Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Messias.
Aber die Stille ward stiller. Und Portia sah den Propheten,
Wie er gegen die Rede des Todfeinds dastand. Jhr Auge
Flammt' Entzückung, ihr Herz schlug lauter, und hohe Gedanken
Strömten herauf in ihr Haupt. Es war ihr, als hübe das neue,
Hohe Gefühl sie empor. Dann forscht sie mit feurigen Blicken,
Um sich herum, ob sie unter der Menge nicht edlere fände,
Welche mit ihr den Propheten bewunderten. Aber sie suchte
Gute Seelen umsonst, in einem Volke, das reif war
Bald gerichtet zu werden, zu stehn auf den flammenden Trümmern
Seines Tempels, in welchem nun nicht Jehovah mehr wohnte.
Einen bemerkte sie nur, der fern im untern Palaste,
Mit dem Haufen am Feuer sich wärmte. Sie schauten ihn wild an,
Und sie stritten mit ihm: Er widerlegte sie feurig.
Endlich schien ihm der Mut zu entsinken, und bleich und verwildert
Schaut er um sich herum, dann wieder auf den Propheten.
Ach, der Mann ist sein Freund, so dachte sie bey sich, er sucht ihn
Zu erretten, und will, daß dieser Pöbel die Wege
Die der Weise wandelt, begreife: wie sittsam er lebte;
Wie er ein Menschenfreund war, und Gutes ohne Geräusch that.
Aber sie fassen ihn nicht, und drohn, ihn auch vor den Pöbel
Der dort richtet, zu führen. Dafür erschrak er, und bebte
Vor dem Tode zurück, den ihm die Wütenden drohten.
Und ihn sandte vielleicht des Bedrängten Mutter, und fleht' ihm
Hingesunken in Thränen vor ihm, daß er ging', und vom Tode,
Ach, vom Tode, den Besten und Liebsten der Söhne befreite!
O wie wird sie vor Schmerz die liebenswürdige Mutter,
(Liebenswürdig ist sie, sonst hätte sie ihn nicht gebohren
Diesen
Der Meſſias.
Aber die Stille ward ſtiller. Und Portia ſah den Propheten,
Wie er gegen die Rede des Todfeinds daſtand. Jhr Auge
Flammt’ Entzuͤckung, ihr Herz ſchlug lauter, und hohe Gedanken
Stroͤmten herauf in ihr Haupt. Es war ihr, als huͤbe das neue,
Hohe Gefuͤhl ſie empor. Dann forſcht ſie mit feurigen Blicken,
Um ſich herum, ob ſie unter der Menge nicht edlere faͤnde,
Welche mit ihr den Propheten bewunderten. Aber ſie ſuchte
Gute Seelen umſonſt, in einem Volke, das reif war
Bald gerichtet zu werden, zu ſtehn auf den flammenden Truͤmmern
Seines Tempels, in welchem nun nicht Jehovah mehr wohnte.
Einen bemerkte ſie nur, der fern im untern Palaſte,
Mit dem Haufen am Feuer ſich waͤrmte. Sie ſchauten ihn wild an,
Und ſie ſtritten mit ihm: Er widerlegte ſie feurig.
Endlich ſchien ihm der Mut zu entſinken, und bleich und verwildert
Schaut er um ſich herum, dann wieder auf den Propheten.
Ach, der Mann iſt ſein Freund, ſo dachte ſie bey ſich, er ſucht ihn
Zu erretten, und will, daß dieſer Poͤbel die Wege
Die der Weiſe wandelt, begreife: wie ſittſam er lebte;
Wie er ein Menſchenfreund war, und Gutes ohne Geraͤuſch that.
Aber ſie faſſen ihn nicht, und drohn, ihn auch vor den Poͤbel
Der dort richtet, zu fuͤhren. Dafuͤr erſchrak er, und bebte
Vor dem Tode zuruͤck, den ihm die Wuͤtenden drohten.
Und ihn ſandte vielleicht des Bedraͤngten Mutter, und fleht’ ihm
Hingeſunken in Thraͤnen vor ihm, daß er ging’, und vom Tode,
Ach, vom Tode, den Beſten und Liebſten der Soͤhne befreite!
