Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.res Zusammenhanges und der darinnen sich entde- ckenden Absichten einer höchsten Macht und Güte die erste Quelle ihrer auch falschen und thörichten Begriffe und Meinungen von der Gottheit gewe- sen sey. Wie hätten sie durch die Vernunft, das ist, durch eine richtige und gründliche Ein- sicht in die Beschaffenheit, die Ordnung, die Verbindung und die Endzwecke aller Dinge auf so ungereimte, thörichte und abscheuliche Vorstel- lungen von der Gottheit gebracht werden können, als die Begriffe aller Heiden von ihren Göttern waren, und die Begriffe der Wilden noch sind? Wenn man sie der Vernunft zuschreiben könn- te, welch eine unsichre und blinde Führerinn zur Erkenntniß Gottes wäre sie nicht? Wie nö- thig wäre nicht bey aller Möglichkeit derselben aus der Betrachtung des Weltgebäudes eine unmittel- bare Unterweisung des Höchsten darinnen, da die klügsten Völker des Alterthums, die Chaldäer, die Aegypter, die Phönicier, die Griechen und die Römer, die in allen menschlichen Künsten und Wissenschaften so groß gewesen sind, sich zu kei- nen richtigen und anständigen Vorstellungen von dem höchsten Wesen erheben konnten? Es ist ein demüthigender Anblick für den vor H 4
res Zuſammenhanges und der darinnen ſich entde- ckenden Abſichten einer höchſten Macht und Güte die erſte Quelle ihrer auch falſchen und thörichten Begriffe und Meinungen von der Gottheit gewe- ſen ſey. Wie hätten ſie durch die Vernunft, das iſt, durch eine richtige und gründliche Ein- ſicht in die Beſchaffenheit, die Ordnung, die Verbindung und die Endzwecke aller Dinge auf ſo ungereimte, thörichte und abſcheuliche Vorſtel- lungen von der Gottheit gebracht werden können, als die Begriffe aller Heiden von ihren Göttern waren, und die Begriffe der Wilden noch ſind? Wenn man ſie der Vernunft zuſchreiben könn- te, welch eine unſichre und blinde Führerinn zur Erkenntniß Gottes wäre ſie nicht? Wie nö- thig wäre nicht bey aller Möglichkeit derſelben aus der Betrachtung des Weltgebäudes eine unmittel- bare Unterweiſung des Höchſten darinnen, da die klügſten Völker des Alterthums, die Chaldäer, die Aegypter, die Phönicier, die Griechen und die Römer, die in allen menſchlichen Künſten und Wiſſenſchaften ſo groß geweſen ſind, ſich zu kei- nen richtigen und anſtändigen Vorſtellungen von dem höchſten Weſen erheben konnten? Es iſt ein demüthigender Anblick für den vor H 4
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res Zuſammenhanges und der darinnen ſich entde-
ckenden Abſichten einer höchſten Macht und Güte
die erſte Quelle ihrer auch falſchen und thörichten
Begriffe und Meinungen von der Gottheit gewe-
ſen ſey. Wie hätten ſie durch die Vernunft,
das iſt, durch eine richtige und gründliche Ein-
ſicht in die Beſchaffenheit, die Ordnung, die
Verbindung und die Endzwecke aller Dinge auf
ſo ungereimte, thörichte und abſcheuliche Vorſtel-
lungen von der Gottheit gebracht werden können,
als die Begriffe aller Heiden von ihren Göttern
waren, und die Begriffe der Wilden noch ſind?
Wenn man ſie der Vernunft zuſchreiben könn-
te, welch eine unſichre und blinde Führerinn zur
Erkenntniß Gottes wäre ſie nicht? Wie nö-
thig wäre nicht bey aller Möglichkeit derſelben aus
der Betrachtung des Weltgebäudes eine unmittel-
bare Unterweiſung des Höchſten darinnen, da die
klügſten Völker des Alterthums, die Chaldäer,
die Aegypter, die Phönicier, die Griechen und
die Römer, die in allen menſchlichen Künſten und
Wiſſenſchaften ſo groß geweſen ſind, ſich zu kei-
nen richtigen und anſtändigen Vorſtellungen von
dem höchſten Weſen erheben konnten?
Es iſt ein demüthigender Anblick für den
Stolz des menſchlichen Verſtandes, daß man
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