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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Entsagung des Leichtsinns.
menheit bist, und nach dem vortrefflichen Beyspiele
Jesu bilden soll. Du hast mich zu einer immer wach-
senden Vollkommenheit und Glückseligkeit bestimmt.
Ich soll mich mit keiner niedrigen Stufe derselben
befriedigen. Ich soll nie auf meinem Wege stille ste-
hen oder zurückgehen, sondern unaufhörlich vorwärts
streben. Ich soll von der Erkenntniß Einer Wahr-
heit zu der andern, von Einer guten Gesinnung zu
der andern, von Einer tugendhaften Fertigkeit zu der
andern fortgehen, und immer festere und gewissere
Tritte auf meiner Laufbahn thun. Es ist dein Wille,
daß ich mich immer mehr und mehr über das blos
Sinnliche und Thierische erheben, daß ich immer
mehr Gemeinschaft mit dir haben und immer reineres
und dauerhafteres Vergnügen suchen und genießen soll.

Und diese große, ehrwürdige Bestimmung sollte
ich leichtsinnig aus den Augen verlieren? Von dieser
sollte ich mich entfernen? Ich sollte in Absicht auf
dieselbe unwissend seyn und bleiben können? Welche
Schande und Erniedrigung muß es mir bringen, wenn
ich den Irrthum der Wahrheit, das Böse dem Gu-
ten, das Geringe dem Wichtigen vorziehe, da ich
Beruf und Kräfte habe, die Wahrheit zu finden,
das Gute zu sehen und das Wichtige zu schätzen!
Wie strafbar muß mich nun das Laster machen, da
mich dein Wille, deine Werke, meine Natur, mei-
ne Vernunft, meine Verhältnisse, meine Anlagen
und Fähigkeiten zur Tugend auffordern und mir die-
selbe auf alle Art erleichtern! Wie sehr muß mich mein
Zurückbleiben auf dem Wege der Vollkommenheit ernie

drigen

Entſagung des Leichtſinns.
menheit biſt, und nach dem vortrefflichen Beyſpiele
Jeſu bilden ſoll. Du haſt mich zu einer immer wach-
ſenden Vollkommenheit und Glückſeligkeit beſtimmt.
Ich ſoll mich mit keiner niedrigen Stufe derſelben
befriedigen. Ich ſoll nie auf meinem Wege ſtille ſte-
hen oder zurückgehen, ſondern unaufhörlich vorwärts
ſtreben. Ich ſoll von der Erkenntniß Einer Wahr-
heit zu der andern, von Einer guten Geſinnung zu
der andern, von Einer tugendhaften Fertigkeit zu der
andern fortgehen, und immer feſtere und gewiſſere
Tritte auf meiner Laufbahn thun. Es iſt dein Wille,
daß ich mich immer mehr und mehr über das blos
Sinnliche und Thieriſche erheben, daß ich immer
mehr Gemeinſchaft mit dir haben und immer reineres
und dauerhafteres Vergnügen ſuchen und genießen ſoll.

Und dieſe große, ehrwürdige Beſtimmung ſollte
ich leichtſinnig aus den Augen verlieren? Von dieſer
ſollte ich mich entfernen? Ich ſollte in Abſicht auf
dieſelbe unwiſſend ſeyn und bleiben können? Welche
Schande und Erniedrigung muß es mir bringen, wenn
ich den Irrthum der Wahrheit, das Böſe dem Gu-
ten, das Geringe dem Wichtigen vorziehe, da ich
Beruf und Kräfte habe, die Wahrheit zu finden,
das Gute zu ſehen und das Wichtige zu ſchätzen!
Wie ſtrafbar muß mich nun das Laſter machen, da
mich dein Wille, deine Werke, meine Natur, mei-
ne Vernunft, meine Verhältniſſe, meine Anlagen
und Fähigkeiten zur Tugend auffordern und mir die-
ſelbe auf alle Art erleichtern! Wie ſehr muß mich mein
Zurückbleiben auf dem Wege der Vollkommenheit ernie

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[127/0139] Entſagung des Leichtſinns. menheit biſt, und nach dem vortrefflichen Beyſpiele Jeſu bilden ſoll. Du haſt mich zu einer immer wach- ſenden Vollkommenheit und Glückſeligkeit beſtimmt. Ich ſoll mich mit keiner niedrigen Stufe derſelben befriedigen. Ich ſoll nie auf meinem Wege ſtille ſte- hen oder zurückgehen, ſondern unaufhörlich vorwärts ſtreben. Ich ſoll von der Erkenntniß Einer Wahr- heit zu der andern, von Einer guten Geſinnung zu der andern, von Einer tugendhaften Fertigkeit zu der andern fortgehen, und immer feſtere und gewiſſere Tritte auf meiner Laufbahn thun. Es iſt dein Wille, daß ich mich immer mehr und mehr über das blos Sinnliche und Thieriſche erheben, daß ich immer mehr Gemeinſchaft mit dir haben und immer reineres und dauerhafteres Vergnügen ſuchen und genießen ſoll. Und dieſe große, ehrwürdige Beſtimmung ſollte ich leichtſinnig aus den Augen verlieren? Von dieſer ſollte ich mich entfernen? Ich ſollte in Abſicht auf dieſelbe unwiſſend ſeyn und bleiben können? Welche Schande und Erniedrigung muß es mir bringen, wenn ich den Irrthum der Wahrheit, das Böſe dem Gu- ten, das Geringe dem Wichtigen vorziehe, da ich Beruf und Kräfte habe, die Wahrheit zu finden, das Gute zu ſehen und das Wichtige zu ſchätzen! Wie ſtrafbar muß mich nun das Laſter machen, da mich dein Wille, deine Werke, meine Natur, mei- ne Vernunft, meine Verhältniſſe, meine Anlagen und Fähigkeiten zur Tugend auffordern und mir die- ſelbe auf alle Art erleichtern! Wie ſehr muß mich mein Zurückbleiben auf dem Wege der Vollkommenheit ernie drigen

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/139>, abgerufen am 23.11.2024.