§. 3. Es nimmt die angebohrne und nervige Kraft ab.
Dieses Uebel ist aber an sich groß, und alsdenn un- heilbar, und es bestehet in einer callösen Beschaffenheit der Nerven, welche gegen alle Empfindungen taub sind, so wie sich die muskulösen Fasern ebenfalls gegen alle Reizze träge verhalten.
Nach und nach fängt sich diese Schwäche bei dem Menschen an, und sie nimmt demohngeachtet doch schon gegen das funfzigste Jahr des Lebens dergestalt zu, daß man gemeiniglich alsdenn an der reizbaren Beschaffen- heit der Zeugungstheile und in der Leichtigkeit, den Saa- men von sich zu geben, ein Unterscheid gewahr werden läßt; in eben dieser Zeit haben auch die Augen bisweilen eine stumpfe Empfindung bei einem geringen Lichte; viele Sterblichen verlieren etwas von der Feinheit des Ge- hörs; der Geschmakk wird von gelinden und süssen Spei- sen weniger gerührt, und verlangt schon stärkere Reizze zu haben, und es wird der Harn mit einem schwächern Sprunge, und gleichsam mit einem schwachen Auswurfe von rükkständigen Tropfen fortgelassen. Es finden sich diese Dinge später oder früher ein, doch ist das mensch- liche Leben niemals ohne diese Mängel. Sie scheinen aber Folgen von derjenigen allgemeinen Verhärtung zu seyn, von der wir bereits überflüßige Beweise gegeben haben (a). Es läst sich nemlich dasjenige schwer in Be- wegung sezzen, was den Eindrukk schwer annimmt; und es ist kein Zweifel, daß nicht bei Nerven und bei Mus- keln die Wirkung des Reizzes, so wie der Reiz selbst, und dieser, wie die, vom reizenden Körper hervorge- brachte Veränderung, diese endlich aber, wie das ver- kehre Verhältniß der Härte beschaffen seyn sollte, mit
der
(a)p. 69. 70. 71.
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III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
§. 3. Es nimmt die angebohrne und nervige Kraft ab.
Dieſes Uebel iſt aber an ſich groß, und alsdenn un- heilbar, und es beſtehet in einer calloͤſen Beſchaffenheit der Nerven, welche gegen alle Empfindungen taub ſind, ſo wie ſich die muskuloͤſen Faſern ebenfalls gegen alle Reizze traͤge verhalten.
Nach und nach faͤngt ſich dieſe Schwaͤche bei dem Menſchen an, und ſie nimmt demohngeachtet doch ſchon gegen das funfzigſte Jahr des Lebens dergeſtalt zu, daß man gemeiniglich alsdenn an der reizbaren Beſchaffen- heit der Zeugungstheile und in der Leichtigkeit, den Saa- men von ſich zu geben, ein Unterſcheid gewahr werden laͤßt; in eben dieſer Zeit haben auch die Augen bisweilen eine ſtumpfe Empfindung bei einem geringen Lichte; viele Sterblichen verlieren etwas von der Feinheit des Ge- hoͤrs; der Geſchmakk wird von gelinden und ſuͤſſen Spei- ſen weniger geruͤhrt, und verlangt ſchon ſtaͤrkere Reizze zu haben, und es wird der Harn mit einem ſchwaͤchern Sprunge, und gleichſam mit einem ſchwachen Auswurfe von ruͤkkſtaͤndigen Tropfen fortgelaſſen. Es finden ſich dieſe Dinge ſpaͤter oder fruͤher ein, doch iſt das menſch- liche Leben niemals ohne dieſe Maͤngel. Sie ſcheinen aber Folgen von derjenigen allgemeinen Verhaͤrtung zu ſeyn, von der wir bereits uͤberfluͤßige Beweiſe gegeben haben (a). Es laͤſt ſich nemlich dasjenige ſchwer in Be- wegung ſezzen, was den Eindrukk ſchwer annimmt; und es iſt kein Zweifel, daß nicht bei Nerven und bei Mus- keln die Wirkung des Reizzes, ſo wie der Reiz ſelbſt, und dieſer, wie die, vom reizenden Koͤrper hervorge- brachte Veraͤnderung, dieſe endlich aber, wie das ver- kehre Verhaͤltniß der Haͤrte beſchaffen ſeyn ſollte, mit
der
(a)p. 69. 70. 71.
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[903[905]/0957]
III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
§. 3.
Es nimmt die angebohrne und nervige Kraft ab.
Dieſes Uebel iſt aber an ſich groß, und alsdenn un-
heilbar, und es beſtehet in einer calloͤſen Beſchaffenheit
der Nerven, welche gegen alle Empfindungen taub ſind,
ſo wie ſich die muskuloͤſen Faſern ebenfalls gegen alle
Reizze traͤge verhalten.
Nach und nach faͤngt ſich dieſe Schwaͤche bei dem
Menſchen an, und ſie nimmt demohngeachtet doch ſchon
gegen das funfzigſte Jahr des Lebens dergeſtalt zu, daß
man gemeiniglich alsdenn an der reizbaren Beſchaffen-
heit der Zeugungstheile und in der Leichtigkeit, den Saa-
men von ſich zu geben, ein Unterſcheid gewahr werden
laͤßt; in eben dieſer Zeit haben auch die Augen bisweilen
eine ſtumpfe Empfindung bei einem geringen Lichte; viele
Sterblichen verlieren etwas von der Feinheit des Ge-
hoͤrs; der Geſchmakk wird von gelinden und ſuͤſſen Spei-
ſen weniger geruͤhrt, und verlangt ſchon ſtaͤrkere Reizze
zu haben, und es wird der Harn mit einem ſchwaͤchern
Sprunge, und gleichſam mit einem ſchwachen Auswurfe
von ruͤkkſtaͤndigen Tropfen fortgelaſſen. Es finden ſich
dieſe Dinge ſpaͤter oder fruͤher ein, doch iſt das menſch-
liche Leben niemals ohne dieſe Maͤngel. Sie ſcheinen
aber Folgen von derjenigen allgemeinen Verhaͤrtung zu
ſeyn, von der wir bereits uͤberfluͤßige Beweiſe gegeben
haben (a). Es laͤſt ſich nemlich dasjenige ſchwer in Be-
wegung ſezzen, was den Eindrukk ſchwer annimmt; und
es iſt kein Zweifel, daß nicht bei Nerven und bei Mus-
keln die Wirkung des Reizzes, ſo wie der Reiz ſelbſt,
und dieſer, wie die, vom reizenden Koͤrper hervorge-
brachte Veraͤnderung, dieſe endlich aber, wie das ver-
kehre Verhaͤltniß der Haͤrte beſchaffen ſeyn ſollte, mit
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(a) p. 69. 70. 71.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 903[905]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/957>, abgerufen am 23.11.2024.
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