Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
de Iustitia et Iure.
che durch das Gesez unmittelbar erreicht werden
soll. Benignius leges interpretandae sunt, sagt
Celsus 62), quo voluntas earum conservetur.
2) auf die Umstände der Sache Rücksicht nehme.
Sind diese besondern Umstände so beschaffen, daß
man nicht zweifeln kann, der Gesezgeber würde für
diesen besondern Fall eine Ausnahme bestimmt haben,
wenn er ihn so, wie er sich zugetragen hat, voraus-
gesehen hätte; so ist es die Pflicht eines billigen Rich-
ters auf den Grund des Gesetzes zum Vortheile des-
sen Rücksicht zu nehmen, der sonst einen unverdienten
Nachtheil erleiden würde. Nulla enim iuris ratio,
sagt Modestin 63), aut aequitatis benignitas pati-
tur, ut, quae salubriter pro utilitate hominum in-
troducuntur, ea nos duriore interpretatione con-
tra ipsorum commodum
producamus ad severitatem
.
3) Daß er auf die besondern Eigenschaften und
Verhältnisse der Persohnen Rücksicht neh-
me. Et omnino, so rescribirt K. Antonin 64),
ex personarum conditione, et rerum qualitate, di-
ligenter aestimandae sunt poenae, ne quid aut du-
rius aut remissius constituatur, quam causa po-
stulabit
. Allein nicht blos Criminal-Fälle, sondern
auch bürgerliche Verbindungen sind, vorzüglich aber
die häußliche Gesellschaft, nach den Regeln der Bil-
ligkeit zu beurtheilen. So müssen z. B. die Rechte
der
62) L. 18. D. de Legibus.
63) L. 25. D. codem.
64) L. 4. §. 1. D. de incendio, vuina etc. Eben dieses ist
es, wenn die P. G. O. Carls V. so oft den Richter
anweißt, nach Gelegenheit und Gestalt der Persohn
die Strafe zu bestimmen. Z. B. Art. 106. 114. 119.
159. u. a. m.
O 2
de Iuſtitia et Iure.
che durch das Geſez unmittelbar erreicht werden
ſoll. Benignius leges interpretandae ſunt, ſagt
Celſus 62), quo voluntas earum conſervetur.
2) auf die Umſtaͤnde der Sache Ruͤckſicht nehme.
Sind dieſe beſondern Umſtaͤnde ſo beſchaffen, daß
man nicht zweifeln kann, der Geſezgeber wuͤrde fuͤr
dieſen beſondern Fall eine Ausnahme beſtimmt haben,
wenn er ihn ſo, wie er ſich zugetragen hat, voraus-
geſehen haͤtte; ſo iſt es die Pflicht eines billigen Rich-
ters auf den Grund des Geſetzes zum Vortheile deſ-
ſen Ruͤckſicht zu nehmen, der ſonſt einen unverdienten
Nachtheil erleiden wuͤrde. Nulla enim iuris ratio,
ſagt Modeſtin 63), aut aequitatis benignitas pati-
tur, ut, quae ſalubriter pro utilitate hominum in-
troducuntur, ea nos duriore interpretatione con-
tra ipſorum commodum
producamus ad ſeveritatem
.
3) Daß er auf die beſondern Eigenſchaften und
Verhaͤltniſſe der Perſohnen Ruͤckſicht neh-
me. Et omnino, ſo reſcribirt K. Antonin 64),
ex perſonarum conditione, et rerum qualitate, di-
ligenter aeſtimandae ſunt poenae, ne quid aut du-
rius aut remiſſius conſtituatur, quam cauſa po-
ſtulabit
. Allein nicht blos Criminal-Faͤlle, ſondern
auch buͤrgerliche Verbindungen ſind, vorzuͤglich aber
die haͤußliche Geſellſchaft, nach den Regeln der Bil-
ligkeit zu beurtheilen. So muͤſſen z. B. die Rechte
der
62) L. 18. D. de Legibus.
63) L. 25. D. codem.
64) L. 4. §. 1. D. de incendio, vuina etc. Eben dieſes iſt
es, wenn die P. G. O. Carls V. ſo oft den Richter
anweißt, nach Gelegenheit und Geſtalt der Perſohn
die Strafe zu beſtimmen. Z. B. Art. 106. 114. 119.
159. u. a. m.
