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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wo war dazu bessere Gelegenheit und wann die Herzen günstiger gestimmt, als an einer Hochzeit und bei den Brautführern und Brautführerinnen, wenn sie, nachdem sie ihre Pflicht gethan, Braut und Bräutigam zusammen geführt, diese vom Pfarrer eingesegnet, Arm in Arm die Kirche verlassen, sich nun gegenseitig die Arme geben. Paar und Paar hinter dem eigentlichen Paar herziehen: -- da wäre es doch wunderlich, wenn sie nicht auch Heirathsgedanken faßten und wenigstens als halbe Ehepaare sich vorkämen. Luise hatte nie daran gedacht, daß sie auch Brautführerin sein könnte, nun jetzt einmal war sie erkoren, es war als ob ihr ein Licht angezündet sei in der Seele. Gern würden wir erzählen, wie dieses Licht, das da erschien in der Finsterniß, leuchtete, den Funken folgen, welche aufstiegen von diesem Lichte, Raketen gleich und wunderherrlich schwammen hoch oben als wie im Himmel, aber wir hätten nicht Papier genug. Lärm machte Luise dabei nicht, plagte auch Tante Spendvögtin wenig wegen der Toilette, aber fast kriegte sie Glanz auf die Wangen, und wer die Muße genommen hätte, sie zu beobachten, würde in ihren Augen ein süßes, seliges Träumen gelesen, gesehen haben, daß dahinten eine neue Welt aufgegangen sei, von welcher die eigentliche Welt keine Ahnung hatte. Vergeßlich ward Luise, und darüber führte die Spendvögtin bittere Klagen: Aber Luise, was hast auch? keinen Kreuzer bist mehr werth, vergissest Alles unter den Händen. Ich glaube bald, es fehle dir im Hirn und werdest ganz einfältig, das Gescheidtest warest ohnehin nie; so redete die Spendvögtin. Tante Spendvögtin hatte keine Ahnung der eigentlichen Ursache von Luisens Vergeßlichkeit, denn in ihrer Geschichte, wie sie den Spendvogt bekam, kam Vergeßlichkeit gar nicht vor.

Endlich rückte er heran, der hochwichtige Tag, und Luisens Herz zitterte in freudigem Bangen. Es waren Hochzeitgäste, welche am Abend vor demselben stark den Barometer mißhandelten und alle Augenblicke sagten: Wenn wir morgen

Wo war dazu bessere Gelegenheit und wann die Herzen günstiger gestimmt, als an einer Hochzeit und bei den Brautführern und Brautführerinnen, wenn sie, nachdem sie ihre Pflicht gethan, Braut und Bräutigam zusammen geführt, diese vom Pfarrer eingesegnet, Arm in Arm die Kirche verlassen, sich nun gegenseitig die Arme geben. Paar und Paar hinter dem eigentlichen Paar herziehen: — da wäre es doch wunderlich, wenn sie nicht auch Heirathsgedanken faßten und wenigstens als halbe Ehepaare sich vorkämen. Luise hatte nie daran gedacht, daß sie auch Brautführerin sein könnte, nun jetzt einmal war sie erkoren, es war als ob ihr ein Licht angezündet sei in der Seele. Gern würden wir erzählen, wie dieses Licht, das da erschien in der Finsterniß, leuchtete, den Funken folgen, welche aufstiegen von diesem Lichte, Raketen gleich und wunderherrlich schwammen hoch oben als wie im Himmel, aber wir hätten nicht Papier genug. Lärm machte Luise dabei nicht, plagte auch Tante Spendvögtin wenig wegen der Toilette, aber fast kriegte sie Glanz auf die Wangen, und wer die Muße genommen hätte, sie zu beobachten, würde in ihren Augen ein süßes, seliges Träumen gelesen, gesehen haben, daß dahinten eine neue Welt aufgegangen sei, von welcher die eigentliche Welt keine Ahnung hatte. Vergeßlich ward Luise, und darüber führte die Spendvögtin bittere Klagen: Aber Luise, was hast auch? keinen Kreuzer bist mehr werth, vergissest Alles unter den Händen. Ich glaube bald, es fehle dir im Hirn und werdest ganz einfältig, das Gescheidtest warest ohnehin nie; so redete die Spendvögtin. Tante Spendvögtin hatte keine Ahnung der eigentlichen Ursache von Luisens Vergeßlichkeit, denn in ihrer Geschichte, wie sie den Spendvogt bekam, kam Vergeßlichkeit gar nicht vor.

Endlich rückte er heran, der hochwichtige Tag, und Luisens Herz zitterte in freudigem Bangen. Es waren Hochzeitgäste, welche am Abend vor demselben stark den Barometer mißhandelten und alle Augenblicke sagten: Wenn wir morgen

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[0017] Wo war dazu bessere Gelegenheit und wann die Herzen günstiger gestimmt, als an einer Hochzeit und bei den Brautführern und Brautführerinnen, wenn sie, nachdem sie ihre Pflicht gethan, Braut und Bräutigam zusammen geführt, diese vom Pfarrer eingesegnet, Arm in Arm die Kirche verlassen, sich nun gegenseitig die Arme geben. Paar und Paar hinter dem eigentlichen Paar herziehen: — da wäre es doch wunderlich, wenn sie nicht auch Heirathsgedanken faßten und wenigstens als halbe Ehepaare sich vorkämen. Luise hatte nie daran gedacht, daß sie auch Brautführerin sein könnte, nun jetzt einmal war sie erkoren, es war als ob ihr ein Licht angezündet sei in der Seele. Gern würden wir erzählen, wie dieses Licht, das da erschien in der Finsterniß, leuchtete, den Funken folgen, welche aufstiegen von diesem Lichte, Raketen gleich und wunderherrlich schwammen hoch oben als wie im Himmel, aber wir hätten nicht Papier genug. Lärm machte Luise dabei nicht, plagte auch Tante Spendvögtin wenig wegen der Toilette, aber fast kriegte sie Glanz auf die Wangen, und wer die Muße genommen hätte, sie zu beobachten, würde in ihren Augen ein süßes, seliges Träumen gelesen, gesehen haben, daß dahinten eine neue Welt aufgegangen sei, von welcher die eigentliche Welt keine Ahnung hatte. Vergeßlich ward Luise, und darüber führte die Spendvögtin bittere Klagen: Aber Luise, was hast auch? keinen Kreuzer bist mehr werth, vergissest Alles unter den Händen. Ich glaube bald, es fehle dir im Hirn und werdest ganz einfältig, das Gescheidtest warest ohnehin nie; so redete die Spendvögtin. Tante Spendvögtin hatte keine Ahnung der eigentlichen Ursache von Luisens Vergeßlichkeit, denn in ihrer Geschichte, wie sie den Spendvogt bekam, kam Vergeßlichkeit gar nicht vor. Endlich rückte er heran, der hochwichtige Tag, und Luisens Herz zitterte in freudigem Bangen. Es waren Hochzeitgäste, welche am Abend vor demselben stark den Barometer mißhandelten und alle Augenblicke sagten: Wenn wir morgen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/17>, abgerufen am 28.03.2024.