Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.vor der Einführung des Christenthums mehr als zweytausend Jahre nach einander die Welt mit Tempeln erfüllt sieht, worinnen erdichteten Gö- tzen die Ehre der Anbetung erwiesen wurde; daß man kein einziges so weises und vernünftiges Volk auf dem Erdkreise findet, welches von dem einzi- gen Schöpfer des Himmels und der Erde würdi- ge Begriffe gehabt hätte! Alle Dinge wurden an- gebetet, welche einige Thätigkeit und einige Ge- walt hatten. Die Sonne, der Mond, die Ge- stirne und das Feuer wurden vielleicht die ersten Gegenstände der öffentlichen Verehrung, und eben diese Ehre widerfuhr sehr bald den Elemen- ten, den Königen und Eroberern, und den Ur- hebern aller der Erfindungen, die dem menschli- chen Geschlechte sehr nützlich waren. Die Sinne waren über alles Richter, und erschufen wider die Vernunft alle die Götter, welche die Men- schen anbeteten. Man verehrte alles bis auf die Thiere und Gewürme. Alles war Gott, außer Gott selbst, und die Welt, welche er erschaffen hatte, sein Daseyn und seine herrlichen Eigenschaf- ten zu offenbaren, schien bloß ein weiter Tempel für unzählbare Götzenbilder zu seyn. Wo man sich unter den Heiden umsieht, erblickt man Hai- ne, Altäre und Bildseulen der Götter von ver- schiednem Metall, von verschiednen Gestalten und beson-
vor der Einführung des Chriſtenthums mehr als zweytauſend Jahre nach einander die Welt mit Tempeln erfüllt ſieht, worinnen erdichteten Gö- tzen die Ehre der Anbetung erwieſen wurde; daß man kein einziges ſo weiſes und vernünftiges Volk auf dem Erdkreiſe findet, welches von dem einzi- gen Schöpfer des Himmels und der Erde würdi- ge Begriffe gehabt hätte! Alle Dinge wurden an- gebetet, welche einige Thätigkeit und einige Ge- walt hatten. Die Sonne, der Mond, die Ge- ſtirne und das Feuer wurden vielleicht die erſten Gegenſtände der öffentlichen Verehrung, und eben dieſe Ehre widerfuhr ſehr bald den Elemen- ten, den Königen und Eroberern, und den Ur- hebern aller der Erfindungen, die dem menſchli- chen Geſchlechte ſehr nützlich waren. Die Sinne waren über alles Richter, und erſchufen wider die Vernunft alle die Götter, welche die Men- ſchen anbeteten. Man verehrte alles bis auf die Thiere und Gewürme. Alles war Gott, außer Gott ſelbſt, und die Welt, welche er erſchaffen hatte, ſein Daſeyn und ſeine herrlichen Eigenſchaf- ten zu offenbaren, ſchien bloß ein weiter Tempel für unzählbare Götzenbilder zu ſeyn. Wo man ſich unter den Heiden umſieht, erblickt man Hai- ne, Altäre und Bildſeulen der Götter von ver- ſchiednem Metall, von verſchiednen Geſtalten und beſon-
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vor der Einführung des Chriſtenthums mehr als
zweytauſend Jahre nach einander die Welt mit
Tempeln erfüllt ſieht, worinnen erdichteten Gö-
tzen die Ehre der Anbetung erwieſen wurde; daß
man kein einziges ſo weiſes und vernünftiges Volk
auf dem Erdkreiſe findet, welches von dem einzi-
gen Schöpfer des Himmels und der Erde würdi-
ge Begriffe gehabt hätte! Alle Dinge wurden an-
gebetet, welche einige Thätigkeit und einige Ge-
walt hatten. Die Sonne, der Mond, die Ge-
ſtirne und das Feuer wurden vielleicht die erſten
Gegenſtände der öffentlichen Verehrung, und
eben dieſe Ehre widerfuhr ſehr bald den Elemen-
ten, den Königen und Eroberern, und den Ur-
hebern aller der Erfindungen, die dem menſchli-
chen Geſchlechte ſehr nützlich waren. Die Sinne
waren über alles Richter, und erſchufen wider
die Vernunft alle die Götter, welche die Men-
ſchen anbeteten. Man verehrte alles bis auf die
Thiere und Gewürme. Alles war Gott, außer
Gott ſelbſt, und die Welt, welche er erſchaffen
hatte, ſein Daſeyn und ſeine herrlichen Eigenſchaf-
ten zu offenbaren, ſchien bloß ein weiter Tempel
für unzählbare Götzenbilder zu ſeyn. Wo man
ſich unter den Heiden umſieht, erblickt man Hai-
ne, Altäre und Bildſeulen der Götter von ver-
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