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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc.
bäume, die man aus Frankreich kommen läßt. Fast in allen diesen Gärten er-
scheinen Springbrunnen, welche die bergigte Lage begünstigt.

Man erblickt auf dem Wege von Neuburg nach Genf nahe am Wege so-
wohl, als in der Ferne, viele recht schön gebauete Landhäuser, die aber von weit
weniger schönen Gärten umgeben sind. Bey einigen ist es doch sichtbar, daß es
nicht überall an Platz fehlt, wie man sich entschuldigen will. Auch ist zu einem Lust-
sitz in einem Lande, das so voll von großen und sanften Schönheiten der Natur ist,
nicht geradezu ein beträchtlicher Raum nöthig. Es kommt nur auf Klugheit und
Geschmack an, einen kleinen Platz seiner Lage gemäß einzurichten, und ihn interef-
fant zu machen; zumal da man hier nur vornehmlich darauf zu sehen hat, die
mannichfaltigen Gemälde der Landschaft in gewissen Gesichtspunkten nach einander
zu fassen.

Nach den Neuburgern scheinen die Genfer am meisten auf ihre Landhäuser
verwendet zu haben. Unter den vielen Gebäuden dieser Art, womit die Höhen und
Abhänge um Genf und die Ufer des Sees bereichert sind, zeichnen sich die Land-
häufer la Boissiere, la Grange und les Delices *) aus, durch die herrlichsten
Lagen und Aussichten. Das letzte Landhaus ist merkwürdig, weil es ehemals Vol-
taire
bewohnte, ehe er Ferney kaufte und anfieng, die Personen, die Geburt,
Talente und Neugierde zu ihm führte, nicht mehr bloß mit seinem Witz, sondern
auch mit Gastmalen, mit Musik und Schauspielen zu bewirthen. Allein außer
der reizenden Lage fand ich in dem Garten nichts, das, als eine zurückgelassene Spur
von dem Gartengeschmack dieses berühmten Dichters, des Anblicks werth wäre.
Alles ist voll französischen Schnitzwerks, und selbst die Obstbäume sind in Kugeln
und Kegel verunstaltet. Aber ein Blick in die Rhone hinab, die sich mit einem
mächtigen Geräusch in der Tiefe wälzt, und sich da mit der Arve vereinigt, oder
in die umliegende erhabne Landschaft umher, läßt auf einmal alle Spielwerke der
Kunst wieder vergessen. Jetzt ist ein großer Kenner der schönen Künste, H. Tron-
chin,
Besitzer dieses Landhauses. Boissiere, das seinem Bruder, dem General-
procureur gehört, und auf der andern Seite des Sees liegt, hat eine so glänzende,
prächtige und unterhaltende Lage, daß die Einbildungskraft sich nichts reicheres vor-
stellen kann. Von seiner Höhe herab übersieht dieses Landhaus die ganze Stadt
Genf, alle umliegende Gegenden so voll Reiz und Leben, und dann die Gebirge,

die
*) Vues de Delices et du Chateau de
Ferney,
3 Bl. in 4. von Segny gezeichnet,
und von Queverdo gestochen. Das Schloß
[Spaltenumbruch] zu Ferney, eine kleine Stunde von Genf, im
Pays de Gex ist ein Gebäude im französt-
schen Stil, ohne hervorstechende Schönheit.
J i 3

Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
baͤume, die man aus Frankreich kommen laͤßt. Faſt in allen dieſen Gaͤrten er-
ſcheinen Springbrunnen, welche die bergigte Lage beguͤnſtigt.

Man erblickt auf dem Wege von Neuburg nach Genf nahe am Wege ſo-
wohl, als in der Ferne, viele recht ſchoͤn gebauete Landhaͤuſer, die aber von weit
weniger ſchoͤnen Gaͤrten umgeben ſind. Bey einigen iſt es doch ſichtbar, daß es
nicht uͤberall an Platz fehlt, wie man ſich entſchuldigen will. Auch iſt zu einem Luſt-
ſitz in einem Lande, das ſo voll von großen und ſanften Schoͤnheiten der Natur iſt,
nicht geradezu ein betraͤchtlicher Raum noͤthig. Es kommt nur auf Klugheit und
Geſchmack an, einen kleinen Platz ſeiner Lage gemaͤß einzurichten, und ihn interef-
fant zu machen; zumal da man hier nur vornehmlich darauf zu ſehen hat, die
mannichfaltigen Gemaͤlde der Landſchaft in gewiſſen Geſichtspunkten nach einander
zu faſſen.

