Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeinen Inhalts.
breitet und die Religion mehr als eine Sache des Ver-
standes und Herzens behandelt wird. Ich genieße
den Vortheil, daß itzt alles Gute, Wahre und Ge-
meinnützige viel leichter und geschwinder in Umlauf
kommt und auch meinem Geschlechte auf mehr als
einem Wege bekannt wird. Es stehen mir gegenwär-
tig mehrere Quellen offen, woraus ich schöpfen und
mich mit brauchbaren und praktischen Einsichten verse-
hen kann.

Verleihe nur, gütigster Gott und Vater, daß
sich mein Wissen und mein Thun nicht widersprechen,
daß ich stets meinen bessern Kenntnissen gemäs handle,
daß ich meine Ueberzeugung von dem, was wahr und
gut und edel ist, keinem Wahne der Mode und des
Vorurtheils aufopfere. Schenke mir Lust und Kraft
zur Erfüllung aller meiner Pflichten, und lehre mich
deinen Willen stets als gut und weise anbeten. Laß
mich Freu[de] und Geschmack an der Religion und an
dem Nachdenken über dieselbe finden. Schenke mir
verständige, rechtschaffene Freunde und Führer, die
es aufrichtig mit mir meinen, die mir nicht schmei-
cheln, die mir meine Fehler und Mängel offenherzig
entdecken, die es sich zur Pflicht machen, wahr mit
mir zu sprechen, die mich warnen und belehren, die
mich ermuntern und anfeuern oder mir zurufen und
mich zurückhalten, wenn ich zu wenig oder zu viel
thue. Lehre mich aber auch dieses Glück gehörig schä-
tzen und gebrauchen. Gieb, daß ich dem aufrichtigen
Freunde mein Ohr und Herz öffne, daß ich sei-
ne Ermahnungen und Vorstellungen Eingang bey

mir

Allgemeinen Inhalts.
breitet und die Religion mehr als eine Sache des Ver-
ſtandes und Herzens behandelt wird. Ich genieße
den Vortheil, daß itzt alles Gute, Wahre und Ge-
meinnützige viel leichter und geſchwinder in Umlauf
kommt und auch meinem Geſchlechte auf mehr als
einem Wege bekannt wird. Es ſtehen mir gegenwär-
tig mehrere Quellen offen, woraus ich ſchöpfen und
mich mit brauchbaren und praktiſchen Einſichten verſe-
hen kann.

Verleihe nur, gütigſter Gott und Vater, daß
ſich mein Wiſſen und mein Thun nicht widerſprechen,
daß ich ſtets meinen beſſern Kenntniſſen gemäs handle,
daß ich meine Ueberzeugung von dem, was wahr und
gut und edel iſt, keinem Wahne der Mode und des
Vorurtheils aufopfere. Schenke mir Luſt und Kraft
zur Erfüllung aller meiner Pflichten, und lehre mich
deinen Willen ſtets als gut und weiſe anbeten. Laß
mich Freu[de] und Geſchmack an der Religion und an
dem Nachdenken über dieſelbe finden. Schenke mir
verſtändige, rechtſchaffene Freunde und Führer, die
es aufrichtig mit mir meinen, die mir nicht ſchmei-
cheln, die mir meine Fehler und Mängel offenherzig
entdecken, die es ſich zur Pflicht machen, wahr mit
mir zu ſprechen, die mich warnen und belehren, die
mich ermuntern und anfeuern oder mir zurufen und
mich zurückhalten, wenn ich zu wenig oder zu viel
thue. Lehre mich aber auch dieſes Glück gehörig ſchä-
tzen und gebrauchen. Gieb, daß ich dem aufrichtigen
Freunde mein Ohr und Herz öffne, daß ich ſei-
ne Ermahnungen und Vorſtellungen Eingang bey

