Siege rühmen kann; das
immer in einem kleinen Winkel von Aſien verſteckt
geweſen, und von andern Nationen wenig ge-
kannt und faſt von allen verachtet worden iſt;
ein Volk, unter welchem keine Künſte erfunden
wurden und keine Wiſſenſchaften blühten, ein
Volk von Ackerleuten und Hirten. Dieſes ein-
zige Volk hat allein eine richtige und erhabne Er-
kenntniß von Gott, allein würdige und große Be-
griffe von ſeinen Vollkommenheiten, Werken, und
Geſetzen. Gleichwohl eignet es die Entdeckung
derſelben nicht ſich ſelbſt zu; es rühmt ſich nicht,
durch tiefſinnige Betrachtungen über die Natur,
über ihre Eigenſchaften und Abſichten zu dieſer
Erkenntniß gekommen zu ſeyn. Es bekennt, ſei-
ne Einſichten von ſeinen Propheten und Voräl-
tern empfangen zu haben, und auch dieſe maßen
ſich den Ruhm tiefſinniger Weltweiſen nicht an.
Sie kennen alle die Wiſſenſchaften nicht, welche
den menſchlichen Verſtand aufklären, und ihn zur
Entdeckung verborgner Wahrheiten geſchickt ma-
chen. Sie ſchreiben ſie vielmehr alle einmüthig
einer unmittelbaren Unterweiſung von Gott ſelbſt
zu. Wenn die natürliche Religion keine ange-
gebohrne Erkenntniß des Menſchen iſt; wenn zur
Entdeckung derſelben ſehr ſorgfältige, tiefſinnige
Betrachtungen und Unterſuchungen des Weltge-
bäudes
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