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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 39.
den 15. Juli

Reiseten wir früh um 3 Uhr unter Gottes Geleit von Bordeaux ab, nachdem der Intendant durch
einen ehegestern in königlichen affaires von ihm abgeschickten courier die Post=Pferde vor
uns auf der gantzen route bis nach Montauban voraus bestellen laßen. Ein Postillon,
der vom Knie an bis auf das Fuß=Brett mit steifen Stiefeln ausgerüstet, unten aber mit
höltzernen Schlurffen versehen war, und noch ein anderer, der seine bloßen Füße mit Sporen
umgürtet hatte, waren die Seltenheiten, welche wir zwischen Bordeaux und Langon
antrafen, an welchen letzten Ort wir abermahl mit einem Schiff über die
Garonne setzten, und so wohl der Hitze, als der Wagen=reparatur wegen des Mit-
tags- und Nacht Quartier in dem Städgen Saint Maccaire zu nehmen genöthiget
waren. Die Wirthin erzehlete, daß etliche Officiers verwichne Nacht hier logiret,
und dem Postmeister die Fenster eingeschlagen, weil derselbe die in Faveur
unserer ergangenen Odre des Intendanten nicht überschreiten folglich ihnen
keine Pferde geben können, indem die Posten hiesiger Gegend nur mit 8 Pferden
versehen sind. Unser Mittags-Eßen hielten wir zu Tonin einem kleinen
Städtgen, woselbst der Wirth mit seiner gantzen Famille noch der reformirten
religion zugethan war. Er hatte über seine protestantischen Gäste eine große Freude,
wiese uns seine Bibel, und erzehlete, daß seines gleichen noch viel hier wären,
die aber aus Heuchely, seinem Ausdruck nach, ihre Knie zum Theil vor Baal beu-
geten. Denen Beständigen, welche niemals in die Meße gingen, sage der ietzi-
ge Cure nichts, ja er prediget, das jene Heucheler weit schlimmer wären,
als diese. Zur Heyrath wird keiner gelaßen, er gehe den zur Meße; wenn
er aber nachgehends weg bleibet, so wird weiter keine scharfe Nachfrage an-
gestellet, doch, nach Beschaffenheit des Cure, und wenn es solche Leute betrifft,
die noch vor der revocation des Edicts von Nantes gebohren sind. Abends setzten
wir vor dem Städtgen Eguillon über den Fluß Lot, und zwar mit großer Beschwehr
lichkeit, weil die Ufer an beyden Seiten zum Ein und Ausschiffen unsers Wa-
gens höchst unbequem waren. Wir musten uns auch gefallen laßen, vor ge-
dachten Eguillon im Posthause zu übernachten, weil der Weg von hier aus
gefährlich gemacht wurde, wegen etlicher Gewitter und starcken Regens
aber auch alles finster war.

Den 17. Juli

Früh um 3 Uhr da wir aufbrechen wolten, wurde unser Wagen bey dem
herausschieben aus der Schuppe umgeworffen, und bey der Abfahrt waren
die Pferde so kraftloß, daß wir 50 Schritte vom Posthause einer
kleinen Anhöfe wegen schon 2 Ochsen vorspann nehmen musten. Die
ser Ochsen Vorspann continuirte auch unterweges sehr häufig, und die Straße

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Nummer 39.
den 15. Juli

Reiseten wir früh um 3 Uhr unter Gottes Geleit von Bordeaux ab, nachdem der Intendant durch
einen ehegestern in königlichen affaires von ihm abgeschickten courier die Post=Pferde vor
uns auf der gantzen route bis nach Montauban voraus bestellen laßen. Ein Postillon,
der vom Knie an bis auf das Fuß=Brett mit steifen Stiefeln ausgerüstet, unten aber mit
höltzernen Schlurffen versehen war, und noch ein anderer, der seine bloßen Füße mit Sporen
umgürtet hatte, waren die Seltenheiten, welche wir zwischen Bordeaux und Langon
antrafen, an welchen letzten Ort wir abermahl mit einem Schiff über die
Garonne setzten, und so wohl der Hitze, als der Wagen=reparatur wegen des Mit-
tags- und Nacht Quartier in dem Städgen Saint Maccaire zu nehmen genöthiget
waren. Die Wirthin erzehlete, daß etliche Officiers verwichne Nacht hier logiret,
und dem Postmeister die Fenster eingeschlagen, weil derselbe die in Faveur
unserer ergangenen Odre des Intendanten nicht überschreiten folglich ihnen
keine Pferde geben können, indem die Posten hiesiger Gegend nur mit 8 Pferden
versehen sind. Unser Mittags-Eßen hielten wir zu Tonin einem kleinen
Städtgen, woselbst der Wirth mit seiner gantzen Famille noch der reformirten
religion zugethan war. Er hatte über seine protestantischen Gäste eine große Freude,
wiese uns seine Bibel, und erzehlete, daß seines gleichen noch viel hier wären,
die aber aus Heuchely, seinem Ausdruck nach, ihre Knie zum Theil vor Baal beu-
geten. Denen Beständigen, welche niemals in die Meße gingen, sage der ietzi-
ge Curé nichts, ja er prediget, das jene Heucheler weit schlimmer wären,
als diese. Zur Heyrath wird keiner gelaßen, er gehe den zur Meße; wenn
er aber nachgehends weg bleibet, so wird weiter keine scharfe Nachfrage an-
gestellet, doch, nach Beschaffenheit des Curé, und wenn es solche Leute betrifft,
die noch vor der revocation des Edicts von Nantes gebohren sind. Abends setzten
wir vor dem Städtgen Eguillon über den Fluß Lot, und zwar mit großer Beschwehr
lichkeit, weil die Ufer an beyden Seiten zum Ein und Ausschiffen unsers Wa-
gens höchst unbequem waren. Wir musten uns auch gefallen laßen, vor ge-
dachten Eguillon im Posthause zu übernachten, weil der Weg von hier aus
gefährlich gemacht wurde, wegen etlicher Gewitter und starcken Regens
aber auch alles finster war.

