Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.Gift, Contagien, Miasmen. lange noch gährender Zucker vorhanden ist, wird Kleber inverändertem Zustande, er wird als Hefe abgeschieden, welche wieder fähig ist, frisches Zuckerwasser oder Bierwürze in Gäh- rung zu versetzen. Ist der Zucker verschwunden und noch Kleber vorhanden, so bleibt dieser Kleber, er geht nicht in Hefe über. Die Reproduction des Erregers ist hier abhängig 1) von dem Vorhandensein derjenigen Materie, aus der er ursprünglich entstanden ist, 2) von der Gegenwart einer zweiten Materie, welche fähig ist, durch Berührung mit dem Erreger in Zersetzung übergeführt zu werden. Wenn wir der Reproduction der Contagien in anstecken- Es muß ferner, wenn Ansteckung erfolgt, vorausgesetzt Erst in Folge der Umwandlung dieses zweiten Körpers Empfänglichkeit für Ansteckung setzt mithin die Gegenwart, Bringen wir in das Blut eines gesunden Menschen, wel- Gift, Contagien, Miasmen. lange noch gährender Zucker vorhanden iſt, wird Kleber inverändertem Zuſtande, er wird als Hefe abgeſchieden, welche wieder fähig iſt, friſches Zuckerwaſſer oder Bierwürze in Gäh- rung zu verſetzen. Iſt der Zucker verſchwunden und noch Kleber vorhanden, ſo bleibt dieſer Kleber, er geht nicht in Hefe über. Die Reproduction des Erregers iſt hier abhängig 1) von dem Vorhandenſein derjenigen Materie, aus der er urſprünglich entſtanden iſt, 2) von der Gegenwart einer zweiten Materie, welche fähig iſt, durch Berührung mit dem Erreger in Zerſetzung übergeführt zu werden. Wenn wir der Reproduction der Contagien in anſtecken- Es muß ferner, wenn Anſteckung erfolgt, vorausgeſetzt Erſt in Folge der Umwandlung dieſes zweiten Körpers Empfänglichkeit für Anſteckung ſetzt mithin die Gegenwart, Bringen wir in das Blut eines geſunden Menſchen, wel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0348" n="330"/><fw place="top" type="header">Gift, Contagien, Miasmen.</fw><lb/> lange noch gährender Zucker vorhanden iſt, wird Kleber in<lb/> verändertem Zuſtande, er wird als Hefe abgeſchieden, welche<lb/> wieder fähig iſt, friſches Zuckerwaſſer oder Bierwürze in Gäh-<lb/> rung zu verſetzen. Iſt der Zucker verſchwunden und noch<lb/> Kleber vorhanden, ſo bleibt dieſer Kleber, er geht nicht in<lb/> Hefe über. Die Reproduction des Erregers iſt hier abhängig</p><lb/> <list> <item>1) von dem Vorhandenſein derjenigen Materie, aus der er<lb/> urſprünglich entſtanden iſt,</item><lb/> <item>2) von der Gegenwart einer zweiten Materie, welche fähig<lb/> iſt, durch Berührung mit dem Erreger in Zerſetzung<lb/> übergeführt zu werden.</item> </list><lb/> <p>Wenn wir der Reproduction der Contagien in anſtecken-<lb/> den Krankheiten den nämlichen Ausdruck unterlegen, ſo iſt<lb/> vollkommen gewiß, daß ſie ohne Ausnahme aus dem Blute<lb/> entſpringen, daß alſo in dem Blute eines geſunden Menſchen<lb/> derjenige Beſtandtheil ſich vorfindet, durch deſſen Zerſetzung<lb/> der Erreger gebildet werden kann.</p><lb/> <p>Es muß ferner, wenn Anſteckung erfolgt, vorausgeſetzt<lb/> werden, daß das Blut einen zweiten Beſtandtheil enthält, wel-<lb/> cher fähig iſt, durch den Erreger in Zerſetzung übergeführt zu<lb/> werden.</p><lb/> <p>Erſt in Folge der Umwandlung dieſes zweiten Körpers<lb/> kann der urſprüngliche Erreger wieder gebildet werden.</p><lb/> <p>Empfänglichkeit für Anſteckung ſetzt mithin die Gegenwart,<lb/> einer gewiſſen Quantität, dieſes zweiten Körpers im Blute ei-<lb/> nes geſunden Menſchen voraus; mit ſeiner Maſſe ſteigt die<lb/> Empfänglichkeit, die Stärke der Krankheit, mit ſeiner Abnahme,<lb/> mit ſeinem Verſchwinden ändert ſich ihr Verlauf.</p><lb/> <p>Bringen wir in das Blut eines geſunden Menſchen, wel-<lb/> cher empfänglich iſt für Anſteckung, eine wenn auch nur ver-<lb/> ſchwindend kleine Menge des Anſteckungsſtoffs, des Erregers,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0348]
Gift, Contagien, Miasmen.
lange noch gährender Zucker vorhanden iſt, wird Kleber in
verändertem Zuſtande, er wird als Hefe abgeſchieden, welche
wieder fähig iſt, friſches Zuckerwaſſer oder Bierwürze in Gäh-
rung zu verſetzen. Iſt der Zucker verſchwunden und noch
Kleber vorhanden, ſo bleibt dieſer Kleber, er geht nicht in
Hefe über. Die Reproduction des Erregers iſt hier abhängig
1) von dem Vorhandenſein derjenigen Materie, aus der er
urſprünglich entſtanden iſt,
2) von der Gegenwart einer zweiten Materie, welche fähig
iſt, durch Berührung mit dem Erreger in Zerſetzung
übergeführt zu werden.
Wenn wir der Reproduction der Contagien in anſtecken-
den Krankheiten den nämlichen Ausdruck unterlegen, ſo iſt
vollkommen gewiß, daß ſie ohne Ausnahme aus dem Blute
entſpringen, daß alſo in dem Blute eines geſunden Menſchen
derjenige Beſtandtheil ſich vorfindet, durch deſſen Zerſetzung
der Erreger gebildet werden kann.
Es muß ferner, wenn Anſteckung erfolgt, vorausgeſetzt
werden, daß das Blut einen zweiten Beſtandtheil enthält, wel-
cher fähig iſt, durch den Erreger in Zerſetzung übergeführt zu
werden.
Erſt in Folge der Umwandlung dieſes zweiten Körpers
kann der urſprüngliche Erreger wieder gebildet werden.
Empfänglichkeit für Anſteckung ſetzt mithin die Gegenwart,
einer gewiſſen Quantität, dieſes zweiten Körpers im Blute ei-
nes geſunden Menſchen voraus; mit ſeiner Maſſe ſteigt die
Empfänglichkeit, die Stärke der Krankheit, mit ſeiner Abnahme,
mit ſeinem Verſchwinden ändert ſich ihr Verlauf.
Bringen wir in das Blut eines geſunden Menſchen, wel-
cher empfänglich iſt für Anſteckung, eine wenn auch nur ver-
ſchwindend kleine Menge des Anſteckungsſtoffs, des Erregers,
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