Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

schädlichsten und stärksten Thiere sind deswegen
gemeiniglich die unwitzigsten. Sie vermehren
sich um dieser Absicht willen nicht so stark, als
andre; sie müssen einander selbst aufreiben; ihre
Jungen müssen andern zur Speise dienen; einige
schlafen auch deswegen den ganzen Winter hin-
durch, oder können, wie die Bären und Wölfe,
lange hungern. Darum verdauen diese so lang-
sam; darum sind jene, wie der Crocodil, so steif
und ungelenkig, daß ihnen die meisten von den
Thieren, denen sie nachstellen, leicht entwischen
können. Diesen Endzweck noch gewisser zu er-
halten, sind den schwächern Thierarten tausend
Mittel, Künste und Waffen zu ihrer Vertheidi-
gung gegönnt worden. Einige schützt ihre Farbe,
welche der benachbarten Erde, dem Grase, dem
Laube oder den Aesten so ähnlich ist, daß sie von
ihren Feinden mit Mühe entdeckt werden. Andre
verbergen sich, oder spinnen sich zu ihrer Sicher-
heit ein. Diese retten sich durch die Geschwin-
digkeit oder Mannichfaltigkeit ihrer Bewegungen
in ihrem Laufe oder Sprunge, wenn jene durch
die Schärfe des Gesichts oder des Geruchs die
ihnen drohende Gefahr von ferne wahrnehmen,
und sich ihr bey Zeiten zu entziehen suchen. Ei-
nige beschützen sich dadurch, daß sie im Wasser
untertauchen; andre dadurch, daß sie das Wasser

trübe
P 2

ſchädlichſten und ſtärkſten Thiere ſind deswegen
gemeiniglich die unwitzigſten. Sie vermehren
ſich um dieſer Abſicht willen nicht ſo ſtark, als
andre; ſie müſſen einander ſelbſt aufreiben; ihre
Jungen müſſen andern zur Speiſe dienen; einige
ſchlafen auch deswegen den ganzen Winter hin-
durch, oder können, wie die Bären und Wölfe,
lange hungern. Darum verdauen dieſe ſo lang-
ſam; darum ſind jene, wie der Crocodil, ſo ſteif
und ungelenkig, daß ihnen die meiſten von den
Thieren, denen ſie nachſtellen, leicht entwiſchen
können. Dieſen Endzweck noch gewiſſer zu er-
halten, ſind den ſchwächern Thierarten tauſend
Mittel, Künſte und Waffen zu ihrer Vertheidi-
gung gegönnt worden. Einige ſchützt ihre Farbe,
welche der benachbarten Erde, dem Graſe, dem
Laube oder den Aeſten ſo ähnlich iſt, daß ſie von
ihren Feinden mit Mühe entdeckt werden. Andre
verbergen ſich, oder ſpinnen ſich zu ihrer Sicher-
heit ein. Dieſe retten ſich durch die Geſchwin-
digkeit oder Mannichfaltigkeit ihrer Bewegungen
in ihrem Laufe oder Sprunge, wenn jene durch
die Schärfe des Geſichts oder des Geruchs die
ihnen drohende Gefahr von ferne wahrnehmen,
und ſich ihr bey Zeiten zu entziehen ſuchen. Ei-
nige beſchützen ſich dadurch, daß ſie im Waſſer
untertauchen; andre dadurch, daß ſie das Waſſer

