auch derselben Meinung sey, oder nicht; nach welcher Abstimmung denn die ganze Sache vorbei sey, und das öffentliche Gespräch zu einem neuen Gegenstande eilen müsse. Auf diese Weise hatte sich aller literarische Verkehr unter den Deutschen verwandelt, so wie die Echo der alten Fabel, in einen bloßen reinen Laut, ohne allen Leib, und körperlichen Ge¬ halt. Wie in den bekannten schlechten Gesell¬ schaften des persönlichen Verkehrs, so kam es auch in dieser nur darauf an, daß die Men¬ schenstimme fort halle, und daß jeder ohne Stocken sie aufnehme, und sie dem Nachbar zuwerfe, keinesweges aber darauf, was da ertönte. Was ist Charakterlosigkeit und Un¬ deutschheit, wenn es das nicht ist? Auch dies ist nicht meine Absicht gewesen, dieser Sitte zu huldigen, und nur das öffentliche Gespräch rege zu erhalten. Ich habe, eben auch, indem ich etwas anderes wollte, meinen persönlichen Antheil zu dieser öffentlichen Unterhaltung schon vorlängst hinlänglich abgetragen, und man könnte mich endlich davon lossprechen. Ich will nicht gerade auf der Stelle wissen, wie dieser oder jener über die in Anregung ge¬
auch derſelben Meinung ſey, oder nicht; nach welcher Abſtimmung denn die ganze Sache vorbei ſey, und das oͤffentliche Geſpraͤch zu einem neuen Gegenſtande eilen muͤſſe. Auf dieſe Weiſe hatte ſich aller literariſche Verkehr unter den Deutſchen verwandelt, ſo wie die Echo der alten Fabel, in einen bloßen reinen Laut, ohne allen Leib, und koͤrperlichen Ge¬ halt. Wie in den bekannten ſchlechten Geſell¬ ſchaften des perſoͤnlichen Verkehrs, ſo kam es auch in dieſer nur darauf an, daß die Men¬ ſchenſtimme fort halle, und daß jeder ohne Stocken ſie aufnehme, und ſie dem Nachbar zuwerfe, keinesweges aber darauf, was da ertoͤnte. Was iſt Charakterloſigkeit und Un¬ deutſchheit, wenn es das nicht iſt? Auch dies iſt nicht meine Abſicht geweſen, dieſer Sitte zu huldigen, und nur das oͤffentliche Geſpraͤch rege zu erhalten. Ich habe, eben auch, indem ich etwas anderes wollte, meinen perſoͤnlichen Antheil zu dieſer oͤffentlichen Unterhaltung ſchon vorlaͤngſt hinlaͤnglich abgetragen, und man koͤnnte mich endlich davon losſprechen. Ich will nicht gerade auf der Stelle wiſſen, wie dieſer oder jener uͤber die in Anregung ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0392"n="386"/>
auch derſelben Meinung ſey, oder nicht; nach<lb/>
welcher Abſtimmung denn die ganze Sache<lb/>
vorbei ſey, und das oͤffentliche Geſpraͤch zu<lb/>
einem neuen Gegenſtande eilen muͤſſe. Auf<lb/>
dieſe Weiſe hatte ſich aller literariſche Verkehr<lb/>
unter den Deutſchen verwandelt, ſo wie die<lb/>
Echo der alten Fabel, in einen bloßen reinen<lb/>
Laut, ohne allen Leib, und koͤrperlichen Ge¬<lb/>
halt. Wie in den bekannten ſchlechten Geſell¬<lb/>ſchaften des perſoͤnlichen Verkehrs, ſo kam es<lb/>
auch in dieſer nur darauf an, daß die Men¬<lb/>ſchenſtimme fort halle, und daß jeder ohne<lb/>
Stocken ſie aufnehme, und ſie dem Nachbar<lb/>
zuwerfe, keinesweges aber darauf, was da<lb/>
ertoͤnte. Was iſt Charakterloſigkeit und Un¬<lb/>
deutſchheit, wenn es das nicht iſt? Auch dies<lb/>
iſt nicht meine Abſicht geweſen, dieſer Sitte<lb/>
zu huldigen, und nur das oͤffentliche Geſpraͤch<lb/>
rege zu erhalten. Ich habe, eben auch, indem<lb/>
ich etwas anderes wollte, meinen perſoͤnlichen<lb/>
Antheil zu dieſer oͤffentlichen Unterhaltung<lb/>ſchon vorlaͤngſt hinlaͤnglich abgetragen, und<lb/>
man koͤnnte mich endlich davon losſprechen.<lb/>
Ich will nicht gerade auf der Stelle wiſſen,<lb/>
wie dieſer oder jener uͤber die in Anregung ge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[386/0392]
auch derſelben Meinung ſey, oder nicht; nach
welcher Abſtimmung denn die ganze Sache
vorbei ſey, und das oͤffentliche Geſpraͤch zu
einem neuen Gegenſtande eilen muͤſſe. Auf
dieſe Weiſe hatte ſich aller literariſche Verkehr
unter den Deutſchen verwandelt, ſo wie die
Echo der alten Fabel, in einen bloßen reinen
Laut, ohne allen Leib, und koͤrperlichen Ge¬
halt. Wie in den bekannten ſchlechten Geſell¬
ſchaften des perſoͤnlichen Verkehrs, ſo kam es
auch in dieſer nur darauf an, daß die Men¬
ſchenſtimme fort halle, und daß jeder ohne
Stocken ſie aufnehme, und ſie dem Nachbar
zuwerfe, keinesweges aber darauf, was da
ertoͤnte. Was iſt Charakterloſigkeit und Un¬
deutſchheit, wenn es das nicht iſt? Auch dies
iſt nicht meine Abſicht geweſen, dieſer Sitte
zu huldigen, und nur das oͤffentliche Geſpraͤch
rege zu erhalten. Ich habe, eben auch, indem
ich etwas anderes wollte, meinen perſoͤnlichen
Antheil zu dieſer oͤffentlichen Unterhaltung
ſchon vorlaͤngſt hinlaͤnglich abgetragen, und
man koͤnnte mich endlich davon losſprechen.
Ich will nicht gerade auf der Stelle wiſſen,
wie dieſer oder jener uͤber die in Anregung ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/392>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.