Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein Gesicht trügt! Denn ich möchte Jhnen nicht miß- fallen.
Regina. Mißfallen! Wer spricht auch gleich davon? Aber, Kronhelm! Sie sollten mehr wünschen, als mir nur nicht zu mißfallen! -- Verzeihen Sie, ich hab schon zuviel geredt; Jch bin eben ein Landmädchen; und die verstehen srey- lich so das Feine nicht.
Kronhelm. Jch verstehe Sie nicht, gnädi- ges Fräulein!
Regina. Nicht? nun so kann ich nicht da- für. -- So bedauren Sie mich!
Und nun gieng sie weg, und weinte. Sieg- wart stand ganz betroffen da, und sah Kronhelm an. Er wuste sich in sein Betragen schlechter- dings nicht zu finden. Das Fräulein bückte sich; brach ein paar Tausendschönchen ab; hielt sie fest zusammen, sah sie staar an, und zerriß sie dann plötzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin- auf, Siegwart stand da, und wuste nicht, ob er gehen, oder bleiben sollte? Endlich kam Regine wieder zu ihm, sprach mit ihm von seiner Schwester; und vom Kloster, daß es da so traurig sey; über- haupt, sagte sie, sind wir Mädchen die elendesten Ge-
Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein Geſicht truͤgt! Denn ich moͤchte Jhnen nicht miß- fallen.
Regina. Mißfallen! Wer ſpricht auch gleich davon? Aber, Kronhelm! Sie ſollten mehr wuͤnſchen, als mir nur nicht zu mißfallen! — Verzeihen Sie, ich hab ſchon zuviel geredt; Jch bin eben ein Landmaͤdchen; und die verſtehen ſrey- lich ſo das Feine nicht.
Kronhelm. Jch verſtehe Sie nicht, gnaͤdi- ges Fraͤulein!
Regina. Nicht? nun ſo kann ich nicht da- fuͤr. — So bedauren Sie mich!
Und nun gieng ſie weg, und weinte. Sieg- wart ſtand ganz betroffen da, und ſah Kronhelm an. Er wuſte ſich in ſein Betragen ſchlechter- dings nicht zu finden. Das Fraͤulein buͤckte ſich; brach ein paar Tauſendſchoͤnchen ab; hielt ſie feſt zuſammen, ſah ſie ſtaar an, und zerriß ſie dann ploͤtzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin- auf, Siegwart ſtand da, und wuſte nicht, ob er gehen, oder bleiben ſollte? Endlich kam Regine wieder zu ihm, ſprach mit ihm von ſeiner Schweſter; und vom Kloſter, daß es da ſo traurig ſey; uͤber- haupt, ſagte ſie, ſind wir Maͤdchen die elendeſten Ge-
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Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein
Geſicht truͤgt! Denn ich moͤchte Jhnen nicht miß-
fallen.
Regina. Mißfallen! Wer ſpricht auch gleich
davon? Aber, Kronhelm! Sie ſollten mehr
wuͤnſchen, als mir nur nicht zu mißfallen! —
Verzeihen Sie, ich hab ſchon zuviel geredt; Jch
bin eben ein Landmaͤdchen; und die verſtehen ſrey-
lich ſo das Feine nicht.
Kronhelm. Jch verſtehe Sie nicht, gnaͤdi-
ges Fraͤulein!
Regina. Nicht? nun ſo kann ich nicht da-
fuͤr. — So bedauren Sie mich!
Und nun gieng ſie weg, und weinte. Sieg-
wart ſtand ganz betroffen da, und ſah Kronhelm
an. Er wuſte ſich in ſein Betragen ſchlechter-
dings nicht zu finden. Das Fraͤulein buͤckte ſich;
brach ein paar Tauſendſchoͤnchen ab; hielt ſie feſt
zuſammen, ſah ſie ſtaar an, und zerriß ſie dann
ploͤtzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin-
auf, Siegwart ſtand da, und wuſte nicht, ob er
gehen, oder bleiben ſollte? Endlich kam Regine
wieder zu ihm, ſprach mit ihm von ſeiner Schweſter;
und vom Kloſter, daß es da ſo traurig ſey; uͤber-
haupt, ſagte ſie, ſind wir Maͤdchen die elendeſten Ge-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/291>, abgerufen am 23.11.2024.
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