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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Tectologische Thesen.
16. Jeder einzelne Organismus, vom morphologischen Standpunkte
aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner formellen Individualität
als Einheit untersucht, erscheint als ein morphologisches Individuum.
17. Jeder einzelne Organismus, vom physiologischen Standpunkte
aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner functionellen Individualität
als Lebens-Einheit untersucht, erscheint als physiologisches Individuum
oder Bion. 1)
18. Das Bion oder das physiologische Individuum als Lebens-
einheit ist an ein materielles Substrat gebunden, welches entweder
ein einziges einfaches morphologisches Individuum oder ein einheit-
licher Complex (Synusie, Colonie) von zwei oder mehreren, innig ver-
bundenen einfachen morphologischen Individuen ist.
19. Jeder einheitliche Complex (Synusie oder Colonie) von zwei
oder mehreren, innig verbundenen einfachen morphologischen Indivi-
duen, welcher ein natürliches Ganze, eine selbstständige Formeinheit
bildet, ist als ein morphologisches Individuum zweiter oder höherer
Ordnung zu betrachten.
20. Alle morphologischen Individuen, welche im Thierreiche, im
Protistenreiche und im Pflanzenreiche als materielle Substrate der
Bionten, als Träger der einheitlichen Lebens-Erscheinung auftreten,
lassen sich in sechs subordinirte Stufen oder Ordnungen gruppiren,
welche wir, von unten nach oben aufsteigend, mit folgenden morpho-
logisch bestimmten Ausdrücken bezeichnen: 1) das Plasmastück
(Plastis); 2) das Werkstück (Organon); 3) das Gegenstück (Anti-
meros); 4) das Folgestück (Metameros); 5) die Person (Prosopon);
6) der Stock (Cormos).
21. Jede einzelne Form-Einheit höherer Ordnung ist eine Vielheit
(Synusie oder Colonie) von mehreren vereinigten Formeinheiten der
vorhergehenden niederen Ordnungen.
22. Nur die Plastide (entweder Cytode oder Zelle) als das mor-
phologische Individuum erster und niederster Ordnung ist demnach
ein wirklich einfaches Form-Individuum; alle übrigen morphologischen
Individuen (zweiter bis sechster Ordnung) sind stets zusammengesetzte
Individuen oder Colonieen (Synusieen, Complexe).
1) Um den schleppenden und vielsylbigen Ausdruck des "physiologischen
Individuums" zu vermeiden, haben wir denselben durch den kurzen und bezeich-
nenden Ausdruck des Bion ersetzt, (o bios, to on). Entsprechend würde sich
das morphologische Individuum kurz als Morphon bezeichnen lassen (e morphe,
to on). Wir haben indessen den Gebrauch dieser Bezeichnung hier vermieden,
um nicht allzuviele neue Kunstausdrücke (deren wir ohnehin schon eine grosse
Anzahl zur Bezeichnung neuer Begriffe bedürfen) in die organische Morphologie
einzuführen. Da jede der sechs verschiedenen morphologischen Individualitäten
ihre eigene bestimmte Bezeichnung besitzt, so kommt der Ausdruck "morpho-
logisches Individuum" überhaupt viel seltener zur Anwendung.
Tectologische Thesen.
16. Jeder einzelne Organismus, vom morphologischen Standpunkte
aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner formellen Individualität
als Einheit untersucht, erscheint als ein morphologisches Individuum.
17. Jeder einzelne Organismus, vom physiologischen Standpunkte
aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner functionellen Individualität
als Lebens-Einheit untersucht, erscheint als physiologisches Individuum
oder Bion. 1)
18. Das Bion oder das physiologische Individuum als Lebens-
einheit ist an ein materielles Substrat gebunden, welches entweder
ein einziges einfaches morphologisches Individuum oder ein einheit-
licher Complex (Synusie, Colonie) von zwei oder mehreren, innig ver-
bundenen einfachen morphologischen Individuen ist.
19. Jeder einheitliche Complex (Synusie oder Colonie) von zwei
oder mehreren, innig verbundenen einfachen morphologischen Indivi-
duen, welcher ein natürliches Ganze, eine selbstständige Formeinheit
bildet, ist als ein morphologisches Individuum zweiter oder höherer
Ordnung zu betrachten.
20. Alle morphologischen Individuen, welche im Thierreiche, im
Protistenreiche und im Pflanzenreiche als materielle Substrate der
Bionten, als Träger der einheitlichen Lebens-Erscheinung auftreten,
lassen sich in sechs subordinirte Stufen oder Ordnungen gruppiren,
welche wir, von unten nach oben aufsteigend, mit folgenden morpho-
logisch bestimmten Ausdrücken bezeichnen: 1) das Plasmastück
(Plastis); 2) das Werkstück (Organon); 3) das Gegenstück (Anti-
meros); 4) das Folgestück (Metameros); 5) die Person (Prosopon);
6) der Stock (Cormos).
