Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

Besoldung. Und zweitens müßte nach solchem Argument der,
der am meisten ißt und trinkt und verschwendet, extra großes
Gehalt - vor allen anderen - zu beziehen das Recht haben.

Weil sie schwächer, leistungsunfähiger ist als der Mann,
hört man dann wieder sagen. Aber wird denn die Leistungs-
fähigkeit eines Menschen dadurch erhöht, daß man ihn schlechter
besoldet als andere, ihm die Möglichkeit ausreichender Er-
nährung, ausreichender Erholung nimmt? ihm die Beruhigung
verweigert, für seine Angehörigen sorgen, für sein eigenes
Alter zurücklegen zu können.

Das alles sind keine stichhaltigen Gründe. Der wahre
Grund ist, daß der Mann, der die Macht in der
Hand hat, sich selbst immer an erster Stelle be-
rücksichtigt
. Frauen werden von maßgebender Stelle
mit ihren Bitten allzuoft überhört. Sie müssen sich fügen.
Sie können auf Erhöhung von Gehältern und dgl. ja nirgends
direkten Einfluß üben. Sie müssen froh sein, irgendwo zugelas-
sen zu werden. Sie müssen nehmen, was der Mann ihnen gibt.

Die vorwiegend von Frauen geübten Berufe so auszu-
gestalten, daß sie zu wirklich annehmbaren Berufen, auch für
Frauen der besseren Klassen, werden konnten, daran dachte
der Mann nicht. Selbst wenn sie für das Gedeihen des ganzen
Volkes von entscheidender Wichtigkeit waren, fanden sie und
finden sie noch heute, weil sie eben nur Frauenberufe sind,
geringe Beachtung.

Ein Beispiel möchte ich geben, den Hebammenberuf.
26000 Frauen sind in Deutschland als Hebammen tätig. Eine
große Zahl davon als Bezirkshebammen. Als "Wartegeld"
oder Jahresgehalt beziehen diese, die jedem Ruf folgen und
arme Frauen unentgeltlich entbinden und pflegen müssen, 6 Mk.
bis 450 Mk. jährlich, meist nicht mehr als 50 Mk. im Jahre.

Krukenberg, Frauenbewegung. 7

Besoldung. Und zweitens müßte nach solchem Argument der,
der am meisten ißt und trinkt und verschwendet, extra großes
Gehalt – vor allen anderen – zu beziehen das Recht haben.

Weil sie schwächer, leistungsunfähiger ist als der Mann,
hört man dann wieder sagen. Aber wird denn die Leistungs-
fähigkeit eines Menschen dadurch erhöht, daß man ihn schlechter
besoldet als andere, ihm die Möglichkeit ausreichender Er-
nährung, ausreichender Erholung nimmt? ihm die Beruhigung
verweigert, für seine Angehörigen sorgen, für sein eigenes
Alter zurücklegen zu können.

Das alles sind keine stichhaltigen Gründe. Der wahre
Grund ist, daß der Mann, der die Macht in der
Hand hat, sich selbst immer an erster Stelle be-
rücksichtigt
. Frauen werden von maßgebender Stelle
mit ihren Bitten allzuoft überhört. Sie müssen sich fügen.
Sie können auf Erhöhung von Gehältern und dgl. ja nirgends
direkten Einfluß üben. Sie müssen froh sein, irgendwo zugelas-
sen zu werden. Sie müssen nehmen, was der Mann ihnen gibt.

Die vorwiegend von Frauen geübten Berufe so auszu-
gestalten, daß sie zu wirklich annehmbaren Berufen, auch für
Frauen der besseren Klassen, werden konnten, daran dachte
der Mann nicht. Selbst wenn sie für das Gedeihen des ganzen
Volkes von entscheidender Wichtigkeit waren, fanden sie und
finden sie noch heute, weil sie eben nur Frauenberufe sind,
geringe Beachtung.

Ein Beispiel möchte ich geben, den Hebammenberuf.
26000 Frauen sind in Deutschland als Hebammen tätig. Eine
große Zahl davon als Bezirkshebammen. Als „Wartegeld“
oder Jahresgehalt beziehen diese, die jedem Ruf folgen und
arme Frauen unentgeltlich entbinden und pflegen müssen, 6 Mk.
bis 450 Mk. jährlich, meist nicht mehr als 50 Mk. im Jahre.

