Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Trostgründe und Aussichten derselben.
nisse und Einsichten vervielfältigen, je mehr ich mich
in allen guten Gesinnungen und in der Liebe zu der Tu-
gend stärke, je mehr sich der Kreis meiner Wirksam-
keit und Wohlthätigkeit erweitert, je besser ich dich
und deine Werke und meine ganze Bestimmung kenne:
desto größer und dauerhafter wird meine Glückseligkeit
und desto reiner und unvermischter der Genuß aller
meiner Freuden seyn.

Möchte ich doch diese reizenden und angenehmen
Hoffnungen bald erfüllt sehen, o Gott! Möchte ich
doch dieser Vollkommenhelt und Glückseligkeit fähig
und würdig seyn und derselben, so lange ich noch auf
Erden lebe, täglich fähiger und würdiger werden!
Ja, dieß ist mein einziger Wunsch und mein eifrig-
stes Bestreben; und in diesen Bemühungen wirst du
mich mächtig unterstützen. Amen.


VII.
Morgengebet einer Betagten und Schwachen.

Vielleicht ist dieser Tag der letzte für mich, o Gott;
vielleicht sehe ich heute das erfreuende Licht der
Sonne zum letztenmale. Keine Jugend, keine Ge-
sundheit und Stärke können dem Menschen, dem hin-
fälligen und sterblichen Menschen die Versicherung ge-
ben, daß er das Ende des Tages so gewiß als den
Anfang desselben erleben werde. Und wie sehr erin-
nern nicht insbesondere mich meine Jahre und

meine

Troſtgründe und Ausſichten derſelben.
niſſe und Einſichten vervielfältigen, je mehr ich mich
in allen guten Geſinnungen und in der Liebe zu der Tu-
gend ſtärke, je mehr ſich der Kreis meiner Wirkſam-
keit und Wohlthätigkeit erweitert, je beſſer ich dich
und deine Werke und meine ganze Beſtimmung kenne:
deſto größer und dauerhafter wird meine Glückſeligkeit
und deſto reiner und unvermiſchter der Genuß aller
meiner Freuden ſeyn.

Möchte ich doch dieſe reizenden und angenehmen
Hoffnungen bald erfüllt ſehen, o Gott! Möchte ich
doch dieſer Vollkommenhelt und Glückſeligkeit fähig
und würdig ſeyn und derſelben, ſo lange ich noch auf
Erden lebe, täglich fähiger und würdiger werden!
Ja, dieß iſt mein einziger Wunſch und mein eifrig-
ſtes Beſtreben; und in dieſen Bemühungen wirſt du
mich mächtig unterſtützen. Amen.


VII.
Morgengebet einer Betagten und Schwachen.

Vielleicht iſt dieſer Tag der letzte für mich, o Gott;
vielleicht ſehe ich heute das erfreuende Licht der
Sonne zum letztenmale. Keine Jugend, keine Ge-
ſundheit und Stärke können dem Menſchen, dem hin-
fälligen und ſterblichen Menſchen die Verſicherung ge-
ben, daß er das Ende des Tages ſo gewiß als den
Anfang deſſelben erleben werde. Und wie ſehr erin-
nern nicht insbeſondere mich meine Jahre und

meine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0378" n="366"/><fw place="top" type="header">Tro&#x017F;tgründe und Aus&#x017F;ichten der&#x017F;elben.</fw><lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e und Ein&#x017F;ichten vervielfältigen, je mehr ich mich<lb/>
in allen guten Ge&#x017F;innungen und in der Liebe zu der Tu-<lb/>
gend &#x017F;tärke, je mehr &#x017F;ich der Kreis meiner Wirk&#x017F;am-<lb/>
keit und Wohlthätigkeit erweitert, je be&#x017F;&#x017F;er ich dich<lb/>
und deine Werke und meine ganze Be&#x017F;timmung kenne:<lb/>
de&#x017F;to größer und dauerhafter wird meine Glück&#x017F;eligkeit<lb/>
und de&#x017F;to reiner und unvermi&#x017F;chter der Genuß aller<lb/>
meiner Freuden &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Möchte ich doch die&#x017F;e reizenden und angenehmen<lb/>
Hoffnungen bald erfüllt &#x017F;ehen, o Gott! Möchte ich<lb/>
doch die&#x017F;er Vollkommenhelt und Glück&#x017F;eligkeit fähig<lb/>
und würdig &#x017F;eyn und der&#x017F;elben, &#x017F;o lange ich noch auf<lb/>
Erden lebe, täglich fähiger und würdiger werden!<lb/>
Ja, dieß i&#x017F;t mein einziger Wun&#x017F;ch und mein eifrig-<lb/>
&#x017F;tes Be&#x017F;treben; und in die&#x017F;en Bemühungen wir&#x017F;t du<lb/>
mich mächtig unter&#x017F;tützen. Amen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VII.</hi><lb/>
Morgengebet einer Betagten und Schwachen.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">V</hi>ielleicht i&#x017F;t die&#x017F;er Tag der letzte für mich, o Gott;<lb/>
vielleicht &#x017F;ehe ich heute das erfreuende Licht der<lb/>
Sonne zum letztenmale. Keine Jugend, keine Ge-<lb/>
&#x017F;undheit und Stärke können dem Men&#x017F;chen, dem hin-<lb/>
fälligen und &#x017F;terblichen Men&#x017F;chen die Ver&#x017F;icherung ge-<lb/>
ben, daß er das Ende des Tages &#x017F;o gewiß als den<lb/>
Anfang de&#x017F;&#x017F;elben erleben werde. Und wie &#x017F;ehr erin-<lb/>
nern nicht insbe&#x017F;ondere mich meine Jahre und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">meine</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0378] Troſtgründe und Ausſichten derſelben. niſſe und Einſichten vervielfältigen, je mehr ich mich in allen guten Geſinnungen und in der Liebe zu der Tu- gend ſtärke, je mehr ſich der Kreis meiner Wirkſam- keit und Wohlthätigkeit erweitert, je beſſer ich dich und deine Werke und meine ganze Beſtimmung kenne: deſto größer und dauerhafter wird meine Glückſeligkeit und deſto reiner und unvermiſchter der Genuß aller meiner Freuden ſeyn. Möchte ich doch dieſe reizenden und angenehmen Hoffnungen bald erfüllt ſehen, o Gott! Möchte ich doch dieſer Vollkommenhelt und Glückſeligkeit fähig und würdig ſeyn und derſelben, ſo lange ich noch auf Erden lebe, täglich fähiger und würdiger werden! Ja, dieß iſt mein einziger Wunſch und mein eifrig- ſtes Beſtreben; und in dieſen Bemühungen wirſt du mich mächtig unterſtützen. Amen. VII. Morgengebet einer Betagten und Schwachen. Vielleicht iſt dieſer Tag der letzte für mich, o Gott; vielleicht ſehe ich heute das erfreuende Licht der Sonne zum letztenmale. Keine Jugend, keine Ge- ſundheit und Stärke können dem Menſchen, dem hin- fälligen und ſterblichen Menſchen die Verſicherung ge- ben, daß er das Ende des Tages ſo gewiß als den Anfang deſſelben erleben werde. Und wie ſehr erin- nern nicht insbeſondere mich meine Jahre und meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/378
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/378>, abgerufen am 23.11.2024.