weißen Hut abnehmend, stand sie vor dem Bie¬ nenhause einige Zeit still und schien die fleißigen Thierchen mit Wohlgefallen zu betrachten; mit noch größerem Wohlgefallen betrachtete ich jedoch sie, welche so ruhig vor meinem verborgenen Geheimnisse stand, und ich bildete mir ein, daß die Ahnung desselben sie an der blühenden und lieblichen Stelle festhalte. Als sie herauf kam, zeigte sie jene zufriedene Fröhlichkeit Andächtiger, welche aus der Kirche kommen, und machte sich nun ein wenig lauter und zugänglicher, als vor¬ her. Beim Mittagessen, wo ich wieder neben ihr zu sitzen kam, begann jedoch meine herb an¬ nehmliche Schule wieder. An Sonn- und Fest¬ tagen glich der Tisch meines Oheims ganz seinem Hause und zeigte dessen merkwürdige und male¬ rische Zusammensetzung in allen Stücken. Drei Viertheile desselben, von der Jugend und den Dienstleuten besetzt, trugen große ländliche Schüs¬ seln mit den entsprechenden Speisen: mächtige Stücke Rindfleisch und gewaltige Schinken. Neuer Wein aus einem großen Kruge wurde in einfache grünliche Gläser geschenkt, Messer und Gabeln
weißen Hut abnehmend, ſtand ſie vor dem Bie¬ nenhauſe einige Zeit ſtill und ſchien die fleißigen Thierchen mit Wohlgefallen zu betrachten; mit noch groͤßerem Wohlgefallen betrachtete ich jedoch ſie, welche ſo ruhig vor meinem verborgenen Geheimniſſe ſtand, und ich bildete mir ein, daß die Ahnung deſſelben ſie an der bluͤhenden und lieblichen Stelle feſthalte. Als ſie herauf kam, zeigte ſie jene zufriedene Froͤhlichkeit Andaͤchtiger, welche aus der Kirche kommen, und machte ſich nun ein wenig lauter und zugaͤnglicher, als vor¬ her. Beim Mittageſſen, wo ich wieder neben ihr zu ſitzen kam, begann jedoch meine herb an¬ nehmliche Schule wieder. An Sonn- und Feſt¬ tagen glich der Tiſch meines Oheims ganz ſeinem Hauſe und zeigte deſſen merkwuͤrdige und male¬ riſche Zuſammenſetzung in allen Stuͤcken. Drei Viertheile deſſelben, von der Jugend und den Dienſtleuten beſetzt, trugen große laͤndliche Schuͤſ¬ ſeln mit den entſprechenden Speiſen: maͤchtige Stuͤcke Rindfleiſch und gewaltige Schinken. Neuer Wein aus einem großen Kruge wurde in einfache gruͤnliche Glaͤſer geſchenkt, Meſſer und Gabeln
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weißen Hut abnehmend, ſtand ſie vor dem Bie¬
nenhauſe einige Zeit ſtill und ſchien die fleißigen
Thierchen mit Wohlgefallen zu betrachten; mit
noch groͤßerem Wohlgefallen betrachtete ich jedoch
ſie, welche ſo ruhig vor meinem verborgenen
Geheimniſſe ſtand, und ich bildete mir ein, daß
die Ahnung deſſelben ſie an der bluͤhenden und
lieblichen Stelle feſthalte. Als ſie herauf kam,
zeigte ſie jene zufriedene Froͤhlichkeit Andaͤchtiger,
welche aus der Kirche kommen, und machte ſich
nun ein wenig lauter und zugaͤnglicher, als vor¬
her. Beim Mittageſſen, wo ich wieder neben
ihr zu ſitzen kam, begann jedoch meine herb an¬
nehmliche Schule wieder. An Sonn- und Feſt¬
tagen glich der Tiſch meines Oheims ganz ſeinem
Hauſe und zeigte deſſen merkwuͤrdige und male¬
riſche Zuſammenſetzung in allen Stuͤcken. Drei
Viertheile deſſelben, von der Jugend und den
Dienſtleuten beſetzt, trugen große laͤndliche Schuͤſ¬
ſeln mit den entſprechenden Speiſen: maͤchtige
Stuͤcke Rindfleiſch und gewaltige Schinken. Neuer
Wein aus einem großen Kruge wurde in einfache
gruͤnliche Glaͤſer geſchenkt, Meſſer und Gabeln
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/249>, abgerufen am 23.11.2024.
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