Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
verschaffen können, selbst auf den kläresten dogmatischen Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.
Aller Zuwachs des empirischen Erkentnisses, und ie- der Fortschritt der Wahrnehmung ist nichts, als eine Er- weiterung der Bestimmung des innern Sinnes, d. i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenstände mögen seyn, welche sie wollen, Erscheinungen, oder reine Anschauungen. Die- ser Fortgang in der Zeit bestimt alles, und ist an sich selbst durch nichts weiter bestimt, d. i. die Theile desselben sind nur in der Zeit, und durch die Synthesis derselben, sie aber nicht vor ihr gegeben: Um deswillen ist ein ieder Uebergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung, und da iene, immer und in allen ihren Theilen, eine Grösse ist, die Erzeugung einer Wahr- nehmung als einer Grösse durch alle Grade, deren keiner der kleinste ist, von dem Zero an, bis zu ihrem bestimten Grad. Hieraus erhellet nun die Möglichkeit, ein Gesetz der Veränderungen, ihrer Form nach, a priori zu erken- nen. Wir anticipiren nur unsere eigene Apprehension, deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung selbst beywohnt, allerdings a priori muß er- kant werden können.
So ist demnach, eben so, wie die Zeit die sinnliche Bedingung a priori von der Möglichkeit eines continuirli- chen Fortganges des Existirenden zu dem folgenden enthält, der Verstand, vermittelst der Einheit der Apperception,
die
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
verſchaffen koͤnnen, ſelbſt auf den klaͤreſten dogmatiſchen Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.
Aller Zuwachs des empiriſchen Erkentniſſes, und ie- der Fortſchritt der Wahrnehmung iſt nichts, als eine Er- weiterung der Beſtimmung des innern Sinnes, d. i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenſtaͤnde moͤgen ſeyn, welche ſie wollen, Erſcheinungen, oder reine Anſchauungen. Die- ſer Fortgang in der Zeit beſtimt alles, und iſt an ſich ſelbſt durch nichts weiter beſtimt, d. i. die Theile deſſelben ſind nur in der Zeit, und durch die Syntheſis derſelben, ſie aber nicht vor ihr gegeben: Um deswillen iſt ein ieder Uebergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Beſtimmung der Zeit durch die Erzeugung dieſer Wahrnehmung, und da iene, immer und in allen ihren Theilen, eine Groͤſſe iſt, die Erzeugung einer Wahr- nehmung als einer Groͤſſe durch alle Grade, deren keiner der kleinſte iſt, von dem Zero an, bis zu ihrem beſtimten Grad. Hieraus erhellet nun die Moͤglichkeit, ein Geſetz der Veraͤnderungen, ihrer Form nach, a priori zu erken- nen. Wir anticipiren nur unſere eigene Apprehenſion, deren formale Bedingung, da ſie uns vor aller gegebenen Erſcheinung ſelbſt beywohnt, allerdings a priori muß er- kant werden koͤnnen.
So iſt demnach, eben ſo, wie die Zeit die ſinnliche Bedingung a priori von der Moͤglichkeit eines continuirli- chen Fortganges des Exiſtirenden zu dem folgenden enthaͤlt, der Verſtand, vermittelſt der Einheit der Apperception,
die
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
verſchaffen koͤnnen, ſelbſt auf den klaͤreſten dogmatiſchen
Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.
Aller Zuwachs des empiriſchen Erkentniſſes, und ie-
der Fortſchritt der Wahrnehmung iſt nichts, als eine Er-
weiterung der Beſtimmung des innern Sinnes, d. i. ein
Fortgang in der Zeit, die Gegenſtaͤnde moͤgen ſeyn, welche
ſie wollen, Erſcheinungen, oder reine Anſchauungen. Die-
ſer Fortgang in der Zeit beſtimt alles, und iſt an ſich ſelbſt
durch nichts weiter beſtimt, d. i. die Theile deſſelben ſind
nur in der Zeit, und durch die Syntheſis derſelben, ſie
aber nicht vor ihr gegeben: Um deswillen iſt ein ieder
Uebergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der
Zeit folgt, eine Beſtimmung der Zeit durch die Erzeugung
dieſer Wahrnehmung, und da iene, immer und in allen
ihren Theilen, eine Groͤſſe iſt, die Erzeugung einer Wahr-
nehmung als einer Groͤſſe durch alle Grade, deren keiner
der kleinſte iſt, von dem Zero an, bis zu ihrem beſtimten
Grad. Hieraus erhellet nun die Moͤglichkeit, ein Geſetz
der Veraͤnderungen, ihrer Form nach, a priori zu erken-
nen. Wir anticipiren nur unſere eigene Apprehenſion,
deren formale Bedingung, da ſie uns vor aller gegebenen
Erſcheinung ſelbſt beywohnt, allerdings a priori muß er-
kant werden koͤnnen.
So iſt demnach, eben ſo, wie die Zeit die ſinnliche
Bedingung a priori von der Moͤglichkeit eines continuirli-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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