Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.bäudes gehören; wenn man eine gegründete und ausgebreitete Erkenntniß von Gottes Daseyn, Wesen und Eigenschaften nicht ohne viele zusam- menhangende Schlüsse aus seinen Werken erhal- ten kann: Woher kommen allein bey den Juden und ihren Vorfahren, den Erzvätern, solche reine und edle Begriffe von dem höchsten Wesen, da es unter diesen Hirten und Ackerleuten niemals einen Weltweisen und Gelehrten gegeben hat, wofern sie ihre Einsichten nicht einem unmittelbaren Un- terrichte von Gott und der beständigen Fortpflan- zung und Erneuerung desselben zu danken haben? Moses war zwar in aller Weisheit der Aegypter unterrichtet worden; allein diese Weisheit be- stand unstreitig nicht in einer richtigen Erkenntniß der Religion; denn sie waren Abgötter. Ueber- dieß hatten die Jsraeliten vor ihm schon eben die großen Vorstellungen von Gott, die er durch seine Gesetze nur unter ihnen zu erhalten und zu verewigen suchte. Warum sind sie denn, da sie in Ansehung aller andern Wissenschaften und Künste gegen andre Völker für Unwissende und Wilde zu achten sind, das einzige Volk, unter dem die wahre Religion angetroffen wird? Man kann den Grund davon weder in einem vorzüg- lichen Verstande, noch in einer bessern Beschaffen- heit ihres Herzens finden; denn sie ließen sich eben H 2
bäudes gehören; wenn man eine gegründete und ausgebreitete Erkenntniß von Gottes Daſeyn, Weſen und Eigenſchaften nicht ohne viele zuſam- menhangende Schlüſſe aus ſeinen Werken erhal- ten kann: Woher kommen allein bey den Juden und ihren Vorfahren, den Erzvätern, ſolche reine und edle Begriffe von dem höchſten Weſen, da es unter dieſen Hirten und Ackerleuten niemals einen Weltweiſen und Gelehrten gegeben hat, wofern ſie ihre Einſichten nicht einem unmittelbaren Un- terrichte von Gott und der beſtändigen Fortpflan- zung und Erneuerung deſſelben zu danken haben? Moſes war zwar in aller Weisheit der Aegypter unterrichtet worden; allein dieſe Weisheit be- ſtand unſtreitig nicht in einer richtigen Erkenntniß der Religion; denn ſie waren Abgötter. Ueber- dieß hatten die Jſraeliten vor ihm ſchon eben die großen Vorſtellungen von Gott, die er durch ſeine Geſetze nur unter ihnen zu erhalten und zu verewigen ſuchte. Warum ſind ſie denn, da ſie in Anſehung aller andern Wiſſenſchaften und Künſte gegen andre Völker für Unwiſſende und Wilde zu achten ſind, das einzige Volk, unter dem die wahre Religion angetroffen wird? Man kann den Grund davon weder in einem vorzüg- lichen Verſtande, noch in einer beſſern Beſchaffen- heit ihres Herzens finden; denn ſie ließen ſich eben H 2
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bäudes gehören; wenn man eine gegründete und
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Weſen und Eigenſchaften nicht ohne viele zuſam-
menhangende Schlüſſe aus ſeinen Werken erhal-
ten kann: Woher kommen allein bey den Juden
und ihren Vorfahren, den Erzvätern, ſolche reine
und edle Begriffe von dem höchſten Weſen, da es
unter dieſen Hirten und Ackerleuten niemals einen
Weltweiſen und Gelehrten gegeben hat, wofern
ſie ihre Einſichten nicht einem unmittelbaren Un-
terrichte von Gott und der beſtändigen Fortpflan-
zung und Erneuerung deſſelben zu danken haben?
Moſes war zwar in aller Weisheit der Aegypter
unterrichtet worden; allein dieſe Weisheit be-
ſtand unſtreitig nicht in einer richtigen Erkenntniß
der Religion; denn ſie waren Abgötter. Ueber-
dieß hatten die Jſraeliten vor ihm ſchon eben die
großen Vorſtellungen von Gott, die er durch
ſeine Geſetze nur unter ihnen zu erhalten und zu
verewigen ſuchte. Warum ſind ſie denn, da ſie
in Anſehung aller andern Wiſſenſchaften und
Künſte gegen andre Völker für Unwiſſende und
Wilde zu achten ſind, das einzige Volk, unter
dem die wahre Religion angetroffen wird? Man
kann den Grund davon weder in einem vorzüg-
lichen Verſtande, noch in einer beſſern Beſchaffen-
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