Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Entsagung des Leichtsinns. lichen Begierden und Triebe; ich will auch für dieBefriedigung meines unsterblichen Geistes, meines nach Erkenntnis dürstenden Verstandes, meines nach Ruhe und Glückseligkeit schmachtenden Herzens sorgen. Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und ihren Gesetzen und Vorschriften keine größere Ver- bindlichkeit zuschreiben, als in so weit sie mit der Ver- nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem Willen bestehen können. Ich will mich weder die falsche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen andere, noch die strafbare Furcht vor schlechtdenkenden Menschen, noch die Ruhmsucht und Eitelkeit zur Verletzung meines Gewissens, zur Vernachläßigung meiner weiblichen Pflichten und zur Verabsäumung meines häuslichen Berufs bewegen lassen. Ja, ferne sey es von mir, daß ich mir aus Haus-
Entſagung des Leichtſinns. lichen Begierden und Triebe; ich will auch für dieBefriedigung meines unſterblichen Geiſtes, meines nach Erkenntnis dürſtenden Verſtandes, meines nach Ruhe und Glückſeligkeit ſchmachtenden Herzens ſorgen. Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und ihren Geſetzen und Vorſchriften keine größere Ver- bindlichkeit zuſchreiben, als in ſo weit ſie mit der Ver- nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem Willen beſtehen können. Ich will mich weder die falſche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen andere, noch die ſtrafbare Furcht vor ſchlechtdenkenden Menſchen, noch die Ruhmſucht und Eitelkeit zur Verletzung meines Gewiſſens, zur Vernachläßigung meiner weiblichen Pflichten und zur Verabſäumung meines häuslichen Berufs bewegen laſſen. Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mir aus Haus-
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Entſagung des Leichtſinns.
lichen Begierden und Triebe; ich will auch für die
Befriedigung meines unſterblichen Geiſtes, meines
nach Erkenntnis dürſtenden Verſtandes, meines nach
Ruhe und Glückſeligkeit ſchmachtenden Herzens ſorgen.
Ich will der Mode keinen höhern Werth beylegen und
ihren Geſetzen und Vorſchriften keine größere Ver-
bindlichkeit zuſchreiben, als in ſo weit ſie mit der Ver-
nunft, mit der Religion und Tugend und mit deinem
Willen beſtehen können. Ich will mich weder die
falſche Schaam, noch die unzeitige Gefälligkeit gegen
andere, noch die ſtrafbare Furcht vor ſchlechtdenkenden
Menſchen, noch die Ruhmſucht und Eitelkeit zur
Verletzung meines Gewiſſens, zur Vernachläßigung
meiner weiblichen Pflichten und zur Verabſäumung
meines häuslichen Berufs bewegen laſſen.
Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mir aus
Leichtſinn einbilden ſollte, als ob ich mir in meinem
itzigen Stande und in meinen gegenwärtigen Verhält-
niſſen wohl etwas erlauben könnte, was ſich andere
Menſchen in andern Ständen und Verhältniſſen nicht
erlauben dürfen. Ferne ſey es von mir, das aufzu-
ſchieben, was ich ſobald als möglich ſeyn und thun
ſoll, und nie zu frühzeitig ſeyn und thun kann. Je
weniger ich in meinen gegenwärtigen Jahren bin und
leiſte, deſto weniger vermag ich künftig in jeder an-
dern Lage zu ſeyn und zu leiſten. Wie ich itzt über
Wahrheit und Tugend denke, ſo werde ich wahrſchein-
lich noch lange denken. Wenn ich die Pflichten einer
Tochter geringſchätze und vernachläßige, ſo werde ich
auch die Pflichten der Gattin, der Mutter, der
Haus-
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