Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Der Kultor der Deutschen. zu schanden. Der Winter läßt sich allenfalls ertragen,aber gegen diese feuchte Wärme kommen wir nicht auf. Oft habe ich geglaubt, wenn unsre Beamten schon nach wenigen Wochen um Urlaub einkamen, es liege an ihrer Willensschwäche. Jch habe jetzt auf meiner Reise durch die Tiefebene und durch die feuchten Wald- thäler der Gebirge gesehen, daß dieses Klima für den Numen, der sich wenigstens einen Teil des Tages im Freien aufhalten muß, wie es doch auf Reisen un- vermeidlich ist, in gefährlichster Weise wirkt. Der Regen, der Regen! Wer diese Himmelsplage erfunden hat! Bald prickelt es von allen Seiten in mikro- skopischen Wassertröpfchen, bald braust es in Sturz- güssen hernieder, bald fällt es mit jener eintönigen, hypnotisierenden, tötlichen Langeweile herab wie heute. Die Luft, mit Dampf gesättigt, lähmt die Thätigkeit der Haut und läßt uns ersticken. Jch war manchmal wie verzweifelt. Wir dürfen niemand länger als ein halbes Jahr im Winter oder ein Vierteljahr im Sommer hier lassen, oder wir bringen Lungen und Herz nicht wieder gesund nach dem Nu. Was nutzen uns die trefflichen antibarischen Apparate, wenn das infame Wasser uns im wahren Sinne des Wortes er- säuft? Da oben am Pole war das nicht so merklich, wir lebten ja auch mehr nach unsrer eignen Weise. Aber hier in Deutschland -- Warum mußten Sie sich auch gerade dieses Volk zu Jhrem Experimente aus- ersehen? Es giebt doch Gegenden, in denen wir einigermaßen besser fortkommen würden, z. B. die großen Steppen im Osten, und überall wo es trocken ist --" Der Kultor der Deutſchen. zu ſchanden. Der Winter läßt ſich allenfalls ertragen,aber gegen dieſe feuchte Wärme kommen wir nicht auf. Oft habe ich geglaubt, wenn unſre Beamten ſchon nach wenigen Wochen um Urlaub einkamen, es liege an ihrer Willensſchwäche. Jch habe jetzt auf meiner Reiſe durch die Tiefebene und durch die feuchten Wald- thäler der Gebirge geſehen, daß dieſes Klima für den Numen, der ſich wenigſtens einen Teil des Tages im Freien aufhalten muß, wie es doch auf Reiſen un- vermeidlich iſt, in gefährlichſter Weiſe wirkt. Der Regen, der Regen! Wer dieſe Himmelsplage erfunden hat! Bald prickelt es von allen Seiten in mikro- ſkopiſchen Waſſertröpfchen, bald brauſt es in Sturz- güſſen hernieder, bald fällt es mit jener eintönigen, hypnotiſierenden, tötlichen Langeweile herab wie heute. Die Luft, mit Dampf geſättigt, lähmt die Thätigkeit der Haut und läßt uns erſticken. Jch war manchmal wie verzweifelt. Wir dürfen niemand länger als ein halbes Jahr im Winter oder ein Vierteljahr im Sommer hier laſſen, oder wir bringen Lungen und Herz nicht wieder geſund nach dem Nu. Was nutzen uns die trefflichen antibariſchen Apparate, wenn das infame Waſſer uns im wahren Sinne des Wortes er- ſäuft? Da oben am Pole war das nicht ſo merklich, wir lebten ja auch mehr nach unſrer eignen Weiſe. Aber hier in Deutſchland — Warum mußten Sie ſich auch gerade dieſes Volk zu Jhrem Experimente aus- erſehen? Es giebt doch Gegenden, in denen wir einigermaßen beſſer fortkommen würden, z. B. die großen Steppen im Oſten, und überall wo es trocken iſt —‟ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0307" n="299"/><fw place="top" type="header">Der Kultor der Deutſchen.</fw><lb/> zu ſchanden. Der Winter läßt ſich allenfalls ertragen,<lb/> aber gegen dieſe feuchte Wärme kommen wir nicht auf.<lb/> Oft habe ich geglaubt, wenn unſre Beamten ſchon<lb/> nach wenigen Wochen um Urlaub einkamen, es liege<lb/> an ihrer Willensſchwäche. 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Der Kultor der Deutſchen.
zu ſchanden. Der Winter läßt ſich allenfalls ertragen,
aber gegen dieſe feuchte Wärme kommen wir nicht auf.
Oft habe ich geglaubt, wenn unſre Beamten ſchon
nach wenigen Wochen um Urlaub einkamen, es liege
an ihrer Willensſchwäche. Jch habe jetzt auf meiner
Reiſe durch die Tiefebene und durch die feuchten Wald-
thäler der Gebirge geſehen, daß dieſes Klima für den
Numen, der ſich wenigſtens einen Teil des Tages im
Freien aufhalten muß, wie es doch auf Reiſen un-
vermeidlich iſt, in gefährlichſter Weiſe wirkt. Der
Regen, der Regen! Wer dieſe Himmelsplage erfunden
hat! Bald prickelt es von allen Seiten in mikro-
ſkopiſchen Waſſertröpfchen, bald brauſt es in Sturz-
güſſen hernieder, bald fällt es mit jener eintönigen,
hypnotiſierenden, tötlichen Langeweile herab wie heute.
Die Luft, mit Dampf geſättigt, lähmt die Thätigkeit
der Haut und läßt uns erſticken. Jch war manchmal
wie verzweifelt. Wir dürfen niemand länger als ein
halbes Jahr im Winter oder ein Vierteljahr im
Sommer hier laſſen, oder wir bringen Lungen und
Herz nicht wieder geſund nach dem Nu. Was nutzen
uns die trefflichen antibariſchen Apparate, wenn das
infame Waſſer uns im wahren Sinne des Wortes er-
ſäuft? Da oben am Pole war das nicht ſo merklich,
wir lebten ja auch mehr nach unſrer eignen Weiſe.
Aber hier in Deutſchland — Warum mußten Sie ſich
auch gerade dieſes Volk zu Jhrem Experimente aus-
erſehen? Es giebt doch Gegenden, in denen wir
einigermaßen beſſer fortkommen würden, z. B. die
großen Steppen im Oſten, und überall wo es trocken iſt —‟
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