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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Sie kamen wieder in die Gesellschaft, wo
Jobst und Kunigunde sich über Silberling sehr
lustig machten. Baron Striebel nahm oft seine
Parthie, aber immer konnt er es doch nicht,
weil Silberling oft gar zu einfältige Antworten
gab. Junker Veit war ganz unaufgeräumt, und
beklagte sich sehr über sein Zipperlein. Die Ge-
sellschaft gieng bald auseinander, und Junker Veit
legte sich frühzeitig zu Bette. Siegwart und
der junge Kronhelm giengen auf ihr Zimmer.
Kronhelm sah es seinem Freund an, daß er et-
was auf dem Herzen habe. Endlich fieng dieser
an: Hör, Kronhelm, dein heutiges Betragen
gegen das Fräulein Stellmann kommt mir ganz
sonderbar vor; ich kann die Kälte, die du an-
nahmst, nicht begreifen; zumal da das Fräulein
gegen dich nichts weniger, als gleichgültig zu seyn
scheint.

Kronhelm. Wie? Wenn ich aber gerade
deswegen mein Betragen so eingerichtet hätte?

Siegwart. Das ist mir noch unbegreiflicher
und räthselhafter. Das Fräulein, deucht mir, ist
ein vortrefliches Frauenzimmer, das deine Hoch-
achtung und Liebe wol verdiente.

T


Sie kamen wieder in die Geſellſchaft, wo
Jobſt und Kunigunde ſich uͤber Silberling ſehr
luſtig machten. Baron Striebel nahm oft ſeine
Parthie, aber immer konnt er es doch nicht,
weil Silberling oft gar zu einfaͤltige Antworten
gab. Junker Veit war ganz unaufgeraͤumt, und
beklagte ſich ſehr uͤber ſein Zipperlein. Die Ge-
ſellſchaft gieng bald auseinander, und Junker Veit
legte ſich fruͤhzeitig zu Bette. Siegwart und
der junge Kronhelm giengen auf ihr Zimmer.
Kronhelm ſah es ſeinem Freund an, daß er et-
was auf dem Herzen habe. Endlich fieng dieſer
an: Hoͤr, Kronhelm, dein heutiges Betragen
gegen das Fraͤulein Stellmann kommt mir ganz
ſonderbar vor; ich kann die Kaͤlte, die du an-
nahmſt, nicht begreifen; zumal da das Fraͤulein
gegen dich nichts weniger, als gleichguͤltig zu ſeyn
ſcheint.

Kronhelm. Wie? Wenn ich aber gerade
deswegen mein Betragen ſo eingerichtet haͤtte?

Siegwart. Das iſt mir noch unbegreiflicher
und raͤthſelhafter. Das Fraͤulein, deucht mir, iſt
ein vortrefliches Frauenzimmer, das deine Hoch-
achtung und Liebe wol verdiente.

T
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[289/0293] Sie kamen wieder in die Geſellſchaft, wo Jobſt und Kunigunde ſich uͤber Silberling ſehr luſtig machten. Baron Striebel nahm oft ſeine Parthie, aber immer konnt er es doch nicht, weil Silberling oft gar zu einfaͤltige Antworten gab. Junker Veit war ganz unaufgeraͤumt, und beklagte ſich ſehr uͤber ſein Zipperlein. Die Ge- ſellſchaft gieng bald auseinander, und Junker Veit legte ſich fruͤhzeitig zu Bette. Siegwart und der junge Kronhelm giengen auf ihr Zimmer. Kronhelm ſah es ſeinem Freund an, daß er et- was auf dem Herzen habe. Endlich fieng dieſer an: Hoͤr, Kronhelm, dein heutiges Betragen gegen das Fraͤulein Stellmann kommt mir ganz ſonderbar vor; ich kann die Kaͤlte, die du an- nahmſt, nicht begreifen; zumal da das Fraͤulein gegen dich nichts weniger, als gleichguͤltig zu ſeyn ſcheint. Kronhelm. Wie? Wenn ich aber gerade deswegen mein Betragen ſo eingerichtet haͤtte? Siegwart. Das iſt mir noch unbegreiflicher und raͤthſelhafter. Das Fraͤulein, deucht mir, iſt ein vortrefliches Frauenzimmer, das deine Hoch- achtung und Liebe wol verdiente. T

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/293>, abgerufen am 23.11.2024.