Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Abendgebet. ein vorsätzlicher und beharrlicher Sünder, der han-delt seinen bessern Einsichten und seiner Ueberzeugung von dem, was recht und gut ist, mit Fleiß zuwider, der weiß es, daß er das Gegentheil von dem gethan hat und noch thut, was er thun sollte, der liebet, der ehret dich nicht als seinen Vater und Schöpfer, der denket nicht so, empfindet nicht so, will und han- delt nicht so, wie ein vernünftiger Mensch, wie ein erleuchteter Christ denken und empfinden und wollen und handeln soll. Für den Rechtschaffenen und Frommen ist der Tod Belohnung. Vielleicht ist er hier verkannt und verachtet, vielleicht ist seine Fröm- migkeit als Heucheley und Verstellung verspottet, vielleicht ist er von Feinden und Neidern gehaßt und verfolget, vielleicht sind seine wohlthätigsten Absich- ten mit Fleiß vereitelt, vielleicht ist seine strenge Tu- gend, seine unbestechbare Treue, sein unüberwindli- cher Haß gegen das Böse eine zufällige, mitwirken- de Ursache des Verlusts seiner Ehre, seiner Freunde und seines Vermögens geworden. Der Tod bringt ihn in die Gesellschaft weiser und guter Menschen, die ihm Gerechtigkeit wiederfahren lassen, die seine Tugend und Verdienste ehren und schätzen, die sich seiner als ihres Bruders freuen, die ihm Gelegen- heit geben, sich ganz so zu zeigen, wie er ist, ganz so zu handeln, wie er zu handeln wünscht, ganz so viel Gutes zu thun, als er thun zu müssen überzeugt ist. Der Tod versetzet ihn in einen andern und grös- sern Wirkungskreis, wo er zur Belohnung für seine Treue und Rechtschaffenheit höhere Geschäffte verrich- ten, viel weiter um sich her wirken und ungleich wohl- thä-
Abendgebet. ein vorſätzlicher und beharrlicher Sünder, der han-delt ſeinen beſſern Einſichten und ſeiner Ueberzeugung von dem, was recht und gut iſt, mit Fleiß zuwider, der weiß es, daß er das Gegentheil von dem gethan hat und noch thut, was er thun ſollte, der liebet, der ehret dich nicht als ſeinen Vater und Schöpfer, der denket nicht ſo, empfindet nicht ſo, will und han- delt nicht ſo, wie ein vernünftiger Menſch, wie ein erleuchteter Chriſt denken und empfinden und wollen und handeln ſoll. Für den Rechtſchaffenen und Frommen iſt der Tod Belohnung. Vielleicht iſt er hier verkannt und verachtet, vielleicht iſt ſeine Fröm- migkeit als Heucheley und Verſtellung verſpottet, vielleicht iſt er von Feinden und Neidern gehaßt und verfolget, vielleicht ſind ſeine wohlthätigſten Abſich- ten mit Fleiß vereitelt, vielleicht iſt ſeine ſtrenge Tu- gend, ſeine unbeſtechbare Treue, ſein unüberwindli- cher Haß gegen das Böſe eine zufällige, mitwirken- de Urſache des Verluſts ſeiner Ehre, ſeiner Freunde und ſeines Vermögens geworden. Der Tod bringt ihn in die Geſellſchaft weiſer und guter Menſchen, die ihm Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, die ſeine Tugend und Verdienſte ehren und ſchätzen, die ſich ſeiner als ihres Bruders freuen, die ihm Gelegen- heit geben, ſich ganz ſo zu zeigen, wie er iſt, ganz ſo zu handeln, wie er zu handeln wünſcht, ganz ſo viel Gutes zu thun, als er thun zu müſſen überzeugt iſt. Der Tod verſetzet ihn in einen andern und gröſ- ſern Wirkungskreis, wo er zur Belohnung für ſeine Treue und Rechtſchaffenheit höhere Geſchäffte verrich- ten, viel weiter um ſich her wirken und ungleich wohl- thä-
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Abendgebet.
ein vorſätzlicher und beharrlicher Sünder, der han-
delt ſeinen beſſern Einſichten und ſeiner Ueberzeugung
von dem, was recht und gut iſt, mit Fleiß zuwider,
der weiß es, daß er das Gegentheil von dem gethan
hat und noch thut, was er thun ſollte, der liebet,
der ehret dich nicht als ſeinen Vater und Schöpfer,
der denket nicht ſo, empfindet nicht ſo, will und han-
delt nicht ſo, wie ein vernünftiger Menſch, wie ein
erleuchteter Chriſt denken und empfinden und wollen
und handeln ſoll. Für den Rechtſchaffenen und
Frommen iſt der Tod Belohnung. Vielleicht iſt er
hier verkannt und verachtet, vielleicht iſt ſeine Fröm-
migkeit als Heucheley und Verſtellung verſpottet,
vielleicht iſt er von Feinden und Neidern gehaßt und
verfolget, vielleicht ſind ſeine wohlthätigſten Abſich-
ten mit Fleiß vereitelt, vielleicht iſt ſeine ſtrenge Tu-
gend, ſeine unbeſtechbare Treue, ſein unüberwindli-
cher Haß gegen das Böſe eine zufällige, mitwirken-
de Urſache des Verluſts ſeiner Ehre, ſeiner Freunde
und ſeines Vermögens geworden. Der Tod bringt
ihn in die Geſellſchaft weiſer und guter Menſchen,
die ihm Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, die ſeine
Tugend und Verdienſte ehren und ſchätzen, die ſich
ſeiner als ihres Bruders freuen, die ihm Gelegen-
heit geben, ſich ganz ſo zu zeigen, wie er iſt, ganz
ſo zu handeln, wie er zu handeln wünſcht, ganz ſo
viel Gutes zu thun, als er thun zu müſſen überzeugt
iſt. Der Tod verſetzet ihn in einen andern und gröſ-
ſern Wirkungskreis, wo er zur Belohnung für ſeine
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ten, viel weiter um ſich her wirken und ungleich wohl-
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