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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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innerlich seiner Abreise in die Ferne, welche zu
einem feurigen Briefwechsel die willkommene Ge¬
legenheit gab. Wir erhoben nun unser Verhält¬
niß zu einer idealen Freundschaft, nicht getrübt
von dem persönlichen Zusammensein, und boten
in regelmäßigen Briefen die ganze Beredsamkeit
jugendlicher Begeisterung auf. Nicht ohne Selbst¬
gefälligkeit und Absicht suchte ich meine Episteln
so schön und schwungreich als immer möglich zu
schreiben und es kostete mich viele Uebung im
Nachdenken, meine unerfahrene Philosophie eini¬
germaßen in Form und Zusammenhang zu brin¬
gen, weil die bisher erworbene Gestaltungskraft
beim Zeichnen und damit verbundene Einsicht in
meine Schreibübungen überging und mich auch
ohne Logik ein Bedürfniß von Harmonie empfin¬
den ließ. Leichter wurde es, den ernsten Theil
der Briefe in ein Gewand ausschweifender Phan¬
tasie zu hüllen und mit dem bei meinem Jean
Paul gelernten Humor zu verbrämen; allein wie
sehr ich mich auch erhitzte und allen meinen Eifer
aufbot, so übertrafen die Antworten des Freundes
dieses Alles jedesmal sowohl an reiferen und

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innerlich ſeiner Abreiſe in die Ferne, welche zu
einem feurigen Briefwechſel die willkommene Ge¬
legenheit gab. Wir erhoben nun unſer Verhaͤlt¬
niß zu einer idealen Freundſchaft, nicht getruͤbt
von dem perſoͤnlichen Zuſammenſein, und boten
in regelmaͤßigen Briefen die ganze Beredſamkeit
jugendlicher Begeiſterung auf. Nicht ohne Selbſt¬
gefaͤlligkeit und Abſicht ſuchte ich meine Epiſteln
ſo ſchoͤn und ſchwungreich als immer moͤglich zu
ſchreiben und es koſtete mich viele Uebung im
Nachdenken, meine unerfahrene Philoſophie eini¬
germaßen in Form und Zuſammenhang zu brin¬
gen, weil die bisher erworbene Geſtaltungskraft
beim Zeichnen und damit verbundene Einſicht in
meine Schreibuͤbungen uͤberging und mich auch
ohne Logik ein Beduͤrfniß von Harmonie empfin¬
den ließ. Leichter wurde es, den ernſten Theil
der Briefe in ein Gewand ausſchweifender Phan¬
taſie zu huͤllen und mit dem bei meinem Jean
Paul gelernten Humor zu verbraͤmen; allein wie
ſehr ich mich auch erhitzte und allen meinen Eifer
aufbot, ſo uͤbertrafen die Antworten des Freundes
dieſes Alles jedesmal ſowohl an reiferen und

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[209/0219] innerlich ſeiner Abreiſe in die Ferne, welche zu einem feurigen Briefwechſel die willkommene Ge¬ legenheit gab. Wir erhoben nun unſer Verhaͤlt¬ niß zu einer idealen Freundſchaft, nicht getruͤbt von dem perſoͤnlichen Zuſammenſein, und boten in regelmaͤßigen Briefen die ganze Beredſamkeit jugendlicher Begeiſterung auf. Nicht ohne Selbſt¬ gefaͤlligkeit und Abſicht ſuchte ich meine Epiſteln ſo ſchoͤn und ſchwungreich als immer moͤglich zu ſchreiben und es koſtete mich viele Uebung im Nachdenken, meine unerfahrene Philoſophie eini¬ germaßen in Form und Zuſammenhang zu brin¬ gen, weil die bisher erworbene Geſtaltungskraft beim Zeichnen und damit verbundene Einſicht in meine Schreibuͤbungen uͤberging und mich auch ohne Logik ein Beduͤrfniß von Harmonie empfin¬ den ließ. Leichter wurde es, den ernſten Theil der Briefe in ein Gewand ausſchweifender Phan¬ taſie zu huͤllen und mit dem bei meinem Jean Paul gelernten Humor zu verbraͤmen; allein wie ſehr ich mich auch erhitzte und allen meinen Eifer aufbot, ſo uͤbertrafen die Antworten des Freundes dieſes Alles jedesmal ſowohl an reiferen und II. 14

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/219>, abgerufen am 23.11.2024.