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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Die glückliche Gattin.
ser und vollkommner und zur Erfüllung aller meiner
Pflichten geschickter zu machen. Dazu erziehest und
leitest du alle deine vernünftigen Geschöpfe. Dahin
führest du alle Menschen auf den verschiedensten We-
gen. Diese Absicht kannst du, der Allweise, nie
verfehlen, weil du dich nie in der Wahl deiner Mittel
irrest. Glücklich kann und darf ich mich freylich schä-
tzen, daß ich auf einem so angenehmen und mit Ro-
sen bestreuten Wege dem Ziele meiner Bestimmung
zueilen kann. Und wohl mir, wenn mich ein so an-
muthiger und freudenvoller Pfad nicht auf Abwege
und Irrwege verleitet! Wohl mir, wenn ich mein
Glück so ertrage und anwende, wie ich dasselbe nach
deiner Absicht ertragen und anwenden muß, wenn der
höhere Endzweck meines Daseyns erreicht werden soll!

Ja, je größer mein irrdischer Wohlstand, je
größer das Maaß meiner Freuden ist, desto vorsich-
tiger und behutsamer muß ich im Genusse seyn. Glück
und Freude und Ueberfluß sollen die Menschen, deine
Kinder, eben so gewiß in der Enthaltsamkeit und
Mäßigkeit üben, als dieß der Zweck der Leiden, der
Widerwärtigkeiten und des Mangels ist. Diesem
großen Zwecke würde ich entgegen arbeiten, wenn
mich der Besitz meiner irrdischen Vorzüge unersättlich
in der Begierde nach neuen Vergnügungen, aus-
schweifend, stolz und eitel machte, wenn ich alle ernst-
haften Gesinnungen und Empfindungen dadurch scheuen
und alle Anstrengung fliehen lernte.

Nein, je glücklicher ich mich an der Hand mei-
nes Gatten fühle, desto eifriger muß ich mich bemü-

hen,

Die glückliche Gattin.
ſer und vollkommner und zur Erfüllung aller meiner
Pflichten geſchickter zu machen. Dazu erzieheſt und
leiteſt du alle deine vernünftigen Geſchöpfe. Dahin
führeſt du alle Menſchen auf den verſchiedenſten We-
gen. Dieſe Abſicht kannſt du, der Allweiſe, nie
verfehlen, weil du dich nie in der Wahl deiner Mittel
irreſt. Glücklich kann und darf ich mich freylich ſchä-
tzen, daß ich auf einem ſo angenehmen und mit Ro-
ſen beſtreuten Wege dem Ziele meiner Beſtimmung
zueilen kann. Und wohl mir, wenn mich ein ſo an-
muthiger und freudenvoller Pfad nicht auf Abwege
und Irrwege verleitet! Wohl mir, wenn ich mein
Glück ſo ertrage und anwende, wie ich daſſelbe nach
deiner Abſicht ertragen und anwenden muß, wenn der
höhere Endzweck meines Daſeyns erreicht werden ſoll!

Ja, je größer mein irrdiſcher Wohlſtand, je
größer das Maaß meiner Freuden iſt, deſto vorſich-
tiger und behutſamer muß ich im Genuſſe ſeyn. Glück
und Freude und Ueberfluß ſollen die Menſchen, deine
Kinder, eben ſo gewiß in der Enthaltſamkeit und
Mäßigkeit üben, als dieß der Zweck der Leiden, der
Widerwärtigkeiten und des Mangels iſt. Dieſem
großen Zwecke würde ich entgegen arbeiten, wenn
mich der Beſitz meiner irrdiſchen Vorzüge unerſättlich
in der Begierde nach neuen Vergnügungen, aus-
ſchweifend, ſtolz und eitel machte, wenn ich alle ernſt-
haften Geſinnungen und Empfindungen dadurch ſcheuen
und alle Anſtrengung fliehen lernte.

Nein, je glücklicher ich mich an der Hand mei-
nes Gatten fühle, deſto eifriger muß ich mich bemü-

hen,
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[178/0190] Die glückliche Gattin. ſer und vollkommner und zur Erfüllung aller meiner Pflichten geſchickter zu machen. Dazu erzieheſt und leiteſt du alle deine vernünftigen Geſchöpfe. Dahin führeſt du alle Menſchen auf den verſchiedenſten We- gen. Dieſe Abſicht kannſt du, der Allweiſe, nie verfehlen, weil du dich nie in der Wahl deiner Mittel irreſt. Glücklich kann und darf ich mich freylich ſchä- tzen, daß ich auf einem ſo angenehmen und mit Ro- ſen beſtreuten Wege dem Ziele meiner Beſtimmung zueilen kann. Und wohl mir, wenn mich ein ſo an- muthiger und freudenvoller Pfad nicht auf Abwege und Irrwege verleitet! Wohl mir, wenn ich mein Glück ſo ertrage und anwende, wie ich daſſelbe nach deiner Abſicht ertragen und anwenden muß, wenn der höhere Endzweck meines Daſeyns erreicht werden ſoll! Ja, je größer mein irrdiſcher Wohlſtand, je größer das Maaß meiner Freuden iſt, deſto vorſich- tiger und behutſamer muß ich im Genuſſe ſeyn. Glück und Freude und Ueberfluß ſollen die Menſchen, deine Kinder, eben ſo gewiß in der Enthaltſamkeit und Mäßigkeit üben, als dieß der Zweck der Leiden, der Widerwärtigkeiten und des Mangels iſt. Dieſem großen Zwecke würde ich entgegen arbeiten, wenn mich der Beſitz meiner irrdiſchen Vorzüge unerſättlich in der Begierde nach neuen Vergnügungen, aus- ſchweifend, ſtolz und eitel machte, wenn ich alle ernſt- haften Geſinnungen und Empfindungen dadurch ſcheuen und alle Anſtrengung fliehen lernte. Nein, je glücklicher ich mich an der Hand mei- nes Gatten fühle, deſto eifriger muß ich mich bemü- hen,

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/190>, abgerufen am 23.11.2024.