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0231" n="211"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
che durch das Ge&#x017F;ez unmittelbar erreicht werden<lb/>
&#x017F;oll. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Benignius</hi> leges interpretandae &#x017F;unt,</hi> &#x017F;agt<lb/><hi rendition="#fr">Cel&#x017F;us</hi> <note place="foot" n="62)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 18. D. de Legibus</hi>.</hi></note>, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">quo voluntas earum con&#x017F;ervetur</hi>.</hi></item><lb/>
              <item>2) auf die <hi rendition="#g">Um&#x017F;ta&#x0364;nde der Sache</hi> Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehme.<lb/>
Sind die&#x017F;e be&#x017F;ondern Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß<lb/>
man nicht zweifeln kann, der Ge&#x017F;ezgeber wu&#x0364;rde fu&#x0364;r<lb/>
die&#x017F;en be&#x017F;ondern Fall eine Ausnahme be&#x017F;timmt haben,<lb/>
wenn er ihn &#x017F;o, wie er &#x017F;ich zugetragen hat, voraus-<lb/>
ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte; &#x017F;o i&#x017F;t es die Pflicht eines billigen Rich-<lb/>
ters auf den Grund des Ge&#x017F;etzes zum Vortheile de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Ru&#x0364;ck&#x017F;icht zu nehmen, der &#x017F;on&#x017F;t einen unverdienten<lb/>
Nachtheil erleiden wu&#x0364;rde. <hi rendition="#aq">Nulla enim iuris ratio,</hi><lb/>
&#x017F;agt <hi rendition="#fr">Mode&#x017F;tin</hi> <note place="foot" n="63)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 25. D. codem</hi>.</hi></note>, <hi rendition="#aq">aut <hi rendition="#i">aequitatis benignitas</hi> pati-<lb/>
tur, ut, quae &#x017F;alubriter <hi rendition="#i">pro utilitate hominum</hi> in-<lb/>
troducuntur, ea nos duriore interpretatione <hi rendition="#i">con-<lb/>
tra ip&#x017F;orum commodum</hi> producamus ad &#x017F;everitatem</hi>.</item><lb/>
              <item>3) Daß er auf die be&#x017F;ondern <hi rendition="#g">Eigen&#x017F;chaften</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Per&#x017F;ohnen</hi> Ru&#x0364;ck&#x017F;icht neh-<lb/>
me. <hi rendition="#aq">Et omnino,</hi> &#x017F;o re&#x017F;cribirt K. <hi rendition="#fr">Antonin</hi> <note place="foot" n="64)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 4. §. 1. D. de incendio, vuina etc</hi>.</hi> Eben die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
es, wenn die P. G. O. Carls <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">V</hi>.</hi> &#x017F;o oft den Richter<lb/>
anweißt, nach Gelegenheit und Ge&#x017F;talt der Per&#x017F;ohn<lb/>
die Strafe zu be&#x017F;timmen. Z. B. Art. 106. 114. 119.<lb/>
159. u. a. m.</note>,<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ex per&#x017F;onarum conditione, et rerum qualitate</hi>, di-<lb/>
ligenter ae&#x017F;timandae &#x017F;unt poenae, ne quid aut du-<lb/>
rius aut remi&#x017F;&#x017F;ius con&#x017F;tituatur, quam cau&#x017F;a po-<lb/>
&#x017F;tulabit</hi>. Allein nicht blos Criminal-Fa&#x0364;lle, &#x017F;ondern<lb/>
auch bu&#x0364;rgerliche Verbindungen &#x017F;ind, vorzu&#x0364;glich aber<lb/>
die ha&#x0364;ußliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, nach den Regeln der Bil-<lb/>
ligkeit zu beurtheilen. So mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en z. B. die Rechte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0231] de Iuſtitia et Iure. che durch das Geſez unmittelbar erreicht werden ſoll. Benignius leges interpretandae ſunt, ſagt Celſus 62), quo voluntas earum conſervetur. 2) auf die Umſtaͤnde der Sache Ruͤckſicht nehme. Sind dieſe beſondern Umſtaͤnde ſo beſchaffen, daß man nicht zweifeln kann, der Geſezgeber wuͤrde fuͤr dieſen beſondern Fall eine Ausnahme beſtimmt haben, wenn er ihn ſo, wie er ſich zugetragen hat, voraus- geſehen haͤtte; ſo iſt es die Pflicht eines billigen Rich- ters auf den Grund des Geſetzes zum Vortheile deſ- ſen Ruͤckſicht zu nehmen, der ſonſt einen unverdienten Nachtheil erleiden wuͤrde. Nulla enim iuris ratio, ſagt Modeſtin 63), aut aequitatis benignitas pati- tur, ut, quae ſalubriter pro utilitate hominum in- troducuntur, ea nos duriore interpretatione con- tra ipſorum commodum producamus ad ſeveritatem. 3) Daß er auf die beſondern Eigenſchaften und Verhaͤltniſſe der Perſohnen Ruͤckſicht neh- me. Et omnino, ſo reſcribirt K. Antonin 64), ex perſonarum conditione, et rerum qualitate, di- ligenter aeſtimandae ſunt poenae, ne quid aut du- rius aut remiſſius conſtituatur, quam cauſa po- ſtulabit. Allein nicht blos Criminal-Faͤlle, ſondern auch buͤrgerliche Verbindungen ſind, vorzuͤglich aber die haͤußliche Geſellſchaft, nach den Regeln der Bil- ligkeit zu beurtheilen. So muͤſſen z. B. die Rechte der 62) L. 18. D. de Legibus. 63) L. 25. D. codem. 64) L. 4. §. 1. D. de incendio, vuina etc. Eben dieſes iſt es, wenn die P. G. O. Carls V. ſo oft den Richter anweißt, nach Gelegenheit und Geſtalt der Perſohn die Strafe zu beſtimmen. Z. B. Art. 106. 114. 119. 159. u. a. m. O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/231
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/231>, abgerufen am 29.11.2024.