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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Allgemeinen Inhalts.
Verhältnissen verlieren! Welche Gefahren drohen mir
nicht von allen Seiten! Welche Hindernisse treffe ich
nicht überall auf meinen Wegen an! Wie sehr kann
mir die Welt; wie sehr kann ich mir selbst meine Be-
stimmung erschweren! Wie sehr können mich die
Schwachheiten meines eigenen Herzens und die Thor-
heiten anderer in meinem Laufe nach dem Ziele ermü-
den und zurücksetzen! Welche Feinde habe ich an der
Mode, an der Eitelkeit, an der Verstellungskunst,
an der Zerstreuungs- und Vergnügungssucht, an der
Prachtliebe, an dem Neide und der Verleumdung,
an der falschen Schaam und Ehre und an mehrern
andern Fehlern zu bekämpfen, die meinem Geschlechte
so eigen und so gefährlich sind!

O möchte ich doch alle meine Pflichten in jeder
dieser Rücksichten genau kennen! Möchte ich mich mit
den besten und wirksamsten Gegenmitteln bekannt ma-
chen, wodurch ich mich vor jenen Fehlern verwahren
kann! Möchte ich menschliche und christliche Klugheit,
Vernunft und Religion mit einander verbinden, um
mir alles das eigen zu machen, wodurch ich mir die
Beobachtung meiner Pflichten erleichtern und mich
von Zeit zu Zeit auf der Bahn der Rechtschaffenheit
stärken und ermuntern kann! Du lässest es gewiß mir
und keinem Menschen an Antrieb zum Guten und an
Bewegungsgründen zur Tugend fehlen. Ich beson-
ders lebe zu einer Zeit und unter solchen Umständen,
wo der Macht des Irrthums und der Vorurtheile
mehr als sonst entgegen gearbeitet, der Aberglaube
bestritten, das Licht der Vernunft und Wahrheit ver-

breitet

Allgemeinen Inhalts.
Verhältniſſen verlieren! Welche Gefahren drohen mir
nicht von allen Seiten! Welche Hinderniſſe treffe ich
nicht überall auf meinen Wegen an! Wie ſehr kann
mir die Welt; wie ſehr kann ich mir ſelbſt meine Be-
ſtimmung erſchweren! Wie ſehr können mich die
Schwachheiten meines eigenen Herzens und die Thor-
heiten anderer in meinem Laufe nach dem Ziele ermü-
den und zurückſetzen! Welche Feinde habe ich an der
Mode, an der Eitelkeit, an der Verſtellungskunſt,
an der Zerſtreuungs- und Vergnügungsſucht, an der
Prachtliebe, an dem Neide und der Verleumdung,
an der falſchen Schaam und Ehre und an mehrern
andern Fehlern zu bekämpfen, die meinem Geſchlechte
ſo eigen und ſo gefährlich ſind!

O möchte ich doch alle meine Pflichten in jeder
dieſer Rückſichten genau kennen! Möchte ich mich mit
den beſten und wirkſamſten Gegenmitteln bekannt ma-
chen, wodurch ich mich vor jenen Fehlern verwahren
kann! Möchte ich menſchliche und chriſtliche Klugheit,
Vernunft und Religion mit einander verbinden, um
mir alles das eigen zu machen, wodurch ich mir die
Beobachtung meiner Pflichten erleichtern und mich
von Zeit zu Zeit auf der Bahn der Rechtſchaffenheit
ſtärken und ermuntern kann! Du läſſeſt es gewiß mir
und keinem Menſchen an Antrieb zum Guten und an
Bewegungsgründen zur Tugend fehlen. Ich beſon-
ders lebe zu einer Zeit und unter ſolchen Umſtänden,
wo der Macht des Irrthums und der Vorurtheile
mehr als ſonſt entgegen gearbeitet, der Aberglaube
beſtritten, das Licht der Vernunft und Wahrheit ver-

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[91/0103] Allgemeinen Inhalts. Verhältniſſen verlieren! Welche Gefahren drohen mir nicht von allen Seiten! Welche Hinderniſſe treffe ich nicht überall auf meinen Wegen an! Wie ſehr kann mir die Welt; wie ſehr kann ich mir ſelbſt meine Be- ſtimmung erſchweren! Wie ſehr können mich die Schwachheiten meines eigenen Herzens und die Thor- heiten anderer in meinem Laufe nach dem Ziele ermü- den und zurückſetzen! Welche Feinde habe ich an der Mode, an der Eitelkeit, an der Verſtellungskunſt, an der Zerſtreuungs- und Vergnügungsſucht, an der Prachtliebe, an dem Neide und der Verleumdung, an der falſchen Schaam und Ehre und an mehrern andern Fehlern zu bekämpfen, die meinem Geſchlechte ſo eigen und ſo gefährlich ſind! O möchte ich doch alle meine Pflichten in jeder dieſer Rückſichten genau kennen! Möchte ich mich mit den beſten und wirkſamſten Gegenmitteln bekannt ma- chen, wodurch ich mich vor jenen Fehlern verwahren kann! Möchte ich menſchliche und chriſtliche Klugheit, Vernunft und Religion mit einander verbinden, um mir alles das eigen zu machen, wodurch ich mir die Beobachtung meiner Pflichten erleichtern und mich von Zeit zu Zeit auf der Bahn der Rechtſchaffenheit ſtärken und ermuntern kann! Du läſſeſt es gewiß mir und keinem Menſchen an Antrieb zum Guten und an Bewegungsgründen zur Tugend fehlen. Ich beſon- ders lebe zu einer Zeit und unter ſolchen Umſtänden, wo der Macht des Irrthums und der Vorurtheile mehr als ſonſt entgegen gearbeitet, der Aberglaube beſtritten, das Licht der Vernunft und Wahrheit ver- breitet

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/103>, abgerufen am 23.11.2024.