Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.P. S. Und hat die Vorsehung Ihnen nicht früher die Trösterin [Adr.] An meinen geliebten und geehrten kranken Heim. *158. An Lydie (Charlotte Schütz) in Leipzig. Baireuth d. 21 Febr. 1816Welche Schuld hätt' ich durch mein Zögern auf mich geladen, Mit Freude und Schmerz bin ich Ihnen in Ihre Zeiten des kind- Am meisten bewundere ich Ihre -- gewiß für Ihr späteres Glück P. S. Und hat die Vorſehung Ihnen nicht früher die Tröſterin [Adr.] An meinen geliebten und geehrten kranken Heim. *158. An Lydie (Charlotte Schütz) in Leipzig. Baireuth d. 21 Febr. 1816Welche Schuld hätt’ ich durch mein Zögern auf mich geladen, Mit Freude und Schmerz bin ich Ihnen in Ihre Zeiten des kind- Am meiſten bewundere ich Ihre — gewiß für Ihr ſpäteres Glück <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0064" n="59"/> <postscript> <p><hi rendition="#aq">P. S.</hi> Und hat die Vorſehung Ihnen nicht früher die Tröſterin<lb/> geſchickt als den Schmerz? Eine ſolche Tochter — Welcher Vater<lb/> hat Ihre Freude? Sie ſelber wird gar nicht fragen: Welche Tochter<lb/> hat meinen Schmerz? Denn alles löſet ſich auf in Ein Herz und ein<lb/> Vertrauen der Zukunft.<lb n="5"/> </p> </postscript> <trailer> <address> <addrLine>[Adr.] An meinen geliebten und geehrten kranken Heim.</addrLine> </address> </trailer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>*158. An <hi rendition="#g">Lydie (Charlotte Schütz) in Leipzig.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireuth</hi> d. 21 Febr. 1816</hi> </dateline><lb/> <p>Welche Schuld hätt’ ich durch mein Zögern auf mich geladen,<lb/> wenn Sie mir nicht ſelber durch das Ihrige im Briefe vom 15<hi rendition="#sup">ten</hi><lb n="10"/> März das Muſter oder die Entſchuldigung gegeben hätten, und wenn<lb/> zweitens durch die größere Pünktlichkeit noch ein Abdruck für die<lb/> Oſtermeſſe <hi rendition="#g">buchhändleriſch</hi> möglich geweſen wäre — Für die<lb/> Michaelismeſſe hingegen iſt noch reichliche Zeit übrig, ſogar bei<lb/> Verſtärkung des Werkes. —<lb n="15"/> </p> <p>Mit Freude und Schmerz bin ich Ihnen in Ihre Zeiten des kind-<lb/> lichen <hi rendition="#g">Flors</hi> zurück gefolgt, ein ohne Wortſpiel doppelſinniger Flor,<lb/> der der Blüte und der andere Flor, womit Gärtner oft ſeltne Blumen<lb/> bedecken, damit keine Inſekten gemeinen Blumenſtaub auf ſie<lb/> tragen. —<lb n="20"/> </p> <p>Am meiſten bewundere ich Ihre — gewiß für Ihr ſpäteres Glück<lb/> zu übermächtige — Kraft der Reflexion, die ſogar durch das dicke<lb/> Dunkel der erſten Jahre dringt. Hier iſt Ihr Buch völlig dem Leben<lb/> Anton Reiſers (Moriz) ähnlich, und eben ſo nützlich. Eine ſolche<lb/> misverſtandene Kindheit iſt das beſte Predigtbuch für den Erzieher.<lb n="25"/> Freilich jedes Kind wird <hi rendition="#g">anders</hi> misverſtanden und verzogen und<lb/> zerzogen; aber Ihre Geſchichte weckt und ſchärft überhaupt den Sinn<lb/> für die Kinderherzen, was ſo nöthig iſt und ſelten; denn man fühlt ſich<lb/> leichter voraus und hinauf als zurück und hinab; die Knoſpe fühlt<lb/> ſich der Blume näher als dem Blatte. — Ihre Darſtellung ſelber iſt<lb n="30"/> — einige grammatiſche Dintenflecken abgerechnet — <hi rendition="#g">rein, klar</hi> und<lb/><hi rendition="#g">ergreifend</hi> und die Geſchichte erfreuet mit allem Intereſſe eines<lb/> Romans. — Vor Ihren ſpätern Jahren, beſonders denen der Liebe,<lb/> fürchtet man ſich ordentlich; Ihr Leben muß ein tropiſches geworden<lb/> ſein, voll Tages Brand und Nachtfroſt. Nur Ihre Reflexion wird<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0064]
P. S. Und hat die Vorſehung Ihnen nicht früher die Tröſterin
geſchickt als den Schmerz? Eine ſolche Tochter — Welcher Vater
hat Ihre Freude? Sie ſelber wird gar nicht fragen: Welche Tochter
hat meinen Schmerz? Denn alles löſet ſich auf in Ein Herz und ein
Vertrauen der Zukunft. 5
[Adr.] An meinen geliebten und geehrten kranken Heim.
*158. An Lydie (Charlotte Schütz) in Leipzig.
Baireuth d. 21 Febr. 1816
Welche Schuld hätt’ ich durch mein Zögern auf mich geladen,
wenn Sie mir nicht ſelber durch das Ihrige im Briefe vom 15ten 10
März das Muſter oder die Entſchuldigung gegeben hätten, und wenn
zweitens durch die größere Pünktlichkeit noch ein Abdruck für die
Oſtermeſſe buchhändleriſch möglich geweſen wäre — Für die
Michaelismeſſe hingegen iſt noch reichliche Zeit übrig, ſogar bei
Verſtärkung des Werkes. — 15
Mit Freude und Schmerz bin ich Ihnen in Ihre Zeiten des kind-
lichen Flors zurück gefolgt, ein ohne Wortſpiel doppelſinniger Flor,
der der Blüte und der andere Flor, womit Gärtner oft ſeltne Blumen
bedecken, damit keine Inſekten gemeinen Blumenſtaub auf ſie
tragen. — 20
Am meiſten bewundere ich Ihre — gewiß für Ihr ſpäteres Glück
zu übermächtige — Kraft der Reflexion, die ſogar durch das dicke
Dunkel der erſten Jahre dringt. Hier iſt Ihr Buch völlig dem Leben
Anton Reiſers (Moriz) ähnlich, und eben ſo nützlich. Eine ſolche
misverſtandene Kindheit iſt das beſte Predigtbuch für den Erzieher. 25
Freilich jedes Kind wird anders misverſtanden und verzogen und
zerzogen; aber Ihre Geſchichte weckt und ſchärft überhaupt den Sinn
für die Kinderherzen, was ſo nöthig iſt und ſelten; denn man fühlt ſich
leichter voraus und hinauf als zurück und hinab; die Knoſpe fühlt
ſich der Blume näher als dem Blatte. — Ihre Darſtellung ſelber iſt 30
— einige grammatiſche Dintenflecken abgerechnet — rein, klar und
ergreifend und die Geſchichte erfreuet mit allem Intereſſe eines
Romans. — Vor Ihren ſpätern Jahren, beſonders denen der Liebe,
fürchtet man ſich ordentlich; Ihr Leben muß ein tropiſches geworden
ſein, voll Tages Brand und Nachtfroſt. Nur Ihre Reflexion wird 35
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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