Sobald der Saame in der Erde die nöthige Feuchtigkeit empfangen hat, sehen wir ihn auf- schwellen; die äußere Haut, welche Wurzel, Stamm und Blätter verbirgt, zerreißt; die Wurzel bricht hervor, gräbt sich in die Erde und bereitet die nöthige Nahrung für den Stamm, der sich aus der Erde heraufarbeitet, seine Blät- ter aus einander breitet, die erst weiß sind, dann gelb und endlich mit einem lieblichen Grün ge- färbt werden. Jn jeder Pflanze erblicken wir mannichfaltige Röhren und Canäle, die in einem Kreislaufe den ihr nöthigen Saft durch alle Zwei- ge, Knospen, Blätter und Blumen vertheilen, bis aus diesen, nach einer vorhergegangenen Be- fruchtung, Früchte hervorwachsen, reifen und in sich den Stoff zu andern Pflanzen gleicher Art enthalten. Was für Ordnung, was für Weis- heit und Kunst in allen diesen Veränderungen! Wer braucht ein tiefsinniger Naturforscher und mit den verborgnen Geheimnissen der Schöpfung bekannt zu seyn, um sie zu sehen und zu em- pfinden?
Wenn ich bloß die Saat von Korn be- trachte, die zur Nahrung meines Lebens so nö- thig ist, welche Wunder von Weisheit erblicke ich nicht! So bald die Hülsen, die den Keim um-
schlies-
Sobald der Saame in der Erde die nöthige Feuchtigkeit empfangen hat, ſehen wir ihn auf- ſchwellen; die äußere Haut, welche Wurzel, Stamm und Blätter verbirgt, zerreißt; die Wurzel bricht hervor, gräbt ſich in die Erde und bereitet die nöthige Nahrung für den Stamm, der ſich aus der Erde heraufarbeitet, ſeine Blät- ter aus einander breitet, die erſt weiß ſind, dann gelb und endlich mit einem lieblichen Grün ge- färbt werden. Jn jeder Pflanze erblicken wir mannichfaltige Röhren und Canäle, die in einem Kreislaufe den ihr nöthigen Saft durch alle Zwei- ge, Knoſpen, Blätter und Blumen vertheilen, bis aus dieſen, nach einer vorhergegangenen Be- fruchtung, Früchte hervorwachſen, reifen und in ſich den Stoff zu andern Pflanzen gleicher Art enthalten. Was für Ordnung, was für Weis- heit und Kunſt in allen dieſen Veränderungen! Wer braucht ein tiefſinniger Naturforſcher und mit den verborgnen Geheimniſſen der Schöpfung bekannt zu ſeyn, um ſie zu ſehen und zu em- pfinden?
Wenn ich bloß die Saat von Korn be- trachte, die zur Nahrung meines Lebens ſo nö- thig iſt, welche Wunder von Weisheit erblicke ich nicht! So bald die Hülſen, die den Keim um-
ſchlieſ-
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[202/0216]
Sobald der Saame in der Erde die nöthige
Feuchtigkeit empfangen hat, ſehen wir ihn auf-
ſchwellen; die äußere Haut, welche Wurzel,
Stamm und Blätter verbirgt, zerreißt; die
Wurzel bricht hervor, gräbt ſich in die Erde und
bereitet die nöthige Nahrung für den Stamm,
der ſich aus der Erde heraufarbeitet, ſeine Blät-
ter aus einander breitet, die erſt weiß ſind, dann
gelb und endlich mit einem lieblichen Grün ge-
färbt werden. Jn jeder Pflanze erblicken wir
mannichfaltige Röhren und Canäle, die in einem
Kreislaufe den ihr nöthigen Saft durch alle Zwei-
ge, Knoſpen, Blätter und Blumen vertheilen,
bis aus dieſen, nach einer vorhergegangenen Be-
fruchtung, Früchte hervorwachſen, reifen und in
ſich den Stoff zu andern Pflanzen gleicher Art
enthalten. Was für Ordnung, was für Weis-
heit und Kunſt in allen dieſen Veränderungen!
Wer braucht ein tiefſinniger Naturforſcher und
mit den verborgnen Geheimniſſen der Schöpfung
bekannt zu ſeyn, um ſie zu ſehen und zu em-
pfinden?
Wenn ich bloß die Saat von Korn be-
trachte, die zur Nahrung meines Lebens ſo nö-
thig iſt, welche Wunder von Weisheit erblicke ich
nicht! So bald die Hülſen, die den Keim um-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/216>, abgerufen am 23.11.2024.
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