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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Entsagung des Leichtsinns.
haben wünsche. Dadurch würde ich in Absicht auf
dich und deinen Willen immer unwissender werden,
die Verhältnisse, in welchen ich als ein Mensch und
als eine Christin gegen dich stehe, immer mehr aus
den Augen verlieren, mich immer weiter von meiner
Bestimmung entfernen und ganz gewiß das große
Ziel derselben verfehlen. Dieser Leichtsinn würde mich
gleichgültig und unempfindlich gegen deine Wohltha-
ten machen, mich undankbar gegen dich und deine
Güte seyn und immer mehr werden lassen, und mir
die festesten Stützen meiner Tugend und Ruhe und
Glückseligkeit entziehen. Durch ein solches Verhal-
ten würde ich alle edle Wißbegierde in mir ersticken,
meinen Geist in Unthätigkeit einwiegen, das Licht
meiner Vernunft verdunkeln und eine Sclavin der
gröbsten Unwissenheit und der schädlichsten Vorurtheile
werden. Bey einer solchen Stimmung meines Ver-
standes und Herzens würde ich mich zur Zeit des
Glücks aller Fähigkeit, dasselbe gehörig zu genießen,
und zur Zeit des Unglücks alles Trostes und aller
Standhaftigkeit berauben.

Ferne sey es von mir, Tugend und Laster mit
leichtsinnigen Augen anzusehen und zu beurtheilen.
Wie falsch würde ich sie da ansehen! wie verkehrt be-
urtheilen! Da würde ich oft das Eine für das Andre,
das Gute für bös und das Böse für gut halten,
würde mich in vielen Fällen durch die bloßen Namen
dieser Dinge blenden und von jedem Scheine täuschen
lassen. Da würde ich bald die Tugend zu einer trau-
nigen Freuden törerin machen, bald als eine Ver-

bind-

Entſagung des Leichtſinns.
haben wünſche. Dadurch würde ich in Abſicht auf
dich und deinen Willen immer unwiſſender werden,
die Verhältniſſe, in welchen ich als ein Menſch und
als eine Chriſtin gegen dich ſtehe, immer mehr aus
den Augen verlieren, mich immer weiter von meiner
Beſtimmung entfernen und ganz gewiß das große
Ziel derſelben verfehlen. Dieſer Leichtſinn würde mich
gleichgültig und unempfindlich gegen deine Wohltha-
ten machen, mich undankbar gegen dich und deine
Güte ſeyn und immer mehr werden laſſen, und mir
die feſteſten Stützen meiner Tugend und Ruhe und
Glückſeligkeit entziehen. Durch ein ſolches Verhal-
ten würde ich alle edle Wißbegierde in mir erſticken,
meinen Geiſt in Unthätigkeit einwiegen, das Licht
meiner Vernunft verdunkeln und eine Sclavin der
gröbſten Unwiſſenheit und der ſchädlichſten Vorurtheile
werden. Bey einer ſolchen Stimmung meines Ver-
ſtandes und Herzens würde ich mich zur Zeit des
Glücks aller Fähigkeit, daſſelbe gehörig zu genießen,
und zur Zeit des Unglücks alles Troſtes und aller
Standhaftigkeit berauben.

Ferne ſey es von mir, Tugend und Laſter mit
leichtſinnigen Augen anzuſehen und zu beurtheilen.
Wie falſch würde ich ſie da anſehen! wie verkehrt be-
urtheilen! Da würde ich oft das Eine für das Andre,
das Gute für bös und das Böſe für gut halten,
würde mich in vielen Fällen durch die bloßen Namen
dieſer Dinge blenden und von jedem Scheine täuſchen
laſſen. Da würde ich bald die Tugend zu einer trau-
nigen Freuden törerin machen, bald als eine Ver-

bind-
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[122/0134] Entſagung des Leichtſinns. haben wünſche. Dadurch würde ich in Abſicht auf dich und deinen Willen immer unwiſſender werden, die Verhältniſſe, in welchen ich als ein Menſch und als eine Chriſtin gegen dich ſtehe, immer mehr aus den Augen verlieren, mich immer weiter von meiner Beſtimmung entfernen und ganz gewiß das große Ziel derſelben verfehlen. Dieſer Leichtſinn würde mich gleichgültig und unempfindlich gegen deine Wohltha- ten machen, mich undankbar gegen dich und deine Güte ſeyn und immer mehr werden laſſen, und mir die feſteſten Stützen meiner Tugend und Ruhe und Glückſeligkeit entziehen. Durch ein ſolches Verhal- ten würde ich alle edle Wißbegierde in mir erſticken, meinen Geiſt in Unthätigkeit einwiegen, das Licht meiner Vernunft verdunkeln und eine Sclavin der gröbſten Unwiſſenheit und der ſchädlichſten Vorurtheile werden. Bey einer ſolchen Stimmung meines Ver- ſtandes und Herzens würde ich mich zur Zeit des Glücks aller Fähigkeit, daſſelbe gehörig zu genießen, und zur Zeit des Unglücks alles Troſtes und aller Standhaftigkeit berauben. Ferne ſey es von mir, Tugend und Laſter mit leichtſinnigen Augen anzuſehen und zu beurtheilen. Wie falſch würde ich ſie da anſehen! wie verkehrt be- urtheilen! Da würde ich oft das Eine für das Andre, das Gute für bös und das Böſe für gut halten, würde mich in vielen Fällen durch die bloßen Namen dieſer Dinge blenden und von jedem Scheine täuſchen laſſen. Da würde ich bald die Tugend zu einer trau- nigen Freuden törerin machen, bald als eine Ver- bind-

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/134>, abgerufen am 23.11.2024.