trübe
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="227"/>
&#x017F;chädlich&#x017F;ten und &#x017F;tärk&#x017F;ten Thiere &#x017F;ind deswegen<lb/>
gemeiniglich die unwitzig&#x017F;ten. Sie vermehren<lb/>
&#x017F;ich um die&#x017F;er Ab&#x017F;icht willen nicht &#x017F;o &#x017F;tark, als<lb/>
andre; &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en einander &#x017F;elb&#x017F;t aufreiben; ihre<lb/>
Jungen mü&#x017F;&#x017F;en andern zur Spei&#x017F;e dienen; einige<lb/>
&#x017F;chlafen auch deswegen den ganzen Winter hin-<lb/>
durch, oder können, wie die Bären und Wölfe,<lb/>
lange hungern. Darum verdauen die&#x017F;e &#x017F;o lang-<lb/>
&#x017F;am; darum &#x017F;ind jene, wie der Crocodil, &#x017F;o &#x017F;teif<lb/>
und ungelenkig, daß ihnen die mei&#x017F;ten von den<lb/>
Thieren, denen &#x017F;ie nach&#x017F;tellen, leicht entwi&#x017F;chen<lb/>
können. Die&#x017F;en Endzweck noch gewi&#x017F;&#x017F;er zu er-<lb/>
halten, &#x017F;ind den &#x017F;chwächern Thierarten tau&#x017F;end<lb/>
Mittel, Kün&#x017F;te und Waffen zu ihrer Vertheidi-<lb/>
gung gegönnt worden. Einige &#x017F;chützt ihre Farbe,<lb/>
welche der benachbarten Erde, dem Gra&#x017F;e, dem<lb/>
Laube oder den Ae&#x017F;ten &#x017F;o ähnlich i&#x017F;t, daß &#x017F;ie von<lb/>
ihren Feinden mit Mühe entdeckt werden. Andre<lb/>
verbergen &#x017F;ich, oder &#x017F;pinnen &#x017F;ich zu ihrer Sicher-<lb/>
heit ein. Die&#x017F;e retten &#x017F;ich durch die Ge&#x017F;chwin-<lb/>
digkeit oder Mannichfaltigkeit ihrer Bewegungen<lb/>
in ihrem Laufe oder Sprunge, wenn jene durch<lb/>
die Schärfe des Ge&#x017F;ichts oder des Geruchs die<lb/>
ihnen drohende Gefahr von ferne wahrnehmen,<lb/>
und &#x017F;ich ihr bey Zeiten zu entziehen &#x017F;uchen. Ei-<lb/>
nige be&#x017F;chützen &#x017F;ich dadurch, daß &#x017F;ie im Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
untertauchen; andre dadurch, daß &#x017F;ie das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">trübe</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0241] ſchädlichſten und ſtärkſten Thiere ſind deswegen gemeiniglich die unwitzigſten. Sie vermehren ſich um dieſer Abſicht willen nicht ſo ſtark, als andre; ſie müſſen einander ſelbſt aufreiben; ihre Jungen müſſen andern zur Speiſe dienen; einige ſchlafen auch deswegen den ganzen Winter hin- durch, oder können, wie die Bären und Wölfe, lange hungern. Darum verdauen dieſe ſo lang- ſam; darum ſind jene, wie der Crocodil, ſo ſteif und ungelenkig, daß ihnen die meiſten von den Thieren, denen ſie nachſtellen, leicht entwiſchen können. Dieſen Endzweck noch gewiſſer zu er- halten, ſind den ſchwächern Thierarten tauſend Mittel, Künſte und Waffen zu ihrer Vertheidi- gung gegönnt worden. Einige ſchützt ihre Farbe, welche der benachbarten Erde, dem Graſe, dem Laube oder den Aeſten ſo ähnlich iſt, daß ſie von ihren Feinden mit Mühe entdeckt werden. Andre verbergen ſich, oder ſpinnen ſich zu ihrer Sicher- heit ein. Dieſe retten ſich durch die Geſchwin- digkeit oder Mannichfaltigkeit ihrer Bewegungen in ihrem Laufe oder Sprunge, wenn jene durch die Schärfe des Geſichts oder des Geruchs die ihnen drohende Gefahr von ferne wahrnehmen, und ſich ihr bey Zeiten zu entziehen ſuchen. Ei- nige beſchützen ſich dadurch, daß ſie im Waſſer untertauchen; andre dadurch, daß ſie das Waſſer trübe P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/241
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/241>, abgerufen am 23.11.2024.