mir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="92"/><fw place="top" type="header">Allgemeinen Inhalts.</fw><lb/>
breitet und die Religion mehr als eine Sache des Ver-<lb/>
&#x017F;tandes und Herzens behandelt wird. Ich genieße<lb/>
den Vortheil, daß itzt alles Gute, Wahre und Ge-<lb/>
meinnützige viel leichter und ge&#x017F;chwinder in Umlauf<lb/>
kommt und auch meinem Ge&#x017F;chlechte auf mehr als<lb/>
einem Wege bekannt wird. Es &#x017F;tehen mir gegenwär-<lb/>
tig mehrere Quellen offen, woraus ich &#x017F;chöpfen und<lb/>
mich mit brauchbaren und prakti&#x017F;chen Ein&#x017F;ichten ver&#x017F;e-<lb/>
hen kann.</p><lb/>
          <p>Verleihe nur, gütig&#x017F;ter Gott und Vater, daß<lb/>
&#x017F;ich mein Wi&#x017F;&#x017F;en und mein Thun nicht wider&#x017F;prechen,<lb/>
daß ich &#x017F;tets meinen be&#x017F;&#x017F;ern Kenntni&#x017F;&#x017F;en gemäs handle,<lb/>
daß ich meine Ueberzeugung von dem, was wahr und<lb/>
gut und edel i&#x017F;t, keinem Wahne der Mode und des<lb/>
Vorurtheils aufopfere. Schenke mir Lu&#x017F;t und Kraft<lb/>
zur Erfüllung aller meiner Pflichten, und lehre mich<lb/>
deinen Willen &#x017F;tets als gut und wei&#x017F;e anbeten. Laß<lb/>
mich Freu<supplied>de</supplied> und Ge&#x017F;chmack an der Religion und an<lb/>
dem Nachdenken über die&#x017F;elbe finden. Schenke mir<lb/>
ver&#x017F;tändige, recht&#x017F;chaffene Freunde und Führer, die<lb/>
es aufrichtig mit mir meinen, die mir nicht &#x017F;chmei-<lb/>
cheln, die mir meine Fehler und Mängel offenherzig<lb/>
entdecken, die es &#x017F;ich zur Pflicht machen, wahr mit<lb/>
mir zu &#x017F;prechen, die mich warnen und belehren, die<lb/>
mich ermuntern und anfeuern oder mir zurufen und<lb/>
mich zurückhalten, wenn ich zu wenig oder zu viel<lb/>
thue. Lehre mich aber auch die&#x017F;es Glück gehörig &#x017F;chä-<lb/>
tzen und gebrauchen. Gieb, daß ich dem aufrichtigen<lb/>
Freunde mein Ohr und Herz öffne, daß ich &#x017F;ei-<lb/>
ne Ermahnungen und Vor&#x017F;tellungen Eingang bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0104] Allgemeinen Inhalts. breitet und die Religion mehr als eine Sache des Ver- ſtandes und Herzens behandelt wird. Ich genieße den Vortheil, daß itzt alles Gute, Wahre und Ge- meinnützige viel leichter und geſchwinder in Umlauf kommt und auch meinem Geſchlechte auf mehr als einem Wege bekannt wird. Es ſtehen mir gegenwär- tig mehrere Quellen offen, woraus ich ſchöpfen und mich mit brauchbaren und praktiſchen Einſichten verſe- hen kann. Verleihe nur, gütigſter Gott und Vater, daß ſich mein Wiſſen und mein Thun nicht widerſprechen, daß ich ſtets meinen beſſern Kenntniſſen gemäs handle, daß ich meine Ueberzeugung von dem, was wahr und gut und edel iſt, keinem Wahne der Mode und des Vorurtheils aufopfere. Schenke mir Luſt und Kraft zur Erfüllung aller meiner Pflichten, und lehre mich deinen Willen ſtets als gut und weiſe anbeten. Laß mich Freude und Geſchmack an der Religion und an dem Nachdenken über dieſelbe finden. Schenke mir verſtändige, rechtſchaffene Freunde und Führer, die es aufrichtig mit mir meinen, die mir nicht ſchmei- cheln, die mir meine Fehler und Mängel offenherzig entdecken, die es ſich zur Pflicht machen, wahr mit mir zu ſprechen, die mich warnen und belehren, die mich ermuntern und anfeuern oder mir zurufen und mich zurückhalten, wenn ich zu wenig oder zu viel thue. Lehre mich aber auch dieſes Glück gehörig ſchä- tzen und gebrauchen. Gieb, daß ich dem aufrichtigen Freunde mein Ohr und Herz öffne, daß ich ſei- ne Ermahnungen und Vorſtellungen Eingang bey mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/104
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/104>, abgerufen am 23.11.2024.