Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld- kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen, beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver- schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver- nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro- duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes, sein eigenstes Terrain.
Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter, Luther's oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen Produktionsweise.
Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an- gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat. Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen- über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.
Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen, unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge- stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun- giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.
Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld- kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen, beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver- schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver- nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro- duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes, sein eigenstes Terrain.
Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter, Luther’s oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen Produktionsweise.
Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an- gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat. Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen- über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.
Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen, unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge- stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun- giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0148"n="139"/>
Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld-<lb/>
kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen,<lb/>
beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber<lb/>
Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel<lb/>
weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver-<lb/>
schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver-<lb/>
nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro-<lb/>
duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld<lb/>
als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes,<lb/>
sein eigenstes Terrain.</p><lb/><p>Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion<lb/>
gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und<lb/>
keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter,<lb/>
Luther’s oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts<lb/>
mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden<lb/>
Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen<lb/>
Produktionsweise.</p><lb/><p>Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen<lb/>
Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an-<lb/>
gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern<lb/>
wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den<lb/>
Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat.<lb/>
Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen-<lb/>
über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im<lb/>
Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt<lb/>
werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im<lb/>
Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung<lb/>
geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent<lb/>
ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer<lb/>
Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich<lb/>
wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter<lb/>
operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.</p><lb/><p>Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element<lb/>
der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital<lb/>
unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter<lb/>
dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen,<lb/>
unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge-<lb/>
stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo<lb/>
ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit<lb/>
erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun-<lb/>
giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[139/0148]
Termin zu liefern. Wie dies zu Umständen führen kann, wo Geld-
kapitalist und Wucherer noch heute in einander verschwimmen,
beweisen die modernen Geldkrisen. Derselbe Wucher wird aber
Hauptmittel, die Nothwendigkeit des Geldes als Zahlungsmittel
weiter auszubilden, indem er den Producenten tiefer und tiefer ver-
schuldet, und ihm die gewöhnlichen Zahlungsmittel dadurch ver-
nichtet, dass er durch die Zinslast selbst seine regelmäßige Repro-
duktion unmöglich macht. Hier schiesst der Wucher aus dem Geld
als Zahlungsmittel empor, und erweitert diese Funktion des Geldes,
sein eigenstes Terrain.
Die Entwicklung des Kreditwesens vollbringt sich als Reaktion
gegen den Wucher. Man muss dies aber nicht missverstehn, und
keineswegs im Sinn der antiken Schriftsteller, der Kirchenväter,
Luther’s oder der älteren Socialisten nehmen. Es bedeutet nichts
mehr und nichts weniger als die Unterordnung des zinstragenden
Kapitals unter die Bedingungen und Bedürfnisse der kapitalistischen
Produktionsweise.
Im Grossen und Ganzen wird das zinstragende Kapital im modernen
Kreditsystem den Bedingungen der kapitalistischen Produktion an-
gepasst. Der Wucher als solcher existirt nicht nur fort, sondern
wird bei Völkern entwickelter kapitalistischer Produktion von den
Schranken befreit, die ihm alle ältere Gesetzgebung gezogen hat.
Das zinstragende Kapital behält die Form von Wucherkapital gegen-
über Personen und Klassen, oder in Verhältnissen, wo nicht im
Sinn der kapitalistischen Produktionsweise geborgt wird und geborgt
werden kann; wo aus individueller Noth geborgt wird wie im
Pfandhaus; wo dem geniessenden Reichthum für Verschwendung
geborgt wird; oder wo der Producent nichtkapitalistischer Producent
ist, kleiner Bauer, Handwerker etc., also noch als unmittelbarer
Producent Besitzer seiner eignen Produktionsbedingungen; endlich
wo der kapitalistische Producent selbst auf so kleiner Stufenleiter
operirt, dass er sich jenen selbst arbeitenden Producenten nähert.
Was das zinstragende Kapital, soweit es ein wesentliches Element
der kapitalistischen Produktionsweise bildet, vom Wucherkapital
unterscheidet, ist in keiner Weise die Natur oder der Charakter
dieses Kapitals selbst. Es sind nur die veränderten Bedingungen,
unter denen es fungirt, und daher auch die total verwandelte Ge-
stalt des Borgers, der dem Geldverleiher gegenübertritt. Selbst wo
ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit
erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fun-
giren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/148>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.