Nach den Neuburgern ſcheinen die Genfer am meiſten auf ihre Landhaͤuſer
verwendet zu haben. Unter den vielen Gebaͤuden dieſer Art, womit die Hoͤhen und
Abhaͤnge um Genf und die Ufer des Sees bereichert ſind, zeichnen ſich die Land-
haͤufer la Boiſſiere, la Grange und les Delices *) aus, durch die herrlichſten
Lagen und Ausſichten. Das letzte Landhaus iſt merkwuͤrdig, weil es ehemals Vol-
taire
bewohnte, ehe er Ferney kaufte und anfieng, die Perſonen, die Geburt,
Talente und Neugierde zu ihm fuͤhrte, nicht mehr bloß mit ſeinem Witz, ſondern
auch mit Gaſtmalen, mit Muſik und Schauſpielen zu bewirthen. Allein außer
der reizenden Lage fand ich in dem Garten nichts, das, als eine zuruͤckgelaſſene Spur
von dem Gartengeſchmack dieſes beruͤhmten Dichters, des Anblicks werth waͤre.
Alles iſt voll franzoͤſiſchen Schnitzwerks, und ſelbſt die Obſtbaͤume ſind in Kugeln
und Kegel verunſtaltet. Aber ein Blick in die Rhone hinab, die ſich mit einem
maͤchtigen Geraͤuſch in der Tiefe waͤlzt, und ſich da mit der Arve vereinigt, oder
in die umliegende erhabne Landſchaft umher, laͤßt auf einmal alle Spielwerke der
Kunſt wieder vergeſſen. Jetzt iſt ein großer Kenner der ſchoͤnen Kuͤnſte, H. Tron-
chin,
Beſitzer dieſes Landhauſes. Boiſſiere, das ſeinem Bruder, dem General-
procureur gehoͤrt, und auf der andern Seite des Sees liegt, hat eine ſo glaͤnzende,
praͤchtige und unterhaltende Lage, daß die Einbildungskraft ſich nichts reicheres vor-
ſtellen kann. Von ſeiner Hoͤhe herab uͤberſieht dieſes Landhaus die ganze Stadt
Genf, alle umliegende Gegenden ſo voll Reiz und Leben, und dann die Gebirge,

die
*) Vues de Delices et du Chateau de
Ferney,
3 Bl. in 4. von Segny gezeichnet,
und von Queverdo geſtochen. Das Schloß
[Spaltenumbruch] zu Ferney, eine kleine Stunde von Genf, im
Pays de Gex iſt ein Gebaͤude im franzoͤſt-
ſchen Stil, ohne hervorſtechende Schoͤnheit.
J i 3
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[253/0261] Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. baͤume, die man aus Frankreich kommen laͤßt. Faſt in allen dieſen Gaͤrten er- ſcheinen Springbrunnen, welche die bergigte Lage beguͤnſtigt. Man erblickt auf dem Wege von Neuburg nach Genf nahe am Wege ſo- wohl, als in der Ferne, viele recht ſchoͤn gebauete Landhaͤuſer, die aber von weit weniger ſchoͤnen Gaͤrten umgeben ſind. Bey einigen iſt es doch ſichtbar, daß es nicht uͤberall an Platz fehlt, wie man ſich entſchuldigen will. Auch iſt zu einem Luſt- ſitz in einem Lande, das ſo voll von großen und ſanften Schoͤnheiten der Natur iſt, nicht geradezu ein betraͤchtlicher Raum noͤthig. Es kommt nur auf Klugheit und Geſchmack an, einen kleinen Platz ſeiner Lage gemaͤß einzurichten, und ihn interef- fant zu machen; zumal da man hier nur vornehmlich darauf zu ſehen hat, die mannichfaltigen Gemaͤlde der Landſchaft in gewiſſen Geſichtspunkten nach einander zu faſſen. Nach den Neuburgern ſcheinen die Genfer am meiſten auf ihre Landhaͤuſer verwendet zu haben. Unter den vielen Gebaͤuden dieſer Art, womit die Hoͤhen und Abhaͤnge um Genf und die Ufer des Sees bereichert ſind, zeichnen ſich die Land- haͤufer la Boiſſiere, la Grange und les Delices *) aus, durch die herrlichſten Lagen und Ausſichten. Das letzte Landhaus iſt merkwuͤrdig, weil es ehemals Vol- taire bewohnte, ehe er Ferney kaufte und anfieng, die Perſonen, die Geburt, Talente und Neugierde zu ihm fuͤhrte, nicht mehr bloß mit ſeinem Witz, ſondern auch mit Gaſtmalen, mit Muſik und Schauſpielen zu bewirthen. Allein außer der reizenden Lage fand ich in dem Garten nichts, das, als eine zuruͤckgelaſſene Spur von dem Gartengeſchmack dieſes beruͤhmten Dichters, des Anblicks werth waͤre. Alles iſt voll franzoͤſiſchen Schnitzwerks, und ſelbſt die Obſtbaͤume ſind in Kugeln und Kegel verunſtaltet. Aber ein Blick in die Rhone hinab, die ſich mit einem maͤchtigen Geraͤuſch in der Tiefe waͤlzt, und ſich da mit der Arve vereinigt, oder in die umliegende erhabne Landſchaft umher, laͤßt auf einmal alle Spielwerke der Kunſt wieder vergeſſen. Jetzt iſt ein großer Kenner der ſchoͤnen Kuͤnſte, H. Tron- chin, Beſitzer dieſes Landhauſes. Boiſſiere, das ſeinem Bruder, dem General- procureur gehoͤrt, und auf der andern Seite des Sees liegt, hat eine ſo glaͤnzende, praͤchtige und unterhaltende Lage, daß die Einbildungskraft ſich nichts reicheres vor- ſtellen kann. Von ſeiner Hoͤhe herab uͤberſieht dieſes Landhaus die ganze Stadt Genf, alle umliegende Gegenden ſo voll Reiz und Leben, und dann die Gebirge, die *) Vues de Delices et du Chateau de Ferney, 3 Bl. in 4. von Segny gezeichnet, und von Queverdo geſtochen. Das Schloß zu Ferney, eine kleine Stunde von Genf, im Pays de Gex iſt ein Gebaͤude im franzoͤſt- ſchen Stil, ohne hervorſtechende Schoͤnheit. J i 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/261>, abgerufen am 23.11.2024.