Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

über den Ursprung der Sprachen.
schaften, Werkzeuge, Kleidungen und Gerichte, die
einst daraus verfertiget werden sollten -- für tausend
Handlungen und Arbeiten, die sie noch nie verrichtet
hatten? -- Wenn man den ersten Menschen eine schon
ganz fertige Sprache in den Mund legt, so ist man
wohl genöthiget ihm auch Begriffe und Kenntniße
zuzumuthen, sonst spräche er Worte wie der Papa-
gay. Es muß daher nothwendig die göttliche Ein-
gebung einer schon ausgebildeten Vernunft und Wis-
senschaft (scientia infusa) vorausgesetzt werden.

§. 25.

Adelung sagt:(*) 1. "Die Sprache von Gott
"erfinden oder dem Menschen unmittelbar offenba-
"ren lassen, ist freylich sehr bequem, hat aber auch
"außer dieser Bequemlichkeit nichts für sich aufzu-
"weisen. Der ganze Bau der Sprache zeigt, daß
"sie sehr menschlich ist. 2. Daß der Mensch sie
"nicht von ungefähr und noch weniger zur Lust
"und aus lieber langer Weile erfunden, sondern
"das Bedürfniß zu sprechen auf das innigste mit
"seiner Natur und Bestimmung zum gesellschaftli-

chen
D 2

uͤber den Urſprung der Sprachen.
ſchaften, Werkzeuge, Kleidungen und Gerichte, die
einſt daraus verfertiget werden ſollten — fuͤr tauſend
Handlungen und Arbeiten, die ſie noch nie verrichtet
hatten? — Wenn man den erſten Menſchen eine ſchon
ganz fertige Sprache in den Mund legt, ſo iſt man
wohl genoͤthiget ihm auch Begriffe und Kenntniße
zuzumuthen, ſonſt ſpraͤche er Worte wie der Papa-
gay. Es muß daher nothwendig die goͤttliche Ein-
gebung einer ſchon ausgebildeten Vernunft und Wiſ-
ſenſchaft (ſcientia infuſa) vorausgeſetzt werden.

§. 25.

Adelung ſagt:(*) 1. „Die Sprache von Gott
„erfinden oder dem Menſchen unmittelbar offenba-
„ren laſſen, iſt freylich ſehr bequem, hat aber auch
„außer dieſer Bequemlichkeit nichts fuͤr ſich aufzu-
„weiſen. Der ganze Bau der Sprache zeigt, daß
„ſie ſehr menſchlich iſt. 2. Daß der Menſch ſie
„nicht von ungefaͤhr und noch weniger zur Luſt
„und aus lieber langer Weile erfunden, ſondern
„das Beduͤrfniß zu ſprechen auf das innigſte mit
„ſeiner Natur und Beſtimmung zum geſellſchaftli-

chen
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0079" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung der Sprachen</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chaften, Werkzeuge, Kleidungen und Gerichte, die<lb/>
ein&#x017F;t daraus verfertiget werden &#x017F;ollten &#x2014; fu&#x0364;r tau&#x017F;end<lb/>
Handlungen und Arbeiten, die &#x017F;ie noch nie verrichtet<lb/>
hatten? &#x2014; Wenn man den er&#x017F;ten Men&#x017F;chen eine &#x017F;chon<lb/>
ganz fertige Sprache in den Mund legt, &#x017F;o i&#x017F;t man<lb/>
wohl geno&#x0364;thiget ihm auch Begriffe und Kenntniße<lb/>
zuzumuthen, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;pra&#x0364;che er Worte wie der Papa-<lb/>
gay. Es muß daher nothwendig die go&#x0364;ttliche Ein-<lb/>
gebung einer &#x017F;chon ausgebildeten Vernunft und Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft (<hi rendition="#aq">&#x017F;cientia infu&#x017F;a</hi>) vorausge&#x017F;etzt werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 25.</head><lb/>
          <p>Adelung &#x017F;agt:(*) 1. &#x201E;Die Sprache von Gott<lb/>
&#x201E;erfinden oder dem Men&#x017F;chen unmittelbar offenba-<lb/>
&#x201E;ren la&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t freylich &#x017F;ehr bequem, hat aber auch<lb/>
&#x201E;außer die&#x017F;er Bequemlichkeit nichts fu&#x0364;r &#x017F;ich aufzu-<lb/>
&#x201E;wei&#x017F;en. Der ganze Bau der Sprache zeigt, daß<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie &#x017F;ehr men&#x017F;chlich i&#x017F;t. 2. Daß der Men&#x017F;ch &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;nicht von ungefa&#x0364;hr und noch weniger zur Lu&#x017F;t<lb/>
&#x201E;und aus lieber langer Weile erfunden, &#x017F;ondern<lb/>
&#x201E;das Bedu&#x0364;rfniß zu &#x017F;prechen auf das innig&#x017F;te mit<lb/>
&#x201E;&#x017F;einer Natur und Be&#x017F;timmung zum ge&#x017F;ell&#x017F;chaftli-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0079] uͤber den Urſprung der Sprachen. ſchaften, Werkzeuge, Kleidungen und Gerichte, die einſt daraus verfertiget werden ſollten — fuͤr tauſend Handlungen und Arbeiten, die ſie noch nie verrichtet hatten? — Wenn man den erſten Menſchen eine ſchon ganz fertige Sprache in den Mund legt, ſo iſt man wohl genoͤthiget ihm auch Begriffe und Kenntniße zuzumuthen, ſonſt ſpraͤche er Worte wie der Papa- gay. Es muß daher nothwendig die goͤttliche Ein- gebung einer ſchon ausgebildeten Vernunft und Wiſ- ſenſchaft (ſcientia infuſa) vorausgeſetzt werden. §. 25. Adelung ſagt:(*) 1. „Die Sprache von Gott „erfinden oder dem Menſchen unmittelbar offenba- „ren laſſen, iſt freylich ſehr bequem, hat aber auch „außer dieſer Bequemlichkeit nichts fuͤr ſich aufzu- „weiſen. Der ganze Bau der Sprache zeigt, daß „ſie ſehr menſchlich iſt. 2. Daß der Menſch ſie „nicht von ungefaͤhr und noch weniger zur Luſt „und aus lieber langer Weile erfunden, ſondern „das Beduͤrfniß zu ſprechen auf das innigſte mit „ſeiner Natur und Beſtimmung zum geſellſchaftli- chen D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/79
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/79>, abgerufen am 23.11.2024.