Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.der Prüfung betrachtet. dem Leichtsinne und der Modesucht überlassen? Sollich wieder kindisch zu denken und zu handeln anfangen und auf dem Wege nach meinem Ziele rückwärts ge- hen? Welche schlechte Gattin, welche unvernünftige Hausfrau, welche gewissenlose Mutter müßte ich ge- wesen seyn, wenn ich dieß könnte, wenn ich meinen Wittwenstand durch solche Gesinnungen und Handlun- gen entehren wollte, die sich mit keinen ernsthaften Geschäfften und mit keinem häuslichen Berufe ver- tragen, die kaum der unerfahrnen Jugend, aber nie meinem Stande und Alter verziehen werden! Nein, o Gott, die Verhältnisse, in welche du fer
der Prüfung betrachtet. dem Leichtſinne und der Modeſucht überlaſſen? Sollich wieder kindiſch zu denken und zu handeln anfangen und auf dem Wege nach meinem Ziele rückwärts ge- hen? Welche ſchlechte Gattin, welche unvernünftige Hausfrau, welche gewiſſenloſe Mutter müßte ich ge- weſen ſeyn, wenn ich dieß könnte, wenn ich meinen Wittwenſtand durch ſolche Geſinnungen und Handlun- gen entehren wollte, die ſich mit keinen ernſthaften Geſchäfften und mit keinem häuslichen Berufe ver- tragen, die kaum der unerfahrnen Jugend, aber nie meinem Stande und Alter verziehen werden! Nein, o Gott, die Verhältniſſe, in welche du fer
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der Prüfung betrachtet.
dem Leichtſinne und der Modeſucht überlaſſen? Soll
ich wieder kindiſch zu denken und zu handeln anfangen
und auf dem Wege nach meinem Ziele rückwärts ge-
hen? Welche ſchlechte Gattin, welche unvernünftige
Hausfrau, welche gewiſſenloſe Mutter müßte ich ge-
weſen ſeyn, wenn ich dieß könnte, wenn ich meinen
Wittwenſtand durch ſolche Geſinnungen und Handlun-
gen entehren wollte, die ſich mit keinen ernſthaften
Geſchäfften und mit keinem häuslichen Berufe ver-
tragen, die kaum der unerfahrnen Jugend, aber nie
meinem Stande und Alter verziehen werden!
Nein, o Gott, die Verhältniſſe, in welche du
mich geſetzet haſt, fordern mich zur ſtrengſten Tugend
und zur genaueſten Beobachtung aller meiner Pflichten
auf. Mein gegenwärtiger Stand iſt recht eigentlich ein
Stand der Prüfung und eine Schule der Tugend. O
möchte ich täglich an Weisheit und Frömmigkeit zuneh-
men und täglich zum ernſthaften Nachdenken geſchickter
werden! Möchte ich mich jeden Tag dem Ziele meiner Be-
ſtimmung, der menſchlichen und chriſtlichen Vollkommen-
heit und Glückſeligkeit nähern, wozu du mich berufen
haſt! Ja, nun muß ich mich immer mehr über das
blos Sinnliche und Jrrdiſche erheben. Nun muß
ich immer mehr Geſchmack an Geiſtesbeſchäfftigungen
und Geiſtesvergnügen und am Nachdenken über gro-
ße, wichtige Dinge finden. Nun muß ich nach dem
höchſten, mir erreichbaren Grade von guten, chriſtli-
chen Geſinnungen ſtreben und täglich zur Ewigkeit rei-
fer
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