21. Jede einzelne Form-Einheit höherer Ordnung ist eine Vielheit
(Synusie oder Colonie) von mehreren vereinigten Formeinheiten der
vorhergehenden niederen Ordnungen.
22. Nur die Plastide (entweder Cytode oder Zelle) als das mor-
phologische Individuum erster und niederster Ordnung ist demnach
ein wirklich einfaches Form-Individuum; alle übrigen morphologischen
Individuen (zweiter bis sechster Ordnung) sind stets zusammengesetzte
Individuen oder Colonieen (Synusieen, Complexe).
1) Um den schleppenden und vielsylbigen Ausdruck des „physiologischen
Individuums“ zu vermeiden, haben wir denselben durch den kurzen und bezeich-
nenden Ausdruck des Bion ersetzt, (ὁ βίος, τὸ ὂν). Entsprechend würde sich
das morphologische Individuum kurz als Morphon bezeichnen lassen (ἡ μορφή,
τὸ ὂν). Wir haben indessen den Gebrauch dieser Bezeichnung hier vermieden,
um nicht allzuviele neue Kunstausdrücke (deren wir ohnehin schon eine grosse
Anzahl zur Bezeichnung neuer Begriffe bedürfen) in die organische Morphologie
einzuführen. Da jede der sechs verschiedenen morphologischen Individualitäten
ihre eigene bestimmte Bezeichnung besitzt, so kommt der Ausdruck „morpho-
logisches Individuum“ überhaupt viel seltener zur Anwendung.
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[367/0406] Tectologische Thesen. 16. Jeder einzelne Organismus, vom morphologischen Standpunkte aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner formellen Individualität als Einheit untersucht, erscheint als ein morphologisches Individuum. 17. Jeder einzelne Organismus, vom physiologischen Standpunkte aus betrachtet und bloss hinsichtlich seiner functionellen Individualität als Lebens-Einheit untersucht, erscheint als physiologisches Individuum oder Bion. 1) 18. Das Bion oder das physiologische Individuum als Lebens- einheit ist an ein materielles Substrat gebunden, welches entweder ein einziges einfaches morphologisches Individuum oder ein einheit- licher Complex (Synusie, Colonie) von zwei oder mehreren, innig ver- bundenen einfachen morphologischen Individuen ist. 19. Jeder einheitliche Complex (Synusie oder Colonie) von zwei oder mehreren, innig verbundenen einfachen morphologischen Indivi- duen, welcher ein natürliches Ganze, eine selbstständige Formeinheit bildet, ist als ein morphologisches Individuum zweiter oder höherer Ordnung zu betrachten. 20. Alle morphologischen Individuen, welche im Thierreiche, im Protistenreiche und im Pflanzenreiche als materielle Substrate der Bionten, als Träger der einheitlichen Lebens-Erscheinung auftreten, lassen sich in sechs subordinirte Stufen oder Ordnungen gruppiren, welche wir, von unten nach oben aufsteigend, mit folgenden morpho- logisch bestimmten Ausdrücken bezeichnen: 1) das Plasmastück (Plastis); 2) das Werkstück (Organon); 3) das Gegenstück (Anti- meros); 4) das Folgestück (Metameros); 5) die Person (Prosopon); 6) der Stock (Cormos). 21. Jede einzelne Form-Einheit höherer Ordnung ist eine Vielheit (Synusie oder Colonie) von mehreren vereinigten Formeinheiten der vorhergehenden niederen Ordnungen. 22. Nur die Plastide (entweder Cytode oder Zelle) als das mor- phologische Individuum erster und niederster Ordnung ist demnach ein wirklich einfaches Form-Individuum; alle übrigen morphologischen Individuen (zweiter bis sechster Ordnung) sind stets zusammengesetzte Individuen oder Colonieen (Synusieen, Complexe). 1) Um den schleppenden und vielsylbigen Ausdruck des „physiologischen Individuums“ zu vermeiden, haben wir denselben durch den kurzen und bezeich- nenden Ausdruck des Bion ersetzt, (ὁ βίος, τὸ ὂν). Entsprechend würde sich das morphologische Individuum kurz als Morphon bezeichnen lassen (ἡ μορφή, τὸ ὂν). Wir haben indessen den Gebrauch dieser Bezeichnung hier vermieden, um nicht allzuviele neue Kunstausdrücke (deren wir ohnehin schon eine grosse Anzahl zur Bezeichnung neuer Begriffe bedürfen) in die organische Morphologie einzuführen. Da jede der sechs verschiedenen morphologischen Individualitäten ihre eigene bestimmte Bezeichnung besitzt, so kommt der Ausdruck „morpho- logisches Individuum“ überhaupt viel seltener zur Anwendung.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/406>, abgerufen am 23.11.2024.