Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schaamhaftigkeit.
Beyfall schenken, wenn sie unanständig und meiner
natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider sind. Ich will
nicht mit dieser Tugend pralen; aber sie desto gewis-
senhafter zu erhalten und bey mir zu verstärken suchen.
Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein
äusserliches Verhalten nicht mit ängstlicher Anstren-
gung und kindischer Sorgfalt beobachten, nicht künst-
lich in eine gewisse Form zu bringen suchen; aber ich
will mein Herz so zum Guten bilden und im Guten
befestigen und mir die Tugend so eigen machen, daß
mein Aeusserliches von selbst anständig und ein Zeuge
meiner Unschuld seyn muß. Amen.



VI.
Die Bescheidenheit
bey den Ansprüchen des weiblichen Geschlechts.


Mein Stand und meine Verhältnisse lehren mich
Bescheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die
Grenzen, die ich bey meinen Ansprüchen an andere
Menschen nicht überschreiten soll, und nicht überschrei-
ten kann, ohne mir selbst zu schaden. Ja, wenn
ich das schlechterdings und unbedingt von der Welt
fordere, was ich mir erst erwerben und wozu ich mich
erst geschickt machen muß, so handle ich wider die

Ein-

Die Schaamhaftigkeit.
Beyfall ſchenken, wenn ſie unanſtändig und meiner
natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider ſind. Ich will
nicht mit dieſer Tugend pralen; aber ſie deſto gewiſ-
ſenhafter zu erhalten und bey mir zu verſtärken ſuchen.
Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein
äuſſerliches Verhalten nicht mit ängſtlicher Anſtren-
gung und kindiſcher Sorgfalt beobachten, nicht künſt-
lich in eine gewiſſe Form zu bringen ſuchen; aber ich
will mein Herz ſo zum Guten bilden und im Guten
befeſtigen und mir die Tugend ſo eigen machen, daß
mein Aeuſſerliches von ſelbſt anſtändig und ein Zeuge
meiner Unſchuld ſeyn muß. Amen.



VI.
Die Beſcheidenheit
bey den Anſprüchen des weiblichen Geſchlechts.


Mein Stand und meine Verhältniſſe lehren mich
Beſcheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die
Grenzen, die ich bey meinen Anſprüchen an andere
Menſchen nicht überſchreiten ſoll, und nicht überſchrei-
ten kann, ohne mir ſelbſt zu ſchaden. Ja, wenn
ich das ſchlechterdings und unbedingt von der Welt
fordere, was ich mir erſt erwerben und wozu ich mich
erſt geſchickt machen muß, ſo handle ich wider die

Ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="114"/><fw place="top" type="header">Die Schaamhaftigkeit.</fw><lb/>
Beyfall &#x017F;chenken, wenn &#x017F;ie unan&#x017F;tändig und meiner<lb/>
natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider &#x017F;ind. Ich will<lb/>
nicht mit die&#x017F;er Tugend pralen; aber &#x017F;ie de&#x017F;to gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enhafter zu erhalten und bey mir zu ver&#x017F;tärken &#x017F;uchen.<lb/>
Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein<lb/>
äu&#x017F;&#x017F;erliches Verhalten nicht mit äng&#x017F;tlicher An&#x017F;tren-<lb/>
gung und kindi&#x017F;cher Sorgfalt beobachten, nicht kün&#x017F;t-<lb/>
lich in eine gewi&#x017F;&#x017F;e Form zu bringen &#x017F;uchen; aber ich<lb/>
will mein Herz &#x017F;o zum Guten bilden und im Guten<lb/>
befe&#x017F;tigen und mir die Tugend &#x017F;o eigen machen, daß<lb/>
mein Aeu&#x017F;&#x017F;erliches von &#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;tändig und ein Zeuge<lb/>
meiner Un&#x017F;chuld &#x017F;eyn muß. Amen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VI.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die Be&#x017F;cheidenheit</hi><lb/>
bey den An&#x017F;prüchen des weiblichen Ge&#x017F;chlechts.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>ein Stand und meine Verhältni&#x017F;&#x017F;e lehren mich<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die<lb/>
Grenzen, die ich bey meinen An&#x017F;prüchen an andere<lb/>
Men&#x017F;chen nicht über&#x017F;chreiten &#x017F;oll, und nicht über&#x017F;chrei-<lb/>
ten kann, ohne mir &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;chaden. Ja, wenn<lb/>
ich das &#x017F;chlechterdings und unbedingt von der Welt<lb/>
fordere, was ich mir er&#x017F;t erwerben und wozu ich mich<lb/>
er&#x017F;t ge&#x017F;chickt machen muß, &#x017F;o handle ich wider die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ein-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0126] Die Schaamhaftigkeit. Beyfall ſchenken, wenn ſie unanſtändig und meiner natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider ſind. Ich will nicht mit dieſer Tugend pralen; aber ſie deſto gewiſ- ſenhafter zu erhalten und bey mir zu verſtärken ſuchen. Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein äuſſerliches Verhalten nicht mit ängſtlicher Anſtren- gung und kindiſcher Sorgfalt beobachten, nicht künſt- lich in eine gewiſſe Form zu bringen ſuchen; aber ich will mein Herz ſo zum Guten bilden und im Guten befeſtigen und mir die Tugend ſo eigen machen, daß mein Aeuſſerliches von ſelbſt anſtändig und ein Zeuge meiner Unſchuld ſeyn muß. Amen. VI. Die Beſcheidenheit bey den Anſprüchen des weiblichen Geſchlechts. Mein Stand und meine Verhältniſſe lehren mich Beſcheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die Grenzen, die ich bey meinen Anſprüchen an andere Menſchen nicht überſchreiten ſoll, und nicht überſchrei- ten kann, ohne mir ſelbſt zu ſchaden. Ja, wenn ich das ſchlechterdings und unbedingt von der Welt fordere, was ich mir erſt erwerben und wozu ich mich erſt geſchickt machen muß, ſo handle ich wider die Ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/126
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/126>, abgerufen am 23.11.2024.