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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Abendgebet.
andere mit Mühe und Sorgen, mit Noth und Ge-
fahren verbunden. Verfehlte Absichten, getäuschte
Hoffnungen, vereitelte Wünsche, Schmerz und Kum-
mer begleiten den Ueberfluß wie den Mangel, die Ge-
lehrfamkeit wie das geschäfftige Leben, die Hoheit wie
die Niedrigkeit, die Gewalt wie die Schwäche, die
Jugend wie das Alter. Niemand ist und hat und
genießet alles, so viel er auch zu seyn und zu haben
und zu genießen scheint. Niemand ist von dem Ver-
luste dessen frey, was ihm lieb und theuer ist. Nie-
mand ist über die Einschränkungen und Schwachhei-
ten seiner Natur erhaben. Der Mensch als Mensch
ist unzählichen Veränderungen und Einflüssen, unzäh-
lichen Schmerzen und Leiden unterworfen, wogegen
ihn nichts schützen, wovon ihn nichts befreyen kann.
Aber der Tod befreyet ihn davon. Der Tod schenket
allen Ruhe und ist Erquickung für alle. Er ist das
Ende einer mühevollen und beschwerlichen Laufbahn,
das Ende des Kampfes, der Anfang des Sieges, die
Errettung von tausend, wahren und eingebildeten,
Uebeln.

Der Tod ist kein Uebel, keine Strafe; denn
er befreyet vom Uebel und der Mensch, der dich und
seine Brüder aufrichtig liebet, der deinen Geboten ge-
horchet, der so viel Gutes thut und befördert, als er
zu thun und zu befördern Kräfte und Veranlassung
hat, der einen gemeinnützigen Gebrauch von seinen
Fähigkeiten und Vorzügen machet, der seine Stelle
würdig behauptet, der immer besser und vollkomm-
ner zu werden strebet, der hat keine Strafe zu be-
fürchten. Wer sich vor der Strafe fürchtet, der ist

ein

Abendgebet.
andere mit Mühe und Sorgen, mit Noth und Ge-
fahren verbunden. Verfehlte Abſichten, getäuſchte
Hoffnungen, vereitelte Wünſche, Schmerz und Kum-
mer begleiten den Ueberfluß wie den Mangel, die Ge-
lehrfamkeit wie das geſchäfftige Leben, die Hoheit wie
die Niedrigkeit, die Gewalt wie die Schwäche, die
Jugend wie das Alter. Niemand iſt und hat und
genießet alles, ſo viel er auch zu ſeyn und zu haben
und zu genießen ſcheint. Niemand iſt von dem Ver-
luſte deſſen frey, was ihm lieb und theuer iſt. Nie-
mand iſt über die Einſchränkungen und Schwachhei-
ten ſeiner Natur erhaben. Der Menſch als Menſch
iſt unzählichen Veränderungen und Einflüſſen, unzäh-
lichen Schmerzen und Leiden unterworfen, wogegen
ihn nichts ſchützen, wovon ihn nichts befreyen kann.
Aber der Tod befreyet ihn davon. Der Tod ſchenket
allen Ruhe und iſt Erquickung für alle. Er iſt das
Ende einer mühevollen und beſchwerlichen Laufbahn,
das Ende des Kampfes, der Anfang des Sieges, die
Errettung von tauſend, wahren und eingebildeten,
Uebeln.

Der Tod iſt kein Uebel, keine Strafe; denn
er befreyet vom Uebel und der Menſch, der dich und
ſeine Brüder aufrichtig liebet, der deinen Geboten ge-
horchet, der ſo viel Gutes thut und befördert, als er
zu thun und zu befördern Kräfte und Veranlaſſung
hat, der einen gemeinnützigen Gebrauch von ſeinen
Fähigkeiten und Vorzügen machet, der ſeine Stelle
würdig behauptet, der immer beſſer und vollkomm-
ner zu werden ſtrebet, der hat keine Strafe zu be-
fürchten. Wer ſich vor der Strafe fürchtet, der iſt

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[373/0385] Abendgebet. andere mit Mühe und Sorgen, mit Noth und Ge- fahren verbunden. Verfehlte Abſichten, getäuſchte Hoffnungen, vereitelte Wünſche, Schmerz und Kum- mer begleiten den Ueberfluß wie den Mangel, die Ge- lehrfamkeit wie das geſchäfftige Leben, die Hoheit wie die Niedrigkeit, die Gewalt wie die Schwäche, die Jugend wie das Alter. Niemand iſt und hat und genießet alles, ſo viel er auch zu ſeyn und zu haben und zu genießen ſcheint. Niemand iſt von dem Ver- luſte deſſen frey, was ihm lieb und theuer iſt. Nie- mand iſt über die Einſchränkungen und Schwachhei- ten ſeiner Natur erhaben. Der Menſch als Menſch iſt unzählichen Veränderungen und Einflüſſen, unzäh- lichen Schmerzen und Leiden unterworfen, wogegen ihn nichts ſchützen, wovon ihn nichts befreyen kann. Aber der Tod befreyet ihn davon. Der Tod ſchenket allen Ruhe und iſt Erquickung für alle. Er iſt das Ende einer mühevollen und beſchwerlichen Laufbahn, das Ende des Kampfes, der Anfang des Sieges, die Errettung von tauſend, wahren und eingebildeten, Uebeln. Der Tod iſt kein Uebel, keine Strafe; denn er befreyet vom Uebel und der Menſch, der dich und ſeine Brüder aufrichtig liebet, der deinen Geboten ge- horchet, der ſo viel Gutes thut und befördert, als er zu thun und zu befördern Kräfte und Veranlaſſung hat, der einen gemeinnützigen Gebrauch von ſeinen Fähigkeiten und Vorzügen machet, der ſeine Stelle würdig behauptet, der immer beſſer und vollkomm- ner zu werden ſtrebet, der hat keine Strafe zu be- fürchten. Wer ſich vor der Strafe fürchtet, der iſt ein

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/385>, abgerufen am 23.11.2024.