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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Entsagung des Leichtsinns.


VII.
Entsagung des Leichtsinns.


Gott, du hast mir die Vernunft zur Führerin
durch dieses Leben gegeben, deren Licht alle mei-
Pfade erleuchten und mich stets sicher leiten soll.
Durch Hülfe derselben vermag ich das Gute von dem
Bösen, das Wahre von dem Falschen, das Nützliche
von dem Schädlichen zu unterscheiden, jenes zu wäh-
len und dieses zu verwerfen, jenem nachzustreben und
dieses von mir zu entfernen. Durch den Gebrauch
der Vernunft werde ich mit höhern Geistern verwandt
und das erste und vorzüglichste Geschöpf des Erdbo-
dens. Sie ist es, an welcher sich dein Bild in mir
abdrückt, die mich der Weisheit und Tugend, der
Vollkommenheit und Glückseligkeit fähig macht.
Ohne dieselbe kann ich meine menschliche Würde und
meine übrigen Vorzüge nicht behaupten. Wenn ich
ihre Ausbildung verabsäume, oder ihre Stimme
nicht höre und mich ihren Vorschriften widersetze;
wenn ich bey den wichtigsten Angelegenheiten des Le-
bens nicht mit Vernunft und Nachdenken, sondern
aus blinden Trieben, aus Leidenschaft und nach Vor-
urtheilen handle; wenn ich nicht auf entscheidende
Gründe, nicht auf die Quellen und Folgen meines
Verhaltens, sondern blos auf die Befriedigung mei-
ner Eitelkeit, meiner sinnlichen Lüste, auf das, was

Mode
Entſagung des Leichtſinns.


VII.
Entſagung des Leichtſinns.


Gott, du haſt mir die Vernunft zur Führerin
durch dieſes Leben gegeben, deren Licht alle mei-
Pfade erleuchten und mich ſtets ſicher leiten ſoll.
Durch Hülfe derſelben vermag ich das Gute von dem
Böſen, das Wahre von dem Falſchen, das Nützliche
von dem Schädlichen zu unterſcheiden, jenes zu wäh-
len und dieſes zu verwerfen, jenem nachzuſtreben und
dieſes von mir zu entfernen. Durch den Gebrauch
der Vernunft werde ich mit höhern Geiſtern verwandt
und das erſte und vorzüglichſte Geſchöpf des Erdbo-
dens. Sie iſt es, an welcher ſich dein Bild in mir
abdrückt, die mich der Weisheit und Tugend, der
Vollkommenheit und Glückſeligkeit fähig macht.
Ohne dieſelbe kann ich meine menſchliche Würde und
meine übrigen Vorzüge nicht behaupten. Wenn ich
ihre Ausbildung verabſäume, oder ihre Stimme
nicht höre und mich ihren Vorſchriften widerſetze;
wenn ich bey den wichtigſten Angelegenheiten des Le-
bens nicht mit Vernunft und Nachdenken, ſondern
aus blinden Trieben, aus Leidenſchaft und nach Vor-
urtheilen handle; wenn ich nicht auf entſcheidende
Gründe, nicht auf die Quellen und Folgen meines
Verhaltens, ſondern blos auf die Befriedigung mei-
ner Eitelkeit, meiner ſinnlichen Lüſte, auf das, was

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[120/0132] Entſagung des Leichtſinns. VII. Entſagung des Leichtſinns. Gott, du haſt mir die Vernunft zur Führerin durch dieſes Leben gegeben, deren Licht alle mei- Pfade erleuchten und mich ſtets ſicher leiten ſoll. Durch Hülfe derſelben vermag ich das Gute von dem Böſen, das Wahre von dem Falſchen, das Nützliche von dem Schädlichen zu unterſcheiden, jenes zu wäh- len und dieſes zu verwerfen, jenem nachzuſtreben und dieſes von mir zu entfernen. Durch den Gebrauch der Vernunft werde ich mit höhern Geiſtern verwandt und das erſte und vorzüglichſte Geſchöpf des Erdbo- dens. Sie iſt es, an welcher ſich dein Bild in mir abdrückt, die mich der Weisheit und Tugend, der Vollkommenheit und Glückſeligkeit fähig macht. Ohne dieſelbe kann ich meine menſchliche Würde und meine übrigen Vorzüge nicht behaupten. Wenn ich ihre Ausbildung verabſäume, oder ihre Stimme nicht höre und mich ihren Vorſchriften widerſetze; wenn ich bey den wichtigſten Angelegenheiten des Le- bens nicht mit Vernunft und Nachdenken, ſondern aus blinden Trieben, aus Leidenſchaft und nach Vor- urtheilen handle; wenn ich nicht auf entſcheidende Gründe, nicht auf die Quellen und Folgen meines Verhaltens, ſondern blos auf die Befriedigung mei- ner Eitelkeit, meiner ſinnlichen Lüſte, auf das, was Mode

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/132>, abgerufen am 23.11.2024.