Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Schwefelkies ist hell goldgelb, und man sieht ihm nicht an, Nachdem wir den Schwefelkies am Rio Juagua unter- Schwefelkies iſt hell goldgelb, und man ſieht ihm nicht an, Nachdem wir den Schwefelkies am Rio Juagua unter- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0261" n="245"/> Schwefelkies iſt hell goldgelb, und man ſieht ihm nicht an,<lb/> daß er Kupfer enthält. Die Mergelſchicht, in der er vor-<lb/> kommt, ſtreicht über den Bach hinüber. Das Waſſer ſpült<lb/> die metalliſch glänzenden Körner aus, und deshalb glaubt das<lb/> Volk, der Bach führe Gold. Man erzählt, nach dem großen<lb/> Erdbeben im Jahre 1766 habe das Waſſer des Juagua ſo<lb/> viel Gold geführt, daß Männer, „die weit hergekommen, und<lb/> von denen man nicht gewußt, wo ſie zu Hauſe ſeien“, Gold-<lb/> wäſchen angelegt hätten; ſie ſeien aber bei Nacht und Nebel<lb/> verſchwunden, nachdem ſie eine Menge Gold geſammelt. Es<lb/> braucht keines Beweiſes, daß dies ein Märchen iſt; die Kieſe<lb/> in den Quarzgängen des Glimmerſchiefers ſind allerdings ſehr<lb/> oft goldhaltig; aber nichts berechtigt bis jetzt zur Annahme,<lb/> daß der Schwefelkies im Mergelſchiefer des Alpenkalks gleich-<lb/> falls Gold enthalte. Einige direkte Verſuche auf naſſem Wege,<lb/> die ich während meines Aufenthaltes in Caracas angeſtellt,<lb/> thun dar, daß der Schwefelkies von Cuchivano durchaus nicht<lb/> goldhaltig iſt. Unſeren Führern behagte mein Unglaube ſehr<lb/> ſchlecht; ich hatte gut ſagen, aus dieſer angeblichen Goldgrube<lb/> könnte man höchſtens Alaun und Eiſenvitriol gewinnen; ſie<lb/> laſen nichtsdeſtoweniger heimlich jedes Stückchen Schwefelkies<lb/> auf, das ſie im Waſſer glänzen ſahen. Je ärmer ein Land<lb/> an Erzgruben iſt, deſto leichter wird es in der Einbildung<lb/> der Einwohner, die Schätze aus dem Schoße der Erde zu<lb/> holen. Wie viele Zeit haben wir auf unſerer fünfjährigen<lb/> Reiſe verloren, um auf das dringende Verlangen unſerer<lb/> Wirte Schluchten zu unterſuchen, in denen ſchwefelkieshaltige<lb/> Schichten ſeit Jahrhunderten den ſtolzen Namen <hi rendition="#aq">Minas de<lb/> oro</hi> führen! Wie oft ſahen wir lächelnd zu, wenn Leute aller<lb/> Stände, Beamte, Dorfgeiſtliche, ernſte Miſſionäre mit un-<lb/> ermüdlicher Geduld Hornblende oder gelblichen Glimmer zer-<lb/> ſtießen, um mittels Queckſilber das Gold auszuziehen! Die<lb/> leidenſchaftliche Gier, mit der man nach Erzen ſucht, er-<lb/> ſcheint doppelt auffallend in einem Lande, wo man den<lb/> Boden kaum umzuwenden braucht, um ihm reiche Ernten zu<lb/> entlocken.</p><lb/> <p>Nachdem wir den Schwefelkies am Rio Juagua unter-<lb/> ſucht, gingen wir weiter in der Schlucht hinauf, die ſich wie<lb/> ein enger, von ſehr hohen Bäumen beſchatteter Kanal fort-<lb/> zieht. Nach ſehr beſchwerlichem Marſche und ganz durch-<lb/> näßt, weil wir ſo oft über den Bach gegangen waren,<lb/> langten wir am Fuße der Höhlen des Cuchivano an, aus<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [245/0261]
Schwefelkies iſt hell goldgelb, und man ſieht ihm nicht an,
daß er Kupfer enthält. Die Mergelſchicht, in der er vor-
kommt, ſtreicht über den Bach hinüber. Das Waſſer ſpült
die metalliſch glänzenden Körner aus, und deshalb glaubt das
Volk, der Bach führe Gold. Man erzählt, nach dem großen
Erdbeben im Jahre 1766 habe das Waſſer des Juagua ſo
viel Gold geführt, daß Männer, „die weit hergekommen, und
von denen man nicht gewußt, wo ſie zu Hauſe ſeien“, Gold-
wäſchen angelegt hätten; ſie ſeien aber bei Nacht und Nebel
verſchwunden, nachdem ſie eine Menge Gold geſammelt. Es
braucht keines Beweiſes, daß dies ein Märchen iſt; die Kieſe
in den Quarzgängen des Glimmerſchiefers ſind allerdings ſehr
oft goldhaltig; aber nichts berechtigt bis jetzt zur Annahme,
daß der Schwefelkies im Mergelſchiefer des Alpenkalks gleich-
falls Gold enthalte. Einige direkte Verſuche auf naſſem Wege,
die ich während meines Aufenthaltes in Caracas angeſtellt,
thun dar, daß der Schwefelkies von Cuchivano durchaus nicht
goldhaltig iſt. Unſeren Führern behagte mein Unglaube ſehr
ſchlecht; ich hatte gut ſagen, aus dieſer angeblichen Goldgrube
könnte man höchſtens Alaun und Eiſenvitriol gewinnen; ſie
laſen nichtsdeſtoweniger heimlich jedes Stückchen Schwefelkies
auf, das ſie im Waſſer glänzen ſahen. Je ärmer ein Land
an Erzgruben iſt, deſto leichter wird es in der Einbildung
der Einwohner, die Schätze aus dem Schoße der Erde zu
holen. Wie viele Zeit haben wir auf unſerer fünfjährigen
Reiſe verloren, um auf das dringende Verlangen unſerer
Wirte Schluchten zu unterſuchen, in denen ſchwefelkieshaltige
Schichten ſeit Jahrhunderten den ſtolzen Namen Minas de
oro führen! Wie oft ſahen wir lächelnd zu, wenn Leute aller
Stände, Beamte, Dorfgeiſtliche, ernſte Miſſionäre mit un-
ermüdlicher Geduld Hornblende oder gelblichen Glimmer zer-
ſtießen, um mittels Queckſilber das Gold auszuziehen! Die
leidenſchaftliche Gier, mit der man nach Erzen ſucht, er-
ſcheint doppelt auffallend in einem Lande, wo man den
Boden kaum umzuwenden braucht, um ihm reiche Ernten zu
entlocken.
Nachdem wir den Schwefelkies am Rio Juagua unter-
ſucht, gingen wir weiter in der Schlucht hinauf, die ſich wie
ein enger, von ſehr hohen Bäumen beſchatteter Kanal fort-
zieht. Nach ſehr beſchwerlichem Marſche und ganz durch-
näßt, weil wir ſo oft über den Bach gegangen waren,
langten wir am Fuße der Höhlen des Cuchivano an, aus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |