Leipzig -- oder A Monsieur, Monsieur Richter, homme de lettres a Leipsik.
Was Sie dem Rektor wegen der Aukzion geben sollen, weis ich nicht. Mühe hat er gehabt. Sie können ihn ia selbst darum bitten. -- Was macht der Samuel und mein Hund? --5
28. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich bin weniger darüber erschrokken, daß mein Bruder ein Soldat ist, als daß Sie sich darum so sehr ängstigen. Freilich wär' es besser, wenn er bei seinem Metier geblieben wäre; aber doch, wenn man bedenkt,10 wie liederlich er immer war und wie er immer selbst verursachte, daß ihn kein Herr lange behielte, wenn man dies bedenkt, so ist der Schaden so gros nicht. Denn Sie irren Sich sehr, wenn Sie den Soldatenstand für etwas verächtliches halten. Sind denn nicht Edelleute, Grafen, und Fürstensöhne Soldaten? Ein Soldat ist etwas bessers als ein15 Barbier. Der Adam kan wol ia auch avanciren, wenn er lang ist und sich gut aufführt. Ist ia der alten Fr. Pfarrerin in Ködiz ihr Sohn auch einer, und hat es iezt vielleicht besser und bequemer als ihr Sohn der Pfarrer in Ködiz. Ein Soldat hat es selbst im Kriege besser als andre Leute; die müssen sich plündern lassen und können sich mit nichts20 gegen ihren Feind verteidigen, allein ein Soldat nicht. Mein Bruder wirds nun auch wol bleiben. Aus dem Himmel und der Hölle ist keine Erlösung. An Werber hilft also alles Schreiben nichts. Denn auf den komt es gar nicht mehr. Hier hat nur der General etwas zu sagen. Ein Brief hilft soviel als nichts, zumal da er im Dienste des Landesherren25 ist. Schreiben Sie meinem Bruder, daß er sich gut aufführt; für das Übrige wird Got sorgen. Und kümmern Sie Sich ia nicht so ser darüber; es ist doch nicht zu ändern, und legen Sie nur die falschen, verächt- lichen Begriffe vom Soldatenstand ab, ohne den der Staat gar nicht bestehen kan. -- Nun zur Beantwortung des übrigen Briefs. -- An30 den Pfarrer in Rehau kan ich wegen vielerlei Ursachen nicht schreiben. [49]-- Sobald nach Hof werd' ich wol nicht kommen. Vielleicht zu Ostern; zu welcher Zeit ich vielleicht auch, ich weis es aber noch nicht gewis, die Universität Göttingen beziehen wil. Es ist aber sehr ungewis, das Leztere. Übrigens müste ich ia doch eine eigne Stube für mich haben bei35 Ihnen; und das wäre auch ein Anstos. Vielleicht aber könt' ich auch in
Leipzig — oder A Monsieur, Monsieur Richter, homme de lettres à Leipsik.
Was Sie dem Rektor wegen der Aukzion geben ſollen, weis ich nicht. Mühe hat er gehabt. Sie können ihn ia ſelbſt darum bitten. — Was macht der Samuel und mein Hund? —5
28. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich bin weniger darüber erſchrokken, daß mein Bruder ein Soldat iſt, als daß Sie ſich darum ſo ſehr ängſtigen. Freilich wär’ es beſſer, wenn er bei ſeinem Metier geblieben wäre; aber doch, wenn man bedenkt,10 wie liederlich er immer war und wie er immer ſelbſt verurſachte, daß ihn kein Herr lange behielte, wenn man dies bedenkt, ſo iſt der Schaden ſo gros nicht. Denn Sie irren Sich ſehr, wenn Sie den Soldatenſtand für etwas verächtliches halten. Sind denn nicht Edelleute, Grafen, und Fürſtenſöhne Soldaten? Ein Soldat iſt etwas beſſers als ein15 Barbier. Der Adam kan wol ia auch avanciren, wenn er lang iſt und ſich gut aufführt. Iſt ia der alten Fr. Pfarrerin in Ködiz ihr Sohn auch einer, und hat es iezt vielleicht beſſer und bequemer als ihr Sohn der Pfarrer in Ködiz. Ein Soldat hat es ſelbſt im Kriege beſſer als andre Leute; die müſſen ſich plündern laſſen und können ſich mit nichts20 gegen ihren Feind verteidigen, allein ein Soldat nicht. Mein Bruder wirds nun auch wol bleiben. Aus dem Himmel und der Hölle iſt keine Erlöſung. An Werber hilft alſo alles Schreiben nichts. Denn auf den komt es gar nicht mehr. Hier hat nur der General etwas zu ſagen. Ein Brief hilft ſoviel als nichts, zumal da er im Dienſte des Landesherren25 iſt. Schreiben Sie meinem Bruder, daß er ſich gut aufführt; für das Übrige wird Got ſorgen. Und kümmern Sie Sich ia nicht ſo ſer darüber; es iſt doch nicht zu ändern, und legen Sie nur die falſchen, verächt- lichen Begriffe vom Soldatenſtand ab, ohne den der Staat gar nicht beſtehen kan. — Nun zur Beantwortung des übrigen Briefs. — An30 den Pfarrer in Rehau kan ich wegen vielerlei Urſachen nicht ſchreiben. [49]— Sobald nach Hof werd’ ich wol nicht kommen. Vielleicht zu Oſtern; zu welcher Zeit ich vielleicht auch, ich weis es aber noch nicht gewis, die Univerſität Göttingen beziehen wil. Es iſt aber ſehr ungewis, das Leztere. Übrigens müſte ich ia doch eine eigne Stube für mich haben bei35 Ihnen; und das wäre auch ein Anſtos. Vielleicht aber könt’ ich auch in
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Leipzig — oder A Monsieur, Monsieur Richter, homme de lettres
à Leipsik.
Was Sie dem Rektor wegen der Aukzion geben ſollen, weis ich
nicht. Mühe hat er gehabt. Sie können ihn ia ſelbſt darum bitten. —
Was macht der Samuel und mein Hund? — 5
28. An Frau Richter in Hof.
Liebe Mama!
Ich bin weniger darüber erſchrokken, daß mein Bruder ein Soldat
iſt, als daß Sie ſich darum ſo ſehr ängſtigen. Freilich wär’ es beſſer,
wenn er bei ſeinem Metier geblieben wäre; aber doch, wenn man bedenkt, 10
wie liederlich er immer war und wie er immer ſelbſt verurſachte, daß
ihn kein Herr lange behielte, wenn man dies bedenkt, ſo iſt der Schaden
ſo gros nicht. Denn Sie irren Sich ſehr, wenn Sie den Soldatenſtand
für etwas verächtliches halten. Sind denn nicht Edelleute, Grafen,
und Fürſtenſöhne Soldaten? Ein Soldat iſt etwas beſſers als ein 15
Barbier. Der Adam kan wol ia auch avanciren, wenn er lang iſt und
ſich gut aufführt. Iſt ia der alten Fr. Pfarrerin in Ködiz ihr Sohn
auch einer, und hat es iezt vielleicht beſſer und bequemer als ihr Sohn
der Pfarrer in Ködiz. Ein Soldat hat es ſelbſt im Kriege beſſer als
andre Leute; die müſſen ſich plündern laſſen und können ſich mit nichts 20
gegen ihren Feind verteidigen, allein ein Soldat nicht. Mein Bruder
wirds nun auch wol bleiben. Aus dem Himmel und der Hölle iſt keine
Erlöſung. An Werber hilft alſo alles Schreiben nichts. Denn auf den
komt es gar nicht mehr. Hier hat nur der General etwas zu ſagen. Ein
Brief hilft ſoviel als nichts, zumal da er im Dienſte des Landesherren 25
iſt. Schreiben Sie meinem Bruder, daß er ſich gut aufführt; für das
Übrige wird Got ſorgen. Und kümmern Sie Sich ia nicht ſo ſer darüber;
es iſt doch nicht zu ändern, und legen Sie nur die falſchen, verächt-
lichen Begriffe vom Soldatenſtand ab, ohne den der Staat gar nicht
beſtehen kan. — Nun zur Beantwortung des übrigen Briefs. — An 30
den Pfarrer in Rehau kan ich wegen vielerlei Urſachen nicht ſchreiben.
— Sobald nach Hof werd’ ich wol nicht kommen. Vielleicht zu Oſtern;
zu welcher Zeit ich vielleicht auch, ich weis es aber noch nicht gewis,
die Univerſität Göttingen beziehen wil. Es iſt aber ſehr ungewis, das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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