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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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in den Gasthof zur Krone gerufen wurde. Ein eben von Berlin
her eingetroffener französischer Gendarmerie-Oberst -- ein Abge-
sandter Savary's, in dessen Händen damals die oberste Polizei-
leitung war -- trat ihm in brüsker Weise entgegen und machte
ihn verantwortlich für die Insulten, die sich die Stadt gegen einen
französischen Offizier erlaubt habe. "Ich werde Sie füsiliren
lassen." Knesebeck erwiederte kalt: "contre la force il n'y a point
de resistance."
Der Oberst*), durch die Ruhe dieser Entgegnung
einigermaßen decontenancirt, fuhr eben mit neuen und immer
heftiger werdenden Schmähungen heraus, als eine dritte Gestalt,
die bis dahin halbverborgen in der Fensternische gestanden hatte,
zu den Streitenden herantrat und dem lärmenden Offizier zurief:
"Taisez vous! cet homme a agi comme chevalier; il n'y a
rien a lui reprocher."
Knesebeck erkannte jetzt in dem Sprecher
denselben französischen Offizier, den er der Volkswuth entrissen
hatte. Es war Napoleon's Oberstallmeister, Caulaincourt, Herzog
von Vicenza. Caulaincourt hatte keine Ahnung davon gehabt, daß
dieselbe Stadt-Autorität, der er an dem Vorfalle Schuld gab und
deren Verfolgung er in Berlin (bei Savary) beantragt hatte,
genau derselbe Mann war, dessen rechtzeitigem Einschreiten er seine
Rettung verdankte. Die Sache wurde beigelegt, auf Bestrafung
der Schuldigen nicht weiter gedrungen und Knesebeck mit den ver-
bindlichsten Worten entlassen.

Einquartierungen und Truppen-Durchmärsche dauerten fort.
Endlich kam Frieden, aber er entsprach nirgends im Lande den
daran geknüpften Hoffnungen, und die Franzosen, anstatt die
Mark zu verlassen, wurden nur innerhalb derselben dislocirt. Um
diese Dislocirungen für die Grafschaft Ruppin einzuleiten, wurde
Knesebeck im August 1807 nach Liebenwalde geschickt, wo sich da-
mals die Division Vilatte befand. Nachdem er die nöthigen

*) Meine Quelle giebt an, dieser Oberst sei Savary selbst gewesen, was
aber aus vielen Gründen unmöglich ist. Savary war seit 1804 Divisions-
general und wurde bereits 1807, also wenige Monate nach den hier ge-
schilderten Vorgängen, zum Herzog von Rovigo ernannt. Ein so hoch-
gestellter Offizier konnte durch Caulaincourt, der an Rang kaum über ihm stand,
nicht gut persönlich zu einer Untersuchungsreise nach Ruppin veranlaßt, am
allerwenigsten aber mit einem "taisez vous" zur Ruhe verwiesen werden.

in den Gaſthof zur Krone gerufen wurde. Ein eben von Berlin
her eingetroffener franzöſiſcher Gendarmerie-Oberſt — ein Abge-
ſandter Savary’s, in deſſen Händen damals die oberſte Polizei-
leitung war — trat ihm in brüsker Weiſe entgegen und machte
ihn verantwortlich für die Inſulten, die ſich die Stadt gegen einen
franzöſiſchen Offizier erlaubt habe. „Ich werde Sie füſiliren
laſſen.“ Kneſebeck erwiederte kalt: „contre la force il n’y a point
de résistance.“
Der Oberſt*), durch die Ruhe dieſer Entgegnung
einigermaßen decontenancirt, fuhr eben mit neuen und immer
heftiger werdenden Schmähungen heraus, als eine dritte Geſtalt,
die bis dahin halbverborgen in der Fenſterniſche geſtanden hatte,
zu den Streitenden herantrat und dem lärmenden Offizier zurief:
„Taisez vous! cet homme a agi comme chevalier; il n’y a
rien à lui reprocher.“
Kneſebeck erkannte jetzt in dem Sprecher
denſelben franzöſiſchen Offizier, den er der Volkswuth entriſſen
hatte. Es war Napoleon’s Oberſtallmeiſter, Caulaincourt, Herzog
von Vicenza. Caulaincourt hatte keine Ahnung davon gehabt, daß
dieſelbe Stadt-Autorität, der er an dem Vorfalle Schuld gab und
deren Verfolgung er in Berlin (bei Savary) beantragt hatte,
genau derſelbe Mann war, deſſen rechtzeitigem Einſchreiten er ſeine
Rettung verdankte. Die Sache wurde beigelegt, auf Beſtrafung
der Schuldigen nicht weiter gedrungen und Kneſebeck mit den ver-
bindlichſten Worten entlaſſen.

