sagte er: der Erbprinz hält heute Hochzeit mit der schönen Gräfin Rosa. Wer will mir da den Brandt¬ wein verbieten! Mag der Gräfin voriger Bräuti¬ gam Wasser sauffen, denn er ist lange todt, und Ihr Bruder mit den Engeln Milch und Honig trin¬ ken, denn er treibt sich in allen Wäldern herum. Hol' der Teufel alle Ruhestörer! Friede! Friede! Es leben alle Patrioten, Vivat hoch! -- So tau¬ melte der Brandtweinzapf wieder weiter.
Die beyden Grafen sahen einander verwundert an. An Friedrichs Brust schallte die Neuigkeit ziemlich gleichgültig vorüber. Er hatte Rosa'n längst aufgegeben. Seine Phantasie, die Liebes¬ kupplerin, war seitdem von grösseren Bildern durch¬ drungen, alle die hellen Quellen seiner irdischen Lie¬ be waren in Einen grossen, ruhigen Strom gesam¬ melt, der andere Wünsche und Hoffnungen zu einem anderen Geliebten trug. --
Ein Bürger, der ihr Gespräch mit dem Be¬ trunkenen mit angehört hatte, war unterdeß zu ihnen getreten und sagte: Es ist alles wahr, was der Kerl da so konfus vorgebracht. Die Gräfin Rosa hatte wirklich vorher schon einen Grafen zum Liebhaber. Der ist aber im Kriege geblieben, und es ist gut für ihn, denn er ist mit Lehn und Habe dem Staate verfallen. Der Bruder der Gräfin ebenfalls, aber wir wissen von sicherer Hand, daß man gegen diesen nicht streng verfahren wird und ihm gern verzeihen möchte, wenn er nur zurückkä¬
ſagte er: der Erbprinz hält heute Hochzeit mit der ſchönen Gräfin Roſa. Wer will mir da den Brandt¬ wein verbieten! Mag der Gräfin voriger Bräuti¬ gam Waſſer ſauffen, denn er iſt lange todt, und Ihr Bruder mit den Engeln Milch und Honig trin¬ ken, denn er treibt ſich in allen Wäldern herum. Hol' der Teufel alle Ruheſtörer! Friede! Friede! Es leben alle Patrioten, Vivat hoch! — So tau¬ melte der Brandtweinzapf wieder weiter.
Die beyden Grafen ſahen einander verwundert an. An Friedrichs Bruſt ſchallte die Neuigkeit ziemlich gleichgültig vorüber. Er hatte Roſa'n längſt aufgegeben. Seine Phantaſie, die Liebes¬ kupplerin, war ſeitdem von gröſſeren Bildern durch¬ drungen, alle die hellen Quellen ſeiner irdiſchen Lie¬ be waren in Einen groſſen, ruhigen Strom geſam¬ melt, der andere Wünſche und Hoffnungen zu einem anderen Geliebten trug. —
Ein Bürger, der ihr Geſpräch mit dem Be¬ trunkenen mit angehört hatte, war unterdeß zu ihnen getreten und ſagte: Es iſt alles wahr, was der Kerl da ſo konfus vorgebracht. Die Gräfin Roſa hatte wirklich vorher ſchon einen Grafen zum Liebhaber. Der iſt aber im Kriege geblieben, und es iſt gut für ihn, denn er iſt mit Lehn und Habe dem Staate verfallen. Der Bruder der Gräfin ebenfalls, aber wir wiſſen von ſicherer Hand, daß man gegen dieſen nicht ſtreng verfahren wird und ihm gern verzeihen möchte, wenn er nur zurückkä¬
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ſagte er: der Erbprinz hält heute Hochzeit mit der
ſchönen Gräfin Roſa. Wer will mir da den Brandt¬
wein verbieten! Mag der Gräfin voriger Bräuti¬
gam Waſſer ſauffen, denn er iſt lange todt, und
Ihr Bruder mit den Engeln Milch und Honig trin¬
ken, denn er treibt ſich in allen Wäldern herum.
Hol' der Teufel alle Ruheſtörer! Friede! Friede!
Es leben alle Patrioten, Vivat hoch! — So tau¬
melte der Brandtweinzapf wieder weiter.
Die beyden Grafen ſahen einander verwundert
an. An Friedrichs Bruſt ſchallte die Neuigkeit
ziemlich gleichgültig vorüber. Er hatte Roſa'n
längſt aufgegeben. Seine Phantaſie, die Liebes¬
kupplerin, war ſeitdem von gröſſeren Bildern durch¬
drungen, alle die hellen Quellen ſeiner irdiſchen Lie¬
be waren in Einen groſſen, ruhigen Strom geſam¬
melt, der andere Wünſche und Hoffnungen zu einem
anderen Geliebten trug. —
Ein Bürger, der ihr Geſpräch mit dem Be¬
trunkenen mit angehört hatte, war unterdeß zu
ihnen getreten und ſagte: Es iſt alles wahr, was
der Kerl da ſo konfus vorgebracht. Die Gräfin
Roſa hatte wirklich vorher ſchon einen Grafen zum
Liebhaber. Der iſt aber im Kriege geblieben, und
es iſt gut für ihn, denn er iſt mit Lehn und Habe
dem Staate verfallen. Der Bruder der Gräfin
ebenfalls, aber wir wiſſen von ſicherer Hand, daß
man gegen dieſen nicht ſtreng verfahren wird und
ihm gern verzeihen möchte, wenn er nur zurückkä¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/392>, abgerufen am 23.11.2024.
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