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Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).

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Gleiche Bildung für Mann und Frau! Ein solcher Vergleich könnte nun auf zweierlei Weise gemacht werden. Entweder nämlich gäbe man den Söhnen dieselbe Ausbildung, welche die Töchter heute haben, oder man gäbe den Töchtern dieselbe Ausbildung, welche die Söhne heute haben. Auf beiderlei Art wären interessante Ver gleiche zu ermitteln. Würden die Söhne, nachdem sie die Bildung einer "höheren Töchter schule" genossen, ihre Staatsexamina noch mit derselben Auszeichnung be stehen wie bisher, so hätten sie damit den Beweis erbracht, daß ihre Jntelligenz der weiblichen entschieden überlegen ist und daß die schlechteste Schulbildung nichts daran zu ändern vermag. Und würden die Töchter nach Absolvierung von Gymnasium und Universität noch ebenso schlecht dispositionierte und mangelhaft interpunktierte deutsche Aufsätze schreiben wie bisher, so hätten sie damit den Beweis erbracht, daß ihre Jntelligenz der männlichen entschieden untergeordnet ist und daß die beste Schulbildung nichts daran zu ändern vermag. Sollte sich aber das überraschende Resultat ergeben, daß die höhere Töchterschulerziehung der Söhne doch irgend welchen hemmenden Einfluß auf deren Qualifikation zum höheren Staats dienst z. B., zum Gelehrtenberuf u. s. w. auszuüben vermöchte, sowie andererseits, daß die Gymnasial- und Universitätsbildung der Mädchen die berüchtigte "weibliche Logik" so ziemlich beseitigen würde - so wäre es meines Erachtens für kluge Leute nicht so schwer, hieraus den Schluß zu ziehen: "Die verschiedene Kultur hat die Schuld, nicht die verschiedene Natur. Weil die Töchter von ihrem sechsten bis zu ihrem zwanzigsten Jahre schlechter unterrichtet werden als die Söhne, darum sind auch ihre Leistungen schlechtere, darum müssen ihre Leistungen schlechtere sein. Jn der Wiege waren unsere Töchter nicht unwissender als unsere Söhne, sie sind es erst jetzt, nachdem sie erzogen worden." Sehen Sie, und da spricht dann der Mann von der angeborenen Jnferiorität des weiblichen Geschlechts! Für die angeborene Superiorität seines Geistes ist das ein schlagender Beweis, nicht wahr? Ob die weibliche Jntelligenz der männlichen inferior ist, das vermöchte man, wie gesagt, doch wohl erst zu konstatieren, nachdem man beide Jn telligenzen mit einander vergleichen konnte. Und vergleichen konnte man sie erst, nachdem man beiden die gleiche Entwicklungsmöglichkeit gegeben. Wo und wann hat man in unsern Vaterlande das gethan? Von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nie und nirgends. Also kann auch nie und nirgends in unserem Vaterlande der Beweis erbracht sein von der angeborenen Jnferiorität des weiblichen Geistes.
Gleiche Bildung für Mann und Frau! Ein solcher Vergleich könnte nun auf zweierlei Weise gemacht werden. Entweder nämlich gäbe man den Söhnen dieselbe Ausbildung, welche die Töchter heute haben, oder man gäbe den Töchtern dieselbe Ausbildung, welche die Söhne heute haben. Auf beiderlei Art wären interessante Ver­ gleiche zu ermitteln. Würden die Söhne, nachdem sie die Bildung einer „höheren Töchter­ schule“ genossen, ihre Staatsexamina noch mit derselben Auszeichnung be­ stehen wie bisher, so hätten sie damit den Beweis erbracht, daß ihre Jntelligenz der weiblichen entschieden überlegen ist und daß die schlechteste Schulbildung nichts daran zu ändern vermag. Und würden die Töchter nach Absolvierung von Gymnasium und Universität noch ebenso schlecht dispositionierte und mangelhaft interpunktierte deutsche Aufsätze schreiben wie bisher, so hätten sie damit den Beweis erbracht, daß ihre Jntelligenz der männlichen entschieden untergeordnet ist und daß die beste Schulbildung nichts daran zu ändern vermag. Sollte sich aber das überraschende Resultat ergeben, daß die höhere Töchterschulerziehung der Söhne doch irgend welchen hemmenden Einfluß auf deren Qualifikation zum höheren Staats­ dienst z. B., zum Gelehrtenberuf u. s. w. auszuüben vermöchte, sowie andererseits, daß die Gymnasial- und Universitätsbildung der Mädchen die berüchtigte „weibliche Logik“ so ziemlich beseitigen würde – so wäre es meines Erachtens für kluge Leute nicht so schwer, hieraus den Schluß zu ziehen: „Die verschiedene Kultur hat die Schuld, nicht die verschiedene Natur. Weil die Töchter von ihrem sechsten bis zu ihrem zwanzigsten Jahre schlechter unterrichtet werden als die Söhne, darum sind auch ihre Leistungen schlechtere, darum müssen ihre Leistungen schlechtere sein. Jn der Wiege waren unsere Töchter nicht unwissender als unsere Söhne, sie sind es erst jetzt, nachdem sie erzogen worden.“ Sehen Sie, und da spricht dann der Mann von der angeborenen Jnferiorität des weiblichen Geschlechts! Für die angeborene Superiorität seines Geistes ist das ein schlagender Beweis, nicht wahr? Ob die weibliche Jntelligenz der männlichen inferior ist, das vermöchte man, wie gesagt, doch wohl erst zu konstatieren, nachdem man beide Jn­ telligenzen mit einander vergleichen konnte. Und vergleichen konnte man sie erst, nachdem man beiden die gleiche Entwicklungsmöglichkeit gegeben. Wo und wann hat man in unsern Vaterlande das gethan? Von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nie und nirgends. Also kann auch nie und nirgends in unserem Vaterlande der Beweis erbracht sein von der angeborenen Jnferiorität des weiblichen Geistes.
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Zitationshilfe: Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6), S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891/14>, abgerufen am 23.11.2024.