Einquartierungen und Truppen-Durchmärſche dauerten fort.
Endlich kam Frieden, aber er entſprach nirgends im Lande den
daran geknüpften Hoffnungen, und die Franzoſen, anſtatt die
Mark zu verlaſſen, wurden nur innerhalb derſelben dislocirt. Um
dieſe Dislocirungen für die Grafſchaft Ruppin einzuleiten, wurde
Kneſebeck im Auguſt 1807 nach Liebenwalde geſchickt, wo ſich da-
mals die Diviſion Vilatte befand. Nachdem er die nöthigen

*) Meine Quelle giebt an, dieſer Oberſt ſei Savary ſelbſt geweſen, was
aber aus vielen Gründen unmöglich iſt. Savary war ſeit 1804 Diviſions-
general und wurde bereits 1807, alſo wenige Monate nach den hier ge-
ſchilderten Vorgängen, zum Herzog von Rovigo ernannt. Ein ſo hoch-
geſtellter Offizier konnte durch Caulaincourt, der an Rang kaum über ihm ſtand,
nicht gut perſönlich zu einer Unterſuchungsreiſe nach Ruppin veranlaßt, am
allerwenigſten aber mit einem „taisez vous“ zur Ruhe verwieſen werden.
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[324/0340] in den Gaſthof zur Krone gerufen wurde. Ein eben von Berlin her eingetroffener franzöſiſcher Gendarmerie-Oberſt — ein Abge- ſandter Savary’s, in deſſen Händen damals die oberſte Polizei- leitung war — trat ihm in brüsker Weiſe entgegen und machte ihn verantwortlich für die Inſulten, die ſich die Stadt gegen einen franzöſiſchen Offizier erlaubt habe. „Ich werde Sie füſiliren laſſen.“ Kneſebeck erwiederte kalt: „contre la force il n’y a point de résistance.“ Der Oberſt *), durch die Ruhe dieſer Entgegnung einigermaßen decontenancirt, fuhr eben mit neuen und immer heftiger werdenden Schmähungen heraus, als eine dritte Geſtalt, die bis dahin halbverborgen in der Fenſterniſche geſtanden hatte, zu den Streitenden herantrat und dem lärmenden Offizier zurief: „Taisez vous! cet homme a agi comme chevalier; il n’y a rien à lui reprocher.“ Kneſebeck erkannte jetzt in dem Sprecher denſelben franzöſiſchen Offizier, den er der Volkswuth entriſſen hatte. Es war Napoleon’s Oberſtallmeiſter, Caulaincourt, Herzog von Vicenza. Caulaincourt hatte keine Ahnung davon gehabt, daß dieſelbe Stadt-Autorität, der er an dem Vorfalle Schuld gab und deren Verfolgung er in Berlin (bei Savary) beantragt hatte, genau derſelbe Mann war, deſſen rechtzeitigem Einſchreiten er ſeine Rettung verdankte. Die Sache wurde beigelegt, auf Beſtrafung der Schuldigen nicht weiter gedrungen und Kneſebeck mit den ver- bindlichſten Worten entlaſſen. Einquartierungen und Truppen-Durchmärſche dauerten fort. Endlich kam Frieden, aber er entſprach nirgends im Lande den daran geknüpften Hoffnungen, und die Franzoſen, anſtatt die Mark zu verlaſſen, wurden nur innerhalb derſelben dislocirt. Um dieſe Dislocirungen für die Grafſchaft Ruppin einzuleiten, wurde Kneſebeck im Auguſt 1807 nach Liebenwalde geſchickt, wo ſich da- mals die Diviſion Vilatte befand. Nachdem er die nöthigen *) Meine Quelle giebt an, dieſer Oberſt ſei Savary ſelbſt geweſen, was aber aus vielen Gründen unmöglich iſt. Savary war ſeit 1804 Diviſions- general und wurde bereits 1807, alſo wenige Monate nach den hier ge- ſchilderten Vorgängen, zum Herzog von Rovigo ernannt. Ein ſo hoch- geſtellter Offizier konnte durch Caulaincourt, der an Rang kaum über ihm ſtand, nicht gut perſönlich zu einer Unterſuchungsreiſe nach Ruppin veranlaßt, am allerwenigſten aber mit einem „taisez vous“ zur Ruhe verwieſen werden.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/340>, abgerufen am 23.11.2024.