O wie wird ſie vor Schmerz die liebenswuͤrdige Mutter,
(Liebenswuͤrdig iſt ſie, ſonſt haͤtte ſie ihn nicht gebohren
Dieſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0038" n="16"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Aber die Stille ward &#x017F;tiller. Und Portia &#x017F;ah den Propheten,</l><lb/>
              <l>Wie er gegen die Rede des Todfeinds da&#x017F;tand. Jhr Auge</l><lb/>
              <l>Flammt&#x2019; Entzu&#x0364;ckung, ihr Herz &#x017F;chlug lauter, und hohe Gedanken</l><lb/>
              <l>Stro&#x0364;mten herauf in ihr Haupt. Es war ihr, als hu&#x0364;be das neue,</l><lb/>
              <l>Hohe Gefu&#x0364;hl &#x017F;ie empor. Dann for&#x017F;cht &#x017F;ie mit feurigen Blicken,</l><lb/>
              <l>Um &#x017F;ich herum, ob &#x017F;ie unter der Menge nicht edlere fa&#x0364;nde,</l><lb/>
              <l>Welche mit ihr den Propheten bewunderten. Aber &#x017F;ie &#x017F;uchte</l><lb/>
              <l>Gute Seelen um&#x017F;on&#x017F;t, in einem Volke, das reif war</l><lb/>
              <l>Bald gerichtet zu werden, zu &#x017F;tehn auf den flammenden Tru&#x0364;mmern</l><lb/>
              <l>Seines Tempels, in welchem nun nicht Jehovah mehr wohnte.</l><lb/>
              <l>Einen bemerkte &#x017F;ie nur, der fern im untern Pala&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Mit dem Haufen am Feuer &#x017F;ich wa&#x0364;rmte. Sie &#x017F;chauten ihn wild an,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie &#x017F;tritten mit ihm: Er widerlegte &#x017F;ie feurig.</l><lb/>
              <l>Endlich &#x017F;chien ihm der Mut zu ent&#x017F;inken, und bleich und verwildert</l><lb/>
              <l>Schaut er um &#x017F;ich herum, dann wieder auf den Propheten.</l><lb/>
              <l>Ach, der Mann i&#x017F;t &#x017F;ein Freund, &#x017F;o dachte &#x017F;ie bey &#x017F;ich, er &#x017F;ucht ihn</l><lb/>
              <l>Zu erretten, und will, daß die&#x017F;er Po&#x0364;bel die Wege</l><lb/>
              <l>Die der Wei&#x017F;e wandelt, begreife: wie &#x017F;itt&#x017F;am er lebte;</l><lb/>
              <l>Wie er ein Men&#x017F;chenfreund war, und Gutes ohne Gera&#x0364;u&#x017F;ch that.</l><lb/>
              <l>Aber &#x017F;ie fa&#x017F;&#x017F;en ihn nicht, und drohn, ihn auch vor den Po&#x0364;bel</l><lb/>
              <l>Der dort richtet, zu fu&#x0364;hren. Dafu&#x0364;r er&#x017F;chrak er, und bebte</l><lb/>
              <l>Vor dem Tode zuru&#x0364;ck, den ihm die Wu&#x0364;tenden drohten.</l><lb/>
              <l>Und ihn &#x017F;andte vielleicht des Bedra&#x0364;ngten Mutter, und fleht&#x2019; ihm</l><lb/>
              <l>Hinge&#x017F;unken in Thra&#x0364;nen vor ihm, daß er ging&#x2019;, und vom Tode,</l><lb/>
              <l>Ach, vom Tode, den Be&#x017F;ten und Lieb&#x017F;ten der So&#x0364;hne befreite!</l><lb/>
              <l>O wie wird &#x017F;ie vor Schmerz die liebenswu&#x0364;rdige Mutter,<lb/>
(Liebenswu&#x0364;rdig i&#x017F;t &#x017F;ie, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte &#x017F;ie ihn nicht gebohren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;en</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0038] Der Meſſias. Aber die Stille ward ſtiller. Und Portia ſah den Propheten, Wie er gegen die Rede des Todfeinds daſtand. Jhr Auge Flammt’ Entzuͤckung, ihr Herz ſchlug lauter, und hohe Gedanken Stroͤmten herauf in ihr Haupt. Es war ihr, als huͤbe das neue, Hohe Gefuͤhl ſie empor. Dann forſcht ſie mit feurigen Blicken, Um ſich herum, ob ſie unter der Menge nicht edlere faͤnde, Welche mit ihr den Propheten bewunderten. Aber ſie ſuchte Gute Seelen umſonſt, in einem Volke, das reif war Bald gerichtet zu werden, zu ſtehn auf den flammenden Truͤmmern Seines Tempels, in welchem nun nicht Jehovah mehr wohnte. Einen bemerkte ſie nur, der fern im untern Palaſte, Mit dem Haufen am Feuer ſich waͤrmte. Sie ſchauten ihn wild an, Und ſie ſtritten mit ihm: Er widerlegte ſie feurig. Endlich ſchien ihm der Mut zu entſinken, und bleich und verwildert Schaut er um ſich herum, dann wieder auf den Propheten. Ach, der Mann iſt ſein Freund, ſo dachte ſie bey ſich, er ſucht ihn Zu erretten, und will, daß dieſer Poͤbel die Wege Die der Weiſe wandelt, begreife: wie ſittſam er lebte; Wie er ein Menſchenfreund war, und Gutes ohne Geraͤuſch that. Aber ſie faſſen ihn nicht, und drohn, ihn auch vor den Poͤbel Der dort richtet, zu fuͤhren. Dafuͤr erſchrak er, und bebte Vor dem Tode zuruͤck, den ihm die Wuͤtenden drohten. Und ihn ſandte vielleicht des Bedraͤngten Mutter, und fleht’ ihm Hingeſunken in Thraͤnen vor ihm, daß er ging’, und vom Tode, Ach, vom Tode, den Beſten und Liebſten der Soͤhne befreite! O wie wird ſie vor Schmerz die liebenswuͤrdige Mutter, (Liebenswuͤrdig iſt ſie, ſonſt haͤtte ſie ihn nicht gebohren Dieſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/38
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/38>, abgerufen am 23.11.2024.