Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.noch nicht lehren. Sage, Melitta, -- was mag die Stro- "Das ist ein ganz neues Lied," erwiederte die Alte, "Freilich, und mir war's auch, als hätt' ich den "Phanes ist fort," entgegnete die Alte, ernster wer- Sappho that, als liefe sie dem Hause entgegen; statt Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte Sappho, erstaunt über die ihr fremde Tracht und die noch nicht lehren. Sage, Melitta, — was mag die Stro- „Das iſt ein ganz neues Lied,“ erwiederte die Alte, „Freilich, und mir war’s auch, als hätt’ ich den „Phanes iſt fort,“ entgegnete die Alte, ernſter wer- Sappho that, als liefe ſie dem Hauſe entgegen; ſtatt Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte Sappho, erſtaunt über die ihr fremde Tracht und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="139"/> noch nicht lehren. Sage, Melitta, — was mag die Stro-<lb/> phe wohl enthalten? — Du lächelſt? Liebe, einzige Me-<lb/> litta, ſinge mir das Verschen vor! Oder, kennſt Du es<lb/> nicht? Nein? — Dann freilich kannſt Du’s mich nicht<lb/> lehren.“</p><lb/> <p>„Das iſt ein ganz neues Lied,“ erwiederte die Alte,<lb/> den Bitten ihres Lieblings wehrend, „und ich kenne nur die<lb/> Geſänge aus der alten guten Zeit. Aber was iſt das?<lb/> Hörteſt Du nicht dort an der Pforte den Klopfer gehen?“</p><lb/> <p>„Freilich, und mir war’s auch, als hätt’ ich den<lb/> Hufſchlag eines Pferdes auf der Straße vernommen. Da<lb/> klopft es wieder! Sieh nach, wer zu ſo früher Stunde<lb/> Einlaß begehrt. — Vielleicht iſt der gute Phanes geſtern<lb/> dennoch nicht abgereist und will uns noch einmal Lebe-<lb/> wohl ſagen.“</p><lb/> <p>„Phanes iſt fort,“ entgegnete die Alte, ernſter wer-<lb/> dend. „Rhodopis hat mir befohlen, Dich in’s Haus zu<lb/> ſchicken, wenn Beſuch kommen ſollte ... Geh’, Mädchen,<lb/> damit ich die Pforte öffnen kann. Geh’, da klopft es<lb/> wieder!“</p><lb/> <p>Sappho that, als liefe ſie dem Hauſe entgegen; ſtatt<lb/> aber dem Befehle ihrer Wärterin zu folgen, verſteckte ſie<lb/> ſich hinter ein Roſengebüſch, um von dort aus den frühen<lb/> Beſuch in Augenſchein nehmen zu können. — Man hatte<lb/> ihr die Vorgänge des geſtrigen Abends, um ſie nicht um-<lb/> ſonſt zu ängſtigen, verheimlicht, und Sappho war ge-<lb/> wohnt, in ſo früher Stunde nur die vertrauteſten Freunde<lb/> ihrer Großmutter erſcheinen zu ſehen.</p><lb/> <p>Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte<lb/> bald darauf einen blondlockigen reich geſchmückten Jüngling<lb/> in denſelben ein.</p><lb/> <p>Sappho, erſtaunt über die ihr fremde Tracht und die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0157]
noch nicht lehren. Sage, Melitta, — was mag die Stro-
phe wohl enthalten? — Du lächelſt? Liebe, einzige Me-
litta, ſinge mir das Verschen vor! Oder, kennſt Du es
nicht? Nein? — Dann freilich kannſt Du’s mich nicht
lehren.“
„Das iſt ein ganz neues Lied,“ erwiederte die Alte,
den Bitten ihres Lieblings wehrend, „und ich kenne nur die
Geſänge aus der alten guten Zeit. Aber was iſt das?
Hörteſt Du nicht dort an der Pforte den Klopfer gehen?“
„Freilich, und mir war’s auch, als hätt’ ich den
Hufſchlag eines Pferdes auf der Straße vernommen. Da
klopft es wieder! Sieh nach, wer zu ſo früher Stunde
Einlaß begehrt. — Vielleicht iſt der gute Phanes geſtern
dennoch nicht abgereist und will uns noch einmal Lebe-
wohl ſagen.“
„Phanes iſt fort,“ entgegnete die Alte, ernſter wer-
dend. „Rhodopis hat mir befohlen, Dich in’s Haus zu
ſchicken, wenn Beſuch kommen ſollte ... Geh’, Mädchen,
damit ich die Pforte öffnen kann. Geh’, da klopft es
wieder!“
Sappho that, als liefe ſie dem Hauſe entgegen; ſtatt
aber dem Befehle ihrer Wärterin zu folgen, verſteckte ſie
ſich hinter ein Roſengebüſch, um von dort aus den frühen
Beſuch in Augenſchein nehmen zu können. — Man hatte
ihr die Vorgänge des geſtrigen Abends, um ſie nicht um-
ſonſt zu ängſtigen, verheimlicht, und Sappho war ge-
wohnt, in ſo früher Stunde nur die vertrauteſten Freunde
ihrer Großmutter erſcheinen zu ſehen.
Melitta öffnete die Pforte des Gartens, und führte
bald darauf einen blondlockigen reich geſchmückten Jüngling
in denſelben ein.
Sappho, erſtaunt über die ihr fremde Tracht und die
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