Den 17. Juli

Früh um 3 Uhr da wir aufbrechen wolten, wurde unser Wagen bey dem
herausschieben aus der Schuppe umgeworffen, und bey der Abfahrt waren
die Pferde so kraftloß, daß wir 50 Schritte vom Posthause einer
kleinen Anhöfe wegen schon 2 Ochsen vorspann nehmen musten. Die
ser Ochsen Vorspann continuirte auch unterweges sehr häufig, und die Straße

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[0378] 182 No. 39. den 15. Jul. Reiseten wir früh um 3 Uhr unter Gottes Geleit von Bordeaux ab, nachdem der Intendant durch einen ehegestern in königlichen affaires von ihm abgeschickten courier die Post=Pferde vor uns auf der gantzen route bis nach Montauban voraus bestellen laßen. Ein Postillon, der vom Knie an bis auf das Fuß=Brett mit steifen Stiefeln ausgerüstet, unten aber mit höltzernen Schlurffen versehen war, und noch ein anderer, der seine bloßen Füße mit Sporen umgürtet hatte, waren die Seltenheiten, welche wir zwischen Bordeaux und Langon antrafen, an welchen letzten Ort wir abermahl mit einem Schiff über die Garonne setzten, und so wohl der Hitze, als der Wagen=reparatur wegen des Mit- tags- und Nacht Quartier in dem Städgen St. Maccaire zu nehmen genöthiget waren. Die Wirthin erzehlete, daß etliche Officiers verwichne Nacht hier logiret, und dem Postmeister die Fenster eingeschlagen, weil derselbe die in Faveur unserer ergangenen Odre des Intendanten nicht überschreiten folglich ihnen keine Pferde geben können, indem die Posten hiesiger Gegend nur mit 8 Pferden versehen sind. Unser Mittags-Eßen hielten wir zu Tonin einem kleinen Städtgen, woselbst der Wirth mit seiner gantzen Famille noch der reformirten religion zugethan war. Er hatte über seine protestantischen Gäste eine große Freude, wiese uns seine Bibel, und erzehlete, daß seines gleichen noch viel hier wären, die aber aus Heuchely, seinem Ausdruck nach, ihre Knie zum Theil vor Baal beu- geten. Denen Beständigen, welche niemals in die Meße gingen, sage der ietzi- ge Curé nichts, ja er predige, das jene Heuchler weit schlimmer wären, als diese. Zur Heyrath wird keiner gelaßen, er gehe den zur Meße; wenn er aber nachgehends weg bleibet, so wird weiter keine scharfe Nachfrage an- gestellet, doch, nach Beschaffenheit des Curé, und wenn es solche Leute betrifft, die noch vor der revocation des Edicts von Nantes gebohren sind. Abends setzten wir vor dem Städtgen Eguillon über den Fluß Lot, und zwar mit großer Beschwehr lichkeit, weil die Ufer an beyden Seiten zum Ein und Ausschiffen unsers Wa- gens höchst unbequem waren. Wir musten uns auch gefallen laßen, vor ge- dachten Eguillon im Posthause zu übernachten, weil der Weg von hier aus gefährlich gemacht wurde, wegen etlicher Gewitter und starcken Regens aber auch alles finster war. Den 17. Jul. Früh um 3 Uhr da wir aufbrechen wolten, wurde unser Wagen bey dem herausschieben aus der Schuppe umgeworffen, und bey der Abfahrt waren die Pferde so kraftloß, daß wir 50 Schritte vom Posthause einer kleinen Anhöfe wegen schon 2 Ochsen vorspann nehmen musten. Die ser Ochsen Vorspann continuirte auch unterweges sehr häufig, und die Straße

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/378>, abgerufen am 23.11.2024.