Krukenberg, Frauenbewegung. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="97"/>
Besoldung. Und zweitens müßte nach solchem Argument der,<lb/>
der am meisten ißt und trinkt und verschwendet, extra großes<lb/>
Gehalt &#x2013; vor allen anderen &#x2013; zu beziehen das Recht haben.</p><lb/>
        <p>Weil sie schwächer, leistungsunfähiger ist als der Mann,<lb/>
hört man dann wieder sagen. Aber wird denn die Leistungs-<lb/>
fähigkeit eines Menschen dadurch erhöht, daß man ihn schlechter<lb/>
besoldet als andere, ihm die Möglichkeit ausreichender Er-<lb/>
nährung, ausreichender Erholung nimmt? ihm die Beruhigung<lb/>
verweigert, für seine Angehörigen sorgen, für sein eigenes<lb/>
Alter zurücklegen zu können.</p><lb/>
        <p>Das alles sind keine stichhaltigen Gründe. Der wahre<lb/>
Grund ist, <hi rendition="#g">daß der Mann, der die Macht in der<lb/>
Hand hat, sich selbst immer an erster Stelle be-<lb/>
rücksichtigt</hi>. Frauen werden von maßgebender Stelle<lb/>
mit ihren Bitten allzuoft überhört. Sie müssen sich fügen.<lb/>
Sie können auf Erhöhung von Gehältern und dgl. ja nirgends<lb/>
direkten Einfluß üben. Sie müssen froh sein, irgendwo zugelas-<lb/>
sen zu werden. Sie müssen nehmen, was der Mann ihnen gibt.</p><lb/>
        <p>Die vorwiegend von Frauen geübten Berufe so auszu-<lb/>
gestalten, daß sie zu wirklich annehmbaren Berufen, auch für<lb/>
Frauen der besseren Klassen, werden konnten, daran dachte<lb/>
der Mann nicht. Selbst wenn sie für das Gedeihen des ganzen<lb/>
Volkes von entscheidender Wichtigkeit waren, fanden sie und<lb/>
finden sie noch heute, weil sie eben nur Frauenberufe sind,<lb/>
geringe Beachtung.</p><lb/>
        <p>Ein Beispiel möchte ich geben, den <hi rendition="#g">Hebammenberuf</hi>.<lb/>
26000 Frauen sind in Deutschland als Hebammen tätig. Eine<lb/>
große Zahl davon als Bezirkshebammen. Als &#x201E;Wartegeld&#x201C;<lb/>
oder Jahresgehalt beziehen diese, die <hi rendition="#g">jedem</hi> Ruf folgen und<lb/>
arme Frauen unentgeltlich entbinden und pflegen müssen, 6 Mk.<lb/>
bis 450 Mk. jährlich, meist nicht mehr als 50 Mk. im Jahre.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Krukenberg</hi>, Frauenbewegung. 7</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0107] Besoldung. Und zweitens müßte nach solchem Argument der, der am meisten ißt und trinkt und verschwendet, extra großes Gehalt – vor allen anderen – zu beziehen das Recht haben. Weil sie schwächer, leistungsunfähiger ist als der Mann, hört man dann wieder sagen. Aber wird denn die Leistungs- fähigkeit eines Menschen dadurch erhöht, daß man ihn schlechter besoldet als andere, ihm die Möglichkeit ausreichender Er- nährung, ausreichender Erholung nimmt? ihm die Beruhigung verweigert, für seine Angehörigen sorgen, für sein eigenes Alter zurücklegen zu können. Das alles sind keine stichhaltigen Gründe. Der wahre Grund ist, daß der Mann, der die Macht in der Hand hat, sich selbst immer an erster Stelle be- rücksichtigt. Frauen werden von maßgebender Stelle mit ihren Bitten allzuoft überhört. Sie müssen sich fügen. Sie können auf Erhöhung von Gehältern und dgl. ja nirgends direkten Einfluß üben. Sie müssen froh sein, irgendwo zugelas- sen zu werden. Sie müssen nehmen, was der Mann ihnen gibt. Die vorwiegend von Frauen geübten Berufe so auszu- gestalten, daß sie zu wirklich annehmbaren Berufen, auch für Frauen der besseren Klassen, werden konnten, daran dachte der Mann nicht. Selbst wenn sie für das Gedeihen des ganzen Volkes von entscheidender Wichtigkeit waren, fanden sie und finden sie noch heute, weil sie eben nur Frauenberufe sind, geringe Beachtung. Ein Beispiel möchte ich geben, den Hebammenberuf. 26000 Frauen sind in Deutschland als Hebammen tätig. Eine große Zahl davon als Bezirkshebammen. Als „Wartegeld“ oder Jahresgehalt beziehen diese, die jedem Ruf folgen und arme Frauen unentgeltlich entbinden und pflegen müssen, 6 Mk. bis 450 Mk. jährlich, meist nicht mehr als 50 Mk. im Jahre. Krukenberg, Frauenbewegung. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/107
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/107>, abgerufen am 23.11.2024.