Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die schwache und kränkliche Matrone. Tod ist uns ein Mittel zu vollkommnerer Glückselig-keit, er ist der Anfang des neuen Lebens und der Ueber- gang zu einer höhern Stufe unsers Daseyns; und dieses zu wissen und zu glauben ist eine reiche, unver- siegbare Quelle des Trostes und der Beruhigung für uns nach Leben und Glückseligkeit schmachtende Menschen. Ja, in diesem Glauben und in dieser Hoffnung Und könnte mich wohl die Erwartung meines ich Z 3
Die ſchwache und kränkliche Matrone. Tod iſt uns ein Mittel zu vollkommnerer Glückſelig-keit, er iſt der Anfang des neuen Lebens und der Ueber- gang zu einer höhern Stufe unſers Daſeyns; und dieſes zu wiſſen und zu glauben iſt eine reiche, unver- ſiegbare Quelle des Troſtes und der Beruhigung für uns nach Leben und Glückſeligkeit ſchmachtende Menſchen. Ja, in dieſem Glauben und in dieſer Hoffnung Und könnte mich wohl die Erwartung meines ich Z 3
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Die ſchwache und kränkliche Matrone.
Tod iſt uns ein Mittel zu vollkommnerer Glückſelig-
keit, er iſt der Anfang des neuen Lebens und der Ueber-
gang zu einer höhern Stufe unſers Daſeyns; und
dieſes zu wiſſen und zu glauben iſt eine reiche, unver-
ſiegbare Quelle des Troſtes und der Beruhigung für uns
nach Leben und Glückſeligkeit ſchmachtende Menſchen.
Ja, in dieſem Glauben und in dieſer Hoffnung
finde auch ich Erquickung und Freude, die ich ſo we-
niger ſinnlicher Freuden mehr fähig bin. Die Abnah-
me meiner Kräfte, das Gefühl meiner immer zuneh-
menden Geiſtesſchwäche, mein Alter und die Unbe-
quemlichkeiten deſſelben, alles rufet mir nunmehr zu,
alles überzeuget mich davon, daß mein Leben ſein Ziel
erreicht hat und daß ich davon muß. Schon ſtehe
ich am Rande des Grabes; ſchon haben mich meine
Thätigkeit und meine Kräfte verlaſſen; ſchon bin ich
bey weitem das nicht mehr, was ich geweſen bin;
ſchon denke und empfinde ich viel weniger und unvoll-
kommner, als ich ſonſt gedacht und empfunden habe;
ſchon ſind die leichteſten Beſchäfftigungen mit großer
Mühe und Anſtrengung für mich verbunden. Jch
fühle es, daß dieſe Erde nicht mehr für mich iſt und
daß ich nicht mehr für dieſe Erde bin.
Und könnte mich wohl die Erwartung meines
nahen Todes betrüben? Könnte ich noch eine beträcht-
liche Verlängerung meines Lebens wünſchen? Nein,
o Gott, es iſt das allgemeine, unveränderliche Geſetz
der Natur, daß der Menſch von Erde wieder zur Erde
wird. Dieſe Wahrheit hat mir ſchon ſo lange, als
ich
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