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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihre Bekanntschaft zu machen, er hätte die Ehre Brautführer zu sein. Ach Gott! wie dies Wort Luise durchzuckte, und wie sie plötzlich ihre Augen aufschlug und in das Gesicht sah, welches dieses Wort gesagt hatte! Es war ein schönes, glattes Gesicht, roth und weiß mit blauen Augen, langer Nase, süßem Lächeln, verziert durch ein blondes Schnäuzchen, welches etwas schamhaft unter der langen Nase durchkroch. Das Halstuch war wohl eng gezogen, die Figur steif, spitz standen die Ellbogen hinten aus, die Arme hatten sich aus langer Uebung die rechtwinklige Haltung angewöhnt.

Der Herr war nämlich mehrere Jahre mit dem Hochzeiter-Subject in einer Amtsschreiberei auf dem Lande gewesen, hatte sich endlich nach zehnjähriger Lehrzeit zum Notar aufgeschwungen und wollte sich als solcher in dem Städtchen setzen, wo sein Freund einstweilen noch Substitut, sogenanntes Subject war. Es schien Luise, als hätte sie solche Holdseligkeit und Schönheit noch nie in einer Menschengestalt vereinigt gesehen, sie fand kaum den Muth zur Antwort, lispelte sie endlich noch einmal so leise, als sie sonst zu reden gewohnt war. Ihr Herz war so voll Seligkeit, daß es ihr bis vor die Luftröhre kam, denn nicht bloß das Reden, auch das Athmen ward ihr schwer. Endlich, eine Stunde später, als angesagt war, nachdem man Boten nach allen Windgegenden ausgesandt, die Kutscher sich fast die Zungen aus dem Munde geflucht hatten, kam der letzte angerannt. Es war auch ein Subject, es trug das Halstuch noch in der Hand; es hatte sich erstlich verschlafen, zweitens sich zu lang mit dem Kamm versäumt und schließlich ob dem Wichsen der Stiefel, welche nie glänzend werden wollten. Er hatte vor wenig Tagen sie mit Fett eingeschmiert, weil er bei schlechter Witterung an eine Steigerung mußte, jetzt wollten sie ihr Angesicht nicht bald wieder ändern, waren conservativer als viele Menschen. Das gute Subject weinte fast aus Angst und Zorn über dieses verfluchte conservative Wesen. Und in der That, es hatte Recht. Was hilft es,

ihre Bekanntschaft zu machen, er hätte die Ehre Brautführer zu sein. Ach Gott! wie dies Wort Luise durchzuckte, und wie sie plötzlich ihre Augen aufschlug und in das Gesicht sah, welches dieses Wort gesagt hatte! Es war ein schönes, glattes Gesicht, roth und weiß mit blauen Augen, langer Nase, süßem Lächeln, verziert durch ein blondes Schnäuzchen, welches etwas schamhaft unter der langen Nase durchkroch. Das Halstuch war wohl eng gezogen, die Figur steif, spitz standen die Ellbogen hinten aus, die Arme hatten sich aus langer Uebung die rechtwinklige Haltung angewöhnt.

Der Herr war nämlich mehrere Jahre mit dem Hochzeiter-Subject in einer Amtsschreiberei auf dem Lande gewesen, hatte sich endlich nach zehnjähriger Lehrzeit zum Notar aufgeschwungen und wollte sich als solcher in dem Städtchen setzen, wo sein Freund einstweilen noch Substitut, sogenanntes Subject war. Es schien Luise, als hätte sie solche Holdseligkeit und Schönheit noch nie in einer Menschengestalt vereinigt gesehen, sie fand kaum den Muth zur Antwort, lispelte sie endlich noch einmal so leise, als sie sonst zu reden gewohnt war. Ihr Herz war so voll Seligkeit, daß es ihr bis vor die Luftröhre kam, denn nicht bloß das Reden, auch das Athmen ward ihr schwer. Endlich, eine Stunde später, als angesagt war, nachdem man Boten nach allen Windgegenden ausgesandt, die Kutscher sich fast die Zungen aus dem Munde geflucht hatten, kam der letzte angerannt. Es war auch ein Subject, es trug das Halstuch noch in der Hand; es hatte sich erstlich verschlafen, zweitens sich zu lang mit dem Kamm versäumt und schließlich ob dem Wichsen der Stiefel, welche nie glänzend werden wollten. Er hatte vor wenig Tagen sie mit Fett eingeschmiert, weil er bei schlechter Witterung an eine Steigerung mußte, jetzt wollten sie ihr Angesicht nicht bald wieder ändern, waren conservativer als viele Menschen. Das gute Subject weinte fast aus Angst und Zorn über dieses verfluchte conservative Wesen. Und in der That, es hatte Recht. Was hilft es,

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[0019] ihre Bekanntschaft zu machen, er hätte die Ehre Brautführer zu sein. Ach Gott! wie dies Wort Luise durchzuckte, und wie sie plötzlich ihre Augen aufschlug und in das Gesicht sah, welches dieses Wort gesagt hatte! Es war ein schönes, glattes Gesicht, roth und weiß mit blauen Augen, langer Nase, süßem Lächeln, verziert durch ein blondes Schnäuzchen, welches etwas schamhaft unter der langen Nase durchkroch. Das Halstuch war wohl eng gezogen, die Figur steif, spitz standen die Ellbogen hinten aus, die Arme hatten sich aus langer Uebung die rechtwinklige Haltung angewöhnt. Der Herr war nämlich mehrere Jahre mit dem Hochzeiter-Subject in einer Amtsschreiberei auf dem Lande gewesen, hatte sich endlich nach zehnjähriger Lehrzeit zum Notar aufgeschwungen und wollte sich als solcher in dem Städtchen setzen, wo sein Freund einstweilen noch Substitut, sogenanntes Subject war. Es schien Luise, als hätte sie solche Holdseligkeit und Schönheit noch nie in einer Menschengestalt vereinigt gesehen, sie fand kaum den Muth zur Antwort, lispelte sie endlich noch einmal so leise, als sie sonst zu reden gewohnt war. Ihr Herz war so voll Seligkeit, daß es ihr bis vor die Luftröhre kam, denn nicht bloß das Reden, auch das Athmen ward ihr schwer. Endlich, eine Stunde später, als angesagt war, nachdem man Boten nach allen Windgegenden ausgesandt, die Kutscher sich fast die Zungen aus dem Munde geflucht hatten, kam der letzte angerannt. Es war auch ein Subject, es trug das Halstuch noch in der Hand; es hatte sich erstlich verschlafen, zweitens sich zu lang mit dem Kamm versäumt und schließlich ob dem Wichsen der Stiefel, welche nie glänzend werden wollten. Er hatte vor wenig Tagen sie mit Fett eingeschmiert, weil er bei schlechter Witterung an eine Steigerung mußte, jetzt wollten sie ihr Angesicht nicht bald wieder ändern, waren conservativer als viele Menschen. Das gute Subject weinte fast aus Angst und Zorn über dieses verfluchte conservative Wesen. Und in der That, es hatte Recht. Was hilft es,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/19>, abgerufen am 20.04.2024.