Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

trische Eigenschaften und ziehet den Blitz an;
aber dann verbrennt er und riecht wie Weih¬
rauch. Der Magnet zieht Eisen an, auf die
Schiefertafeln kann man schreiben, aber nicht auf
den Diamant, denn dieser ist hart wie Stahl;
auch gebraucht ihn der Glaser zum Glasschneiden,
weil er klein und spitzig ist. Ihr sehet, liebe
Freunde, daß ich auch ein Weniges von den
Thieren zu sagen weiß! Was aber mein Ver¬
hältniß zu ihnen betrifft, so ist dies zu bemerken:
Die Katze ist ein schlaues und listiges Thier
und ist daher nur schlauen und listigen Menschen
anhänglich; die Taube aber ist ein Sinnbild der
Unschuld und Einfalt und kann sich nur von
einfältigen, schuldlosen Seelen angezogen fühlen.
Da mir nun Katzen und Tauben anhänglich sind,
so folgt hieraus, daß ich klug und einfältig, schlau
und unschuldig zugleich bin, wie es denn auch
heißt: Seid klug wie die Schlangen und einfäl¬
tig wie die Tauben! Auf diese Weise können
wir allerdings die Thiere und ihr Verhältniß zu
uns würdigen und manches daraus lernen, wenn
wir die Sache recht zu betrachten wissen."

Die armen Gesellen wagten nicht ein Wort

triſche Eigenſchaften und ziehet den Blitz an;
aber dann verbrennt er und riecht wie Weih¬
rauch. Der Magnet zieht Eiſen an, auf die
Schiefertafeln kann man ſchreiben, aber nicht auf
den Diamant, denn dieſer iſt hart wie Stahl;
auch gebraucht ihn der Glaſer zum Glasſchneiden,
weil er klein und ſpitzig iſt. Ihr ſehet, liebe
Freunde, daß ich auch ein Weniges von den
Thieren zu ſagen weiß! Was aber mein Ver¬
hältniß zu ihnen betrifft, ſo iſt dies zu bemerken:
Die Katze iſt ein ſchlaues und liſtiges Thier
und iſt daher nur ſchlauen und liſtigen Menſchen
anhänglich; die Taube aber iſt ein Sinnbild der
Unſchuld und Einfalt und kann ſich nur von
einfältigen, ſchuldloſen Seelen angezogen fühlen.
Da mir nun Katzen und Tauben anhänglich ſind,
ſo folgt hieraus, daß ich klug und einfältig, ſchlau
und unſchuldig zugleich bin, wie es denn auch
heißt: Seid klug wie die Schlangen und einfäl¬
tig wie die Tauben! Auf dieſe Weiſe können
wir allerdings die Thiere und ihr Verhältniß zu
uns würdigen und manches daraus lernen, wenn
wir die Sache recht zu betrachten wiſſen.«

Die armen Geſellen wagten nicht ein Wort

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0440" n="428"/>
tri&#x017F;che Eigen&#x017F;chaften und ziehet den Blitz an;<lb/>
aber dann verbrennt er und riecht wie Weih¬<lb/>
rauch. Der Magnet zieht Ei&#x017F;en an, auf die<lb/>
Schiefertafeln kann man &#x017F;chreiben, aber nicht auf<lb/>
den Diamant, denn die&#x017F;er i&#x017F;t hart wie Stahl;<lb/>
auch gebraucht ihn der Gla&#x017F;er zum Glas&#x017F;chneiden,<lb/>
weil er klein und &#x017F;pitzig i&#x017F;t. Ihr &#x017F;ehet, liebe<lb/>
Freunde, daß ich auch ein Weniges von den<lb/>
Thieren zu &#x017F;agen weiß! Was aber mein Ver¬<lb/>
hältniß zu ihnen betrifft, &#x017F;o i&#x017F;t dies zu bemerken:<lb/>
Die Katze i&#x017F;t ein &#x017F;chlaues und li&#x017F;tiges Thier<lb/>
und i&#x017F;t daher nur &#x017F;chlauen und li&#x017F;tigen Men&#x017F;chen<lb/>
anhänglich; die Taube aber i&#x017F;t ein Sinnbild der<lb/>
Un&#x017F;chuld und Einfalt und kann &#x017F;ich nur von<lb/>
einfältigen, &#x017F;chuldlo&#x017F;en Seelen angezogen fühlen.<lb/>
Da mir nun Katzen und Tauben anhänglich &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;o folgt hieraus, daß ich klug und einfältig, &#x017F;chlau<lb/>
und un&#x017F;chuldig zugleich bin, wie es denn auch<lb/>
heißt: Seid klug wie die Schlangen und einfäl¬<lb/>
tig wie die Tauben! Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e können<lb/>
wir allerdings die Thiere und ihr Verhältniß zu<lb/>
uns würdigen und manches daraus lernen, wenn<lb/>
wir die Sache recht zu betrachten wi&#x017F;&#x017F;en.«</p><lb/>
        <p>Die armen Ge&#x017F;ellen wagten nicht ein Wort<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0440] triſche Eigenſchaften und ziehet den Blitz an; aber dann verbrennt er und riecht wie Weih¬ rauch. Der Magnet zieht Eiſen an, auf die Schiefertafeln kann man ſchreiben, aber nicht auf den Diamant, denn dieſer iſt hart wie Stahl; auch gebraucht ihn der Glaſer zum Glasſchneiden, weil er klein und ſpitzig iſt. Ihr ſehet, liebe Freunde, daß ich auch ein Weniges von den Thieren zu ſagen weiß! Was aber mein Ver¬ hältniß zu ihnen betrifft, ſo iſt dies zu bemerken: Die Katze iſt ein ſchlaues und liſtiges Thier und iſt daher nur ſchlauen und liſtigen Menſchen anhänglich; die Taube aber iſt ein Sinnbild der Unſchuld und Einfalt und kann ſich nur von einfältigen, ſchuldloſen Seelen angezogen fühlen. Da mir nun Katzen und Tauben anhänglich ſind, ſo folgt hieraus, daß ich klug und einfältig, ſchlau und unſchuldig zugleich bin, wie es denn auch heißt: Seid klug wie die Schlangen und einfäl¬ tig wie die Tauben! Auf dieſe Weiſe können wir allerdings die Thiere und ihr Verhältniß zu uns würdigen und manches daraus lernen, wenn wir die Sache recht zu betrachten wiſſen.« Die armen Geſellen wagten nicht ein Wort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/440
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/440>, abgerufen am 23.11.2024.