Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Trostgründe und Aussichten derselben.
Jtzt stören ihn eine Menge wichtiger und unwichtiger
Dinge und Hindernisse in seinen Beschäfftigungen.
Jtzt koster mich jeder klare, zusammenhängende Ge-
danke, jede deutliche, mit Bewußtseyn verbundene
Empfindung, jedes Suchen der Wahrheit, jede Be-
streitung des Jrrthums Anstrengung und Mühe. Jtzt
werden meine Vorstellungen von unsichtbaren und gei-
stigen Dingen gar oft durch die Dazwischenkunft sinn-
licher Gegenstände unterbrochen. Aber auch von die-
ser Schwachheit wird mich der Tod befreyen, der Tod,
der meinen Geist aus seiner gegenwärtigen Verbin-
dung mit dem Körper heraussetzet und die Schranken, die
ihn itzt umgeben, aufhebet. Wie viel geschwinder
und leichter werden sich dann alle meine Fähigkeiten
und Anlagen entwickeln und ausbilden! Welche neue,
mir noch unbekannte Kräfte wird da mein Geist äussern
und anwenden! Welche große, wichtige Dinge werde
ich da ausführen können, deren bloßer Gedanke mir
in meinem gegenwärtigen Zustande unmöglich scheint!
Wie werde ich da von einem Zeitabschnitte zum an-
dern und in alle Ewigkeit an edlen Kräften und an
meiner Ausbildung zunehmen! Welche hohe Stufe
der Vollkommenheit werde ich nach und nach erreichen!
Wie gewiß mich je länger je mehr dem glänzenden
Ziele meiner vielumfassenden menschlichen Bestimmung
nähern!

Ja, bald, o Gott, bald werde ich meinen
Durst nach Erkenntniß ungehinderter stillen können.
Jtzt war ich Kind und Anfängerin in der Schule der
Weisheit. Hier auf Erden konnte und sollte ich mich

nur

Troſtgründe und Ausſichten derſelben.
Jtzt ſtören ihn eine Menge wichtiger und unwichtiger
Dinge und Hinderniſſe in ſeinen Beſchäfftigungen.
Jtzt koſter mich jeder klare, zuſammenhängende Ge-
danke, jede deutliche, mit Bewußtſeyn verbundene
Empfindung, jedes Suchen der Wahrheit, jede Be-
ſtreitung des Jrrthums Anſtrengung und Mühe. Jtzt
werden meine Vorſtellungen von unſichtbaren und gei-
ſtigen Dingen gar oft durch die Dazwiſchenkunft ſinn-
licher Gegenſtände unterbrochen. Aber auch von die-
ſer Schwachheit wird mich der Tod befreyen, der Tod,
der meinen Geiſt aus ſeiner gegenwärtigen Verbin-
dung mit dem Körper herausſetzet und die Schranken, die
ihn itzt umgeben, aufhebet. Wie viel geſchwinder
und leichter werden ſich dann alle meine Fähigkeiten
und Anlagen entwickeln und ausbilden! Welche neue,
mir noch unbekannte Kräfte wird da mein Geiſt äuſſern
und anwenden! Welche große, wichtige Dinge werde
ich da ausführen können, deren bloßer Gedanke mir
in meinem gegenwärtigen Zuſtande unmöglich ſcheint!
Wie werde ich da von einem Zeitabſchnitte zum an-
dern und in alle Ewigkeit an edlen Kräften und an
meiner Ausbildung zunehmen! Welche hohe Stufe
der Vollkommenheit werde ich nach und nach erreichen!
Wie gewiß mich je länger je mehr dem glänzenden
Ziele meiner vielumfaſſenden menſchlichen Beſtimmung
nähern!

Ja, bald, o Gott, bald werde ich meinen
Durſt nach Erkenntniß ungehinderter ſtillen können.
Jtzt war ich Kind und Anfängerin in der Schule der
Weisheit. Hier auf Erden konnte und ſollte ich mich

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0374" n="362"/><fw place="top" type="header">Tro&#x017F;tgründe und Aus&#x017F;ichten der&#x017F;elben.</fw><lb/>
Jtzt &#x017F;tören ihn eine Menge wichtiger und unwichtiger<lb/>
Dinge und Hinderni&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;einen Be&#x017F;chäfftigungen.<lb/>
Jtzt ko&#x017F;ter mich jeder klare, zu&#x017F;ammenhängende Ge-<lb/>
danke, jede deutliche, mit Bewußt&#x017F;eyn verbundene<lb/>
Empfindung, jedes Suchen der Wahrheit, jede Be-<lb/>
&#x017F;treitung des Jrrthums An&#x017F;trengung und Mühe. Jtzt<lb/>
werden meine Vor&#x017F;tellungen von un&#x017F;ichtbaren und gei-<lb/>
&#x017F;tigen Dingen gar oft durch die Dazwi&#x017F;chenkunft &#x017F;inn-<lb/>
licher Gegen&#x017F;tände unterbrochen. Aber auch von die-<lb/>
&#x017F;er Schwachheit wird mich der Tod befreyen, der Tod,<lb/>
der meinen Gei&#x017F;t aus &#x017F;einer gegenwärtigen Verbin-<lb/>
dung mit dem Körper heraus&#x017F;etzet und die Schranken, die<lb/>
ihn itzt umgeben, aufhebet. Wie viel ge&#x017F;chwinder<lb/>
und leichter werden &#x017F;ich dann alle meine Fähigkeiten<lb/>
und Anlagen entwickeln und ausbilden! Welche neue,<lb/>
mir noch unbekannte Kräfte wird da mein Gei&#x017F;t äu&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
und anwenden! Welche große, wichtige Dinge werde<lb/>
ich da ausführen können, deren bloßer Gedanke mir<lb/>
in meinem gegenwärtigen Zu&#x017F;tande unmöglich &#x017F;cheint!<lb/>
Wie werde ich da von einem Zeitab&#x017F;chnitte zum an-<lb/>
dern und in alle Ewigkeit an edlen Kräften und an<lb/>
meiner Ausbildung zunehmen! Welche hohe Stufe<lb/>
der Vollkommenheit werde ich nach und nach erreichen!<lb/>
Wie gewiß mich je länger je mehr dem glänzenden<lb/>
Ziele meiner vielumfa&#x017F;&#x017F;enden men&#x017F;chlichen Be&#x017F;timmung<lb/>
nähern!</p><lb/>
          <p>Ja, bald, o Gott, bald werde ich meinen<lb/>
Dur&#x017F;t nach Erkenntniß ungehinderter &#x017F;tillen können.<lb/>
Jtzt war ich Kind und Anfängerin in der Schule der<lb/>
Weisheit. Hier auf Erden konnte und &#x017F;ollte ich mich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0374] Troſtgründe und Ausſichten derſelben. Jtzt ſtören ihn eine Menge wichtiger und unwichtiger Dinge und Hinderniſſe in ſeinen Beſchäfftigungen. Jtzt koſter mich jeder klare, zuſammenhängende Ge- danke, jede deutliche, mit Bewußtſeyn verbundene Empfindung, jedes Suchen der Wahrheit, jede Be- ſtreitung des Jrrthums Anſtrengung und Mühe. Jtzt werden meine Vorſtellungen von unſichtbaren und gei- ſtigen Dingen gar oft durch die Dazwiſchenkunft ſinn- licher Gegenſtände unterbrochen. Aber auch von die- ſer Schwachheit wird mich der Tod befreyen, der Tod, der meinen Geiſt aus ſeiner gegenwärtigen Verbin- dung mit dem Körper herausſetzet und die Schranken, die ihn itzt umgeben, aufhebet. Wie viel geſchwinder und leichter werden ſich dann alle meine Fähigkeiten und Anlagen entwickeln und ausbilden! Welche neue, mir noch unbekannte Kräfte wird da mein Geiſt äuſſern und anwenden! Welche große, wichtige Dinge werde ich da ausführen können, deren bloßer Gedanke mir in meinem gegenwärtigen Zuſtande unmöglich ſcheint! Wie werde ich da von einem Zeitabſchnitte zum an- dern und in alle Ewigkeit an edlen Kräften und an meiner Ausbildung zunehmen! Welche hohe Stufe der Vollkommenheit werde ich nach und nach erreichen! Wie gewiß mich je länger je mehr dem glänzenden Ziele meiner vielumfaſſenden menſchlichen Beſtimmung nähern! Ja, bald, o Gott, bald werde ich meinen Durſt nach Erkenntniß ungehinderter ſtillen können. Jtzt war ich Kind und Anfängerin in der Schule der Weisheit. Hier auf Erden konnte und ſollte ich mich nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/374
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/374>, abgerufen